Gottes Kirche hat durch alle Jahrhunderte hindurch existiert. Sie ist eine „kleine Herde" (Lukas 12, 32), doch Gott ist immer seiner Verheißung treu geblieben, dass die „Pforten der Hölle" – des Grabes – sie nicht überwältigen sollen (Matthäus 16, 18). In dieser Broschüre finden Sie einen kurzen Abriss der faszinierenden Geschichte der wahren Kirche Gottes.
 


Inhalt

Kapitel
1. Was geschah mit der Kirche?
2. Ein dramatischer Übergang
3. Die Kirche in der Wüste
4. Die Kirche schlägt Wurzeln in der Neuen Welt
5. Zersplitterungen, Spaltungen und ein Neuanfang

 


 [Inhalt]

Kapitel 1 – Was geschah mit der Kirche?

Jesus Christus sagte: "[Ich will] meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle [des Grabes] sollen sie nicht überwältigen" (Matthäus 16, 18). Welche Gemeinde hat Jesus erbaut, und was ist aus ihr geworden? 

Wenn die Bibel von der Gemeinde oder Kirche spricht, ist dies niemals ein Gebäude oder eine von Menschen unter einer weltlichen Autorität eingetragene Organisation. Das griechische Wort, das ins Deutsche mit "Gemeinde" übersetzt wurde, ist ekklesia. Es ist abgeleitet von zwei Wortstämmen im Griechischen, die wörtlich "herausberufen" bedeuten. Im zeitgenössischen Gebrauch wurde damit eine Versammlung von Bürgern bezeichnet, die aus den Einwohnern einer Stadt "herausberufen" wurden, um über wichtige Dinge zu beraten. In der griechischen Übersetzung des Alten Testaments bezieht sich dieser Ausdruck oft auf die Gemeinschaft der Israeliten oder auf die Versammlung des Volkes Gottes. "Gemeinschaft" und "Versammlung" entsprechen ebenfalls dem neutestamentlichen Gebrauch. 

Doch der Aspekt des "Herausberufenseins" in ekklesia ist von grundlegender Bedeutung für das Verständnis der Kirche. In 1. Mose 12 lesen wir, dass Abraham von Gott aus Ur in Chaldäa "herausberufen" wurde. In 2. Mose 12 lesen wir dann von Abrahams Nachkommen, den Israeliten, die Gott aus Ägypten "herausberufen" hat. Diese wurden dann zur Versammlung Israels, der "Gemeinde in der Wüste" (Apostelgeschichte 7, 38).

Eine der letzten Warnungen, die Gott seinem Volk gibt, ist: "Geht hinaus" aus Babylon (Offenbarung 18, 4). Die Heiligen Gottes sollen nicht an den Sünden dieser endzeitlichen, verdorbenen Kultur Teil haben, um nicht von der göttlichen Strafe betroffen zu sein, mit der Gott dieses "Babylon" züchtigen wird. 

Jesus machte deutlich, dass man nicht zu ihm kommen und Teil der Kirche werden kann, wenn man nicht von dem Vater berufen ist (Johannes 6, 44). Nur diejenigen, die auf diese Berufung durch den Vater reagieren, indem sie bereuen und sich taufen lassen, werden den heiligen Geist erhalten (Apostelgeschichte 2, 38). Und nur mit Hilfe des heiligen Geistes Gottes werden wir Teil der Kirche, die Jesus erbaute (Römer 8, 9; 1. Korinther 12, 13). 

Was geschah mit der Kirche, von der Jesus gesagt hat, dass er sie erbauen werde? Hat sie sich durch einen Prozess, der "schrittweise Offenbarung" genannt wird, im Laufe der Zeit angepasst und verändert? Ist sie "vom Weg abgekommen" und musste von Menschen wie Martin Luther und Johannes Calvin reformiert werden? Oder gab es über alle Jahrhunderte hinweg eine Gruppe von Gläubigen, die immer dieselben Lehren und Praktiken beibehielt, die Jesus Christus und die Apostel des ersten Jahrhunderts lehrten? 

Wenn wir uns die Geschichte der christlichen Großkirchen im Verlauf der Jahrhunderte betrachten, so scheinen diese sich sehr stark von der Kirche zu unterscheiden, die in den Seiten des Neuen Testaments beschrieben ist. Im Buch der Apostelgeschichte finden wir, dass Gottes Kirche "jüdische" heilige Tage feierte (Apostelgeschichte 2, 1; 13, 14.42.44; 18, 21), dass sie über die Rückkehr Jesus Christi als Richter über die Welt sprach (Apostelgeschichte 3, 20-21; 17, 31) und dass sie an die Errichtung eines buchstäblichen Reiches Gottes auf Erden glaubte (Apostelgeschichte 1, 3.6; 28, 23). 

Doch schon knapp 300 Jahre später finden wir eine Kirche vor, die beansprucht, von den Aposteln abzustammen, die aber den "ehrwürdigen Tag der Sonne" anstatt des Siebenten-Tages-Sabbats feiert. Als diese Kirche ihre Bischöfe auf dem Konzil von Nicäa versammelte, um über Fragen der Lehre zu diskutieren, war der Vorsitzende ein römischer Kaiser – Konstantin! Wie konnte eine so erstaunliche Wandlung vor sich gehen? Was war geschehen? 

Der protestantische Autor Jesse Lyman Hurlbut beschrieb diese dramatischen Veränderungen in seinem Buch The Story of the Christian Church [Die Geschichte der christlichen Kirche]. Er schrieb: "Für fünfzig Jahre nach dem Leben des Paulus liegt ein Schleier über der Kirche, durch den hindurchzublicken für uns unmöglich erscheint; und als er sich schließlich, etwa 120 n.Chr. mit den Schriften der frühesten Kirchenväter lüftet, finden wir eine Kirche vor, die sich in vielen Aspekten von derjenigen aus den Tagen von Paulus und Petrus unterscheidet (Seite 41). 

Die Geschichte der christlichen Kirche zwischen dem Pfingsttag 31 n.Chr. und dem Konzil von Nicäa im Jahr 325 n.Chr., fast 300 Jahre später, ist wirklich bemerkenswert. Es ist eine Geschichte darüber, wie aus der früheren wahren Lehre eine falsche Lehre wurde, und wie eine frühere falsche Lehre zur wahren christlichen Lehre erklärt wurde. Es ist eine Geschichte darüber, wie Traditionen der Kirche und Lehren von Bischöfen zu wichtigeren Quellen für die wahre Lehre wurden, als das Wort Gottes. Diese Geschichte ist seltsamer und spannender, als ein Roman, doch sie lässt sich historisch belegen.

Simon und "ein anderes Evangelium"

In Apostelgeschichte 8 werden wir mit einem Mann bekannt gemacht, den Satan dazu benutzte, die Kirche Gottes zu infiltrieren und zu untergraben. Dieser Mann war Simon, ein Magier aus Samaria, in der weltlichen Geschichte besser bekannt als Simon Magus. Die Samariter hielten Simon für einen von Gott auserwählten Vertreter (Apostelgeschichte 8, 9-10). In seinem Buch The New Testament Environment [Die neutestamentliche Welt] schrieb Eduard Lohse, dass der Ausdruck "die Kraft Gottes, die die Große genannt wird" Simons Anspruch bekräftigte, "Träger göttlicher Offenbarungen" zu sein (Seite 269). Simon wurde getauft und somit formell zu einem Christen, zusammen mit dem Rest der Samariter. Doch der Apostel Petrus erkannte Simons wahre Motivation. In Apostelgeschichte 8, 22-23 wies er ihn mit schärfsten Worten zurecht, als er sagt: "Ich sehe, dass du voll bitterer Galle bist und verstrickt in Ungerechtigkeit." 

Wer waren die Samariter? Das zweite Buch der Könige sagt uns, dass nach der Deportation der nördlichen zehn Stämme Israels durch den König von Assyrien in deren Gebiet Babylonier angesiedelt wurden. Diese babylonischen Samariter behielten ihre heidnischen Praktiken bei, vermischten sie jedoch mit biblischer Terminologie, um zu vertuschen, was sie taten (2. Könige 17, 33.41). Obwohl sie vorgaben, den Gott Israels zu verehren, gehorchten sie nicht wirklich Gottes Gesetz (Vers 34). In den Büchern Esra und Nehemia wird sogar deutlich, dass sie zu Gegnern des wahren Werkes Gottes wurden. 

Die Samariter wurden nach den Eroberungen Alexanders des Großen zusammen mit den Juden in die gesamte damals bekannte Welt zerstreut. Es gab Kolonien der Samariter in einigen der Zentren des Römischen Reichs, darunter in Alexandria, Ägypten und in Rom. Simon hatte Bewunderer und Anhänger unter diesen Völkern. 

Der Glaube der Samariter, der eine Mischung zwischen heidnisch-babylonischen Praktiken und einem Lippenbekenntnis zu dem Gott Israels darstellte, war auch stark von der griechischen Philosophie beeinflusst worden. Simon Magus fügte noch die Anerkennung Jesu Christi als Erlöser der Menschheit hinzu. Doch, wie Jesus erklärte: "Es werden nicht alle, die zu mir sagen: Herr, Herr!, in das Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel" (Matthäus 7, 21). Simon benutzte den Namen Jesu, ersetzte aber seine Botschaft durch eine andere Botschaft, die mit der Notwendigkeit brach, Gott wirklich zu gehorchen und seine Gebote einzuhalten! 

Eerdmans Handbook to the History of Christianity [Handbuch zur Geschichte des Christentums] führt an: "Frühe christliche Autoren sahen in Simon eine Quelle aller Irrlehren" (Seite 100). Die Encyclopaedia Britannica (11. Ausgabe) bezeichnet ihn in dem Artikel über Simon Magus als den "Begründer einer Schule der Gnostiker und als Vater der Ketzerei." Der bekannte Historiker Edward Gibbon schrieb, dass die Gnostiker "viele ausgeklügelte, aber obskure Lehren mit dem Glauben Christi vermischten, welche sie aus der orientalischen Philosophie ableiteten" (The Triumph of Christendom in the Roman Empire [Der Triumph des Christentums im Römischen Reich], Seite 15). 

Der Gnostizismus (der Begriff stammt von dem griechischen Wort für Erkenntnis) war eine intellektuell sehr anspruchsvolle Lebensweise. Er stellte eine Vermischung der babylonischen Mysterienreligion mit griechischer Philosophie unter dem Deckmantel biblischer Terminologie dar. Unter den Gnostikern wurden biblische Berichte nicht wörtlich genommen, sondern als bildhafte Erzählungen angesehen, die tiefere "Wahrheiten" lehren sollten. "Der mosaische Bericht der Schöpfung [...] wurde von den Gnostikern mit großem Spott aufgenommen" (Gibbon, Seite 13). Der Gnostizismus betonte einen heidnischen Dualismus mit den herausragenden Ideen von der Unsterblichkeit der Seele und dem Bösen, das allem Materiellen innewohnt. Auch viele nichtsnutzige Spekulationen über die Natur Gottes und die geistliche Welt wurden mit einbezogen. Einige Bücher des Neuen Testaments – darunter das Johannesevangelium, der Kolosserbrief und der 1. Johannesbrief – wurden geschrieben, um die gnostischen Irrlehren zurückzuweisen, die Simon Magus und viele andere zu verbreiten begonnen hatten. 

Die hellenistische Kultur, die im Nahen Osten und der Mittelmeerregion verbreitet war, war eine alternative Weltanschauung – ein Konkurrent zu den Anschauungen und Werten der Bibel. Sie betonte die Vormachtstellung der Vernunft und Logik gegenüber göttlicher Offenbarung. Die späteren Griechen, die sich der unzivilisierten Possen ihrer altertümlichen Götter und Helden in den Werken von Homer und Hesiod schämten, versuchten, diese als tiefgründige Allegorien hinzustellen. Diese Einstellung zu ihren "inspirierten" Schriften wurde von den hellenistischen Juden wie Philo von Alexandria aufgegriffen und auf die Bibel angewendet. Die Betrachtungsweise des Alten Testaments als eine Allegorie war den Gnostikern und anderen sehr nützlich in ihrem Bestreben, dem Gehorsam gegenüber eindeutigen Geboten zu entkommen. 

Etwa 15 Jahre nach der Taufe von Simon Magus sah sich der Apostel Paulus genötigt, die Gemeinde in Thessalonich zu warnen, "schon ist das Geheimnis der Gesetzlosigkeit wirksam" (2. Thessalonicher 2, 7; rev. Elberfelder Übersetzung). Und etwa fünf Jahre später warnte Paulus die Korinther, dass sie Gefahr liefen, von falschen Aposteln verführt zu werden, die "einen andern Jesus" und "ein anderes Evangelium" predigten. Simon und seine Anhänger waren in Wirklichkeit Diener des Satans, die sich als Diener Christi ausgaben (2. Korinther 11, 3-4.13-15). 

In den 60er Jahren des ersten Jahrhunderts erklärte der Apostel Judas, Bruder von Jakobus und Jesus Christus, den Christen die Notwendigkeit, "für den Glauben [zu kämpfen], der ein für alle Mal den Heiligen überliefert ist" (Judas 3). Er warnte weiter davor, dass es bestimmte Männer gab, die sich in die Kirche eingeschlichen hatten und versuchten, die Gnade Gottes in eine Lizenz zu Ausschweifungen umzukehren, indem sie lehrten, dass Gottes Gesetz nicht mehr bindend sei (Vers 4). Zur Zeit von Judas war der wahre Glaube also schon ein für alle Mal überliefert. Neuzeitliche Gelehrte, die behaupten, dass es den Theologen des zweiten und dritten Jahrhunderts vorbehalten blieb, ein genaues Verständnis über die Natur Gottes zu formulieren, täten gut daran, sich Judas 3 durchzulesen. Es ist klar, dass Judas keinen Raum für einen Prozess "schrittweiser Offenbarung" lässt! 

Der gealterte Apostel Johannes, der gegen Ende des ersten Jahrhunderts schrieb, fast 30 Jahre nachdem der Rest des Neuen Testaments zusammengestellt worden war, musste sich mit Irrlehren auseinander setzen, die noch viel weiter verbreitet waren, als die zu Zeiten von Paulus und Judas. Johannes betonte mehrfach die Notwendigkeit, die Gebote Gottes einzuhalten (1. Johannes 2, 3; 3, 4.22; 5, 3). In 2. Johannes 7 hob er hervor: "Viele Verführer sind in die Welt ausgegangen." In 3. Johannes 9-10 lesen wir, dass ein Gemeindevorsteher namens Diotrephes die Kontrolle über einige Gemeinden in Kleinasien erlangt hatte und sogar wahre Christen, die dem gealterten Apostel Johannes und seinen Lehren treu geblieben waren, aus der Kirche verstieß.

Die Kirche verändert sich

Etwa 25 Jahre vor den Schriften des Johannes fand ein Ereignis statt, dass noch viel weitreichendere Konsequenzen für die neutestamentliche Kirche hatte. Dieses Ereignis war die Zerstörung Jerusalems durch die römischen Legionen unter Titus, 70 n.Chr. Die Kirche Gottes in Jerusalem floh kurz vor 70 n.Chr. unter der Führung von Simeon, dem Nachfolger von Jakobus und einem Cousin von Jakobus und Christus, aus Jerusalem nach Pella, einer kleinen Siedlung in der Wüste. Nach Simeons Tod erlebte die Kirche Gottes in Jerusalem eine Zeit großer Instabilität und hatte in den folgenden 28 Jahren 13 Gemeindevorsteher. 

Viele bis dahin schon verbreitete Irrlehren blühten nun richtig auf. Zusätzlich waren viele in der Kirche enttäuscht und verwirrt. Die Ereignisse hatten sich nicht so entwickelt, wie man es allgemein erwartet hatte. Die Kirche bestand zunehmend aus einer Mischung von neu bekehrten Heiden und Gläubigen der zweiten oder sogar dritten Generation. 

Zum Ende des ersten und Beginn des zweiten Jahrhunderts wurde die römische Welt den Juden gegenüber zunehmend feindlich gesinnt. Besonders unterdrückende Gesetze und hohe Steuern wurden ihnen durch das Römische Reich als Bestrafung auferlegt. Zwischen dem ersten Aufstand der Juden (66 – 73 n.Chr.) und dem zweiten Aufstand (132 – 135 n.Chr.) gab es viele gewalttätige, antijüdische Pogrome in Orten wie Alexandria und Antiochien. Als Reaktion darauf gab es Aufstände der Juden in Mesopotamien, Palästina und Ägypten. 

Oftmals wurden Christen zu Opfern dieser Gewaltausbrüche, weil sie von den römischen Behörden als eine jüdische Sekte angesehen wurden. Doch von den jüdischen Revolutionären wurden sie als Verräter des Judaismus und der politischen Ziele der Juden betrachtet, weil sie nicht gegen die Römer kämpfen wollten. In diesen Zeiten wurden Hunderttausende von Synagogen und Mitgliedern der Kirche – diejenigen, die am Sabbat Versammlungen abhielten und die Schrift studierten – von den Römern oder dem Mob ausgelöscht. 

In diesem gefährlichen Zeitalter begann die römische Kirche unter ihrem Bischof Sixtus (ca. 116 – 126 n.Chr.) damit, Gottesdienste am Sonntag abzuhalten und hörte auf, das jährliche Passah zu begehen, indem dieses durch den Ostersonntag und die "Eucharistiefeier" ersetzt wurde. Dies geht aus eindeutigen Aufzeichnungen von Eusebius von Cäsarea hervor, einem Gelehrten des späten dritten und frühen vierten Jahrhunderts n.Chr., der als "Vater der Kirchengeschichte" bekannt wurde. Eusebius zitierte seine Information aus einem Brief von Irenäus, dem Bischof von Lyon (ca. 130 – 202 n.Chr.), an Bischof Viktor von Rom. In seinem Buch From Sabbath to Sunday [Vom Sabbat zum Sonntag] erklärt Dr. Samuele Bacchiocchi: "Es gibt eine breite Übereinstimmung in der Meinung der Gelehrten, dass Rom tatsächlich der Geburtsort des Ostersonntags ist. Manche bezeichnen es sogar zu Recht als ‚römisches Ostern'" (Seite 201). Was allerdings denen verborgen bleibt, die keine romanischen Sprachen kennen, ist die Tatsache, dass die Römer nicht den Namen "Ostern" für ihren neuen Feiertag benutzten, sondern dass sie es weiterhin mit dem lateinischen Wort für Passah bezeichneten, paschalis

Diese offizielle Abkehr vom Gesetz Gottes war die natürliche Folge des "Geheimnisses der Gesetzlosigkeit", das Gnade mit Gesetzlosigkeit interpretierte und lehrte, dass der Gesetzesgehorsam unnötig war. Wenn Praktiken nicht als notwendig angesehen werden, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie durch Bequemlichkeit entweder abgeändert oder ganz abgeschafft werden. Auf dem Höhepunkt des Konflikts zwischen dem Judaismus und dem Römischen Reich unternahmen viele "Christen" in Rom unter der Führung von Bischof Sixtus alles, um auch nur den Verdacht von sich zu weisen, dass sie Juden sein könnten und deshalb mit diesen der Verfolgung ausgesetzt wären. 

Im Jahr 135 n.Chr., zum Ende des zweiten Aufstands der Juden, unternahm der römische Kaiser Hadrian (Publius Aelius Hadrianus) drastische Maßnahmen gegen die Juden. Er benannte Jerusalem nach seinem Namen und nach dem "Gott" Jupiter Capitolinus um in Aelia Capitolina und drohte jedem, der als "Jude" bezeichnet wurde mit der Todesstrafe, wenn er es wagen würde, die Stadt zu betreten. 

Zu diesem Zeitpunkt wurde Marcus, ein Italiener, zum Bischof von Jerusalem, wie Edward Gibbons im 15. Kapitel seines Buchs Decline and Fall of the Roman Empire [Abstieg und Fall des Römischen Reichs] berichtete: "Auf sein [Marcus'] Drängen verwarf der überwiegende Teil der Gemeinde das mosaische Gesetz, wie sie es über ein Jahrhundert lang praktiziert hatte. Durch die Opferung ihrer Bräuche und Traditionen erkauften sie sich freien Zugang zur Kolonie Hadrians und festigten gleichzeitig umso mehr ihre Verbindung zur Katholischen Kirche" (Band 1, Seite 390). 

Was geschah mit denen, die auch weiterhin das Gesetz Gottes als für Christen bindend ansahen? Gibbon schrieb: "Der verborgene Rest der Nazarener, die sich weigerten, ihrem lateinischen Bischof nachzufolgen, wurde des Verbrechens der Ketzerei und Spaltung bezichtigt... Wenige Jahre nach der Rückkehr der Kirche in Jerusalem wurde es zweifelhaft und umstritten, ob ein Mann, der ernsthaft Jesus als den Messias anerkannte, aber weiterhin das Gesetz des Mose hielt, überhaupt auf das Heil hoffen konnte" (Seite 390). 

Es war nur eine Frage der Zeit, bis diejenigen, die sich als Christen bezeichneten und die aufgehört hatten, den Sabbat einzuhalten, "ihre judaisierenden Geschwister von der Hoffnung auf das Heil ausschlossen ... [und] jeden Umgang mit ihnen im Hinblick auf Freundschaft, Gastlichkeit und soziales Leben mieden." 

Unglaublich! Dies geschah, obwohl nur wenige Jahre zuvor alle zusammen dieselben Festtage Gottes eingehalten hatten. Doch nachdem Bischof Marcus "neue Wahrheiten" eingeführt hatte, folgten ihm die meisten bekennenden Christen darin, und verfolgen die treuen Christen, die an dem historischen Glauben festhielten, der ihnen allen beigebracht worden war. Wer treu an der Wahrheit festhielt, wurde schon bald von jener Mehrheit als Quelle der "Spaltung" betrachtet, die das historische Christentum durch etwas Anderes ersetzen wollte.

Eine Theologie der "neuen Wahrheit"?

Viele der "christlichen" Schriften, die uns seit dem zweiten Jahrhundert überliefert sind, sprechen von einer völlig anderen Theologie als derjenigen des Apostels Johannes, der nur 10 bis 20 Jahre früher geschrieben hatte. Wie Bacchiocchi versichert: "Ignatius, Barnabas und Justinian, deren Schriften unsere Hauptinformationsquellen für die erste Hälfte des zweiten Jahrhunderts darstellen, hatten den Prozess der Abgrenzung vom Judaismus, in dessen Verlauf sich die Mehrheit der Christen vom Sabbat abgewandt und den Sonntag als neuen Tag des Gottesdienstes angenommen hatte, miterlebt und daran mitgewirkt" (Seite 213). Ignatius von Antiochien schrieb um etwa 110 n.Chr.: "Es ist ungeheuerlich, von Jesus Christus zu reden und den Judaismus zu praktizieren" (Magnesians, Seite 10). Er sprach auch davon, "Sabbate nicht länger einzuhalten." Doch Johannes, der nur 20 Jahre zuvor sein Evangelium niedergeschrieben hatte, betonte, dass Jesus dieselben Festtage eingehalten hatte, wie die jüdische Gesellschaft seiner Zeit (Johannes 7, 2; 11, 55). 

Barnabas von Alexandrien, nicht zu verwechseln mit dem Apostel Barnabas, spricht sich in seinem um 130 n.Chr. verfassten Brief dafür aus, dass das Alte Testament eine Allegorie sei und nicht vorgesehen war, es wörtlich zu verstehen. Er sah das Verbot des Genusses von unreinem Fleisch im Gesetz als eine bildhafte Darstellung dafür, welche Art Menschen Christen meiden sollten (Epistle of Barnabas, 10). In seinem Versuch, den Sabbat sinnbildlich zu deuten, schrieb er: "Wir feiern den achten Tag im freudigen Gedenken an den Tag, an dem auch Jesus von den Toten auferstand" (Epistle of Barnabas, 15). 

Zwei bekannte Theologen des zweiten Jahrhunderts, die eine bedeutende Rolle in der Übergangsphase von der biblischen Theologie zur römisch-katholischen Theologie spielten, waren beide in Gemeinden unter der Führung des treu gebliebenen Polycarp getauft worden. Polycarp (ca. 69 – 155 n.Chr.) war ein persönlicher Jünger des Apostels Johannes gewesen und einer der wenigen Kirchenführer seiner Zeit, die an der Wahrheit festgehalten hatten. Diese beiden Männer, Justinian der Märtyrer (ca. 95 – 167 n.Chr.) und Irenäus (ca. 130 – 202 n.Chr.) behielten manche der Wahrheiten, die sie unter Polycarp erlernt hatten, bei, waren aber auch bestrebt, sich im Namen der "Einheit der Kirche" nach der römischen Theologie auszurichten. Obwohl Irenäus stark von den Lehren Polycarps abwich, bewunderte er diesen sein Leben lang als einen großen Mann Gottes. 

Justinian war ein Grieche aus Samaria, der zunächst ein platonischer Philosoph geworden war und dann unter dem Einfluss Polycarps und seiner Jünger ca. 130 n.Chr. in Ephesus als Christ getauft wurde. Er kam 151 n.Chr. nach Rom und gründete eine Schule, bevor er schließlich 167 n.Chr. den Märtyrertod starb. Nach seiner Ankunft in Rom versuchte er, im Hinblick auf das Gesetz einen Mittelweg zu finden. Henry Chaldwick schrieb:

"Justinian glaubte, dass es einem Judenchristen freigestellt blieb, das mosaische Gesetz zu befolgen, ohne dadurch in irgend einer Weise seinen christlichen Glauben zu kompromittieren, und dass sogar Heidenchristen jüdische Bräuche halten konnten, wenn sie durch Judenchristen dazu veranlasst wurden; es musste nur deutlich gemacht werden, dass solche Einhaltungen nur eine Frage des persönlichen Gewissens waren. Aber Justinian musste zugeben, dass es Heidenchristen gab, die nicht so freizügig dachten und vielmehr glaubten, dass diejenigen, die das mosaische Gesetz befolgen, nicht gerettet werden würden" (The Early Church [Die frühe Kirche], Seiten 22-23).

Irenäus wuchs in Kleinasien auf und hörte als Jugendlicher die Predigten von Polycarp. Als junger Mann kam er nach Rom und wurde 179 n.Chr. zum Bischof von Lyon in Frankreich. Irenäus wird als der erste große katholische Theologe bezeichnet und scheint sich sehr um Frieden und eine versöhnliche Atmosphäre bemüht zu haben. Sein Wunsch nach Frieden war jedoch so groß, dass er auch bereit war, Kompromisse mit der Wahrheit einzugehen, um die Einheit der Kirche zu erhalten. Die Gemeinden in Kleinasien hielten unter Polycarps Führung den Sabbat und feierten die heiligen Tage. Doch als Irenäus nach Rom kam, passte er sich bereitwillig den römischen Praktiken in der Einhaltung des Sonntags und der Feier von Ostern an. In Lyon gab es einige, die das Passah am 14. Abib begingen, und andere, die Ostern feierten. Irenäus selbst feierte Ostern, begegnete aber denen mit Toleranz, die weiterhin das Passah feierten. 

In der Kirche des zweiten Jahrhunderts gab es eine regelrechte theologische Revolution. Lesen Sie: "Justinian der Märtyrer nimmt eine zentrale Position in der Geschichte der christlichen Denkweise des zweiten Jahrhunderts ein... . Justinian beeinflusste auch das Denken von Irenäus, dem Bischof von Lyon" (Chadwick, Seite 79). Obwohl Justinian in Ephesus ein bekennender Christ geworden war, "hatte er nicht verstanden, dass dies eine Abkehr von seinen philosophischen Studien bedeuten musste, und sogar ein Widerrufen all dessen, was er vom Platonismus gelernt hatte" (Seite 75). Er glaubte, dass der Gott Platos auch der Gott der Bibel sei. "Justinian erhob nicht den strengen und ausschließenden Anspruch, dass nur die Hebräer göttliche Offenbarung empfangen hätten, was andere Quellen der Weisheit in ihrem Wert herabgesetzt hätte. Abraham und Sokrates waren gleichsam Christen vor Christus" (Seite 76). Diese Denkweise war Wegbereiter für einen Umbruch in der christlichen Theologie und für die Aufnahme vieler philosophischer Ideen der Griechen über die Natur Gottes. 

Trotzdem erkannte Justinian die Autorität des Buchs der Offenbarung an und glaubte, "Christus würde in ein erneuertes Jerusalem zurückkehren, um mit seinen Heiligen für tausend Jahre zu regieren" (Seite 78). 

Irenäus, der stark von Justinian beeinflusst war, behielt auch Teile der Wahrheit, obwohl er sich den römischen Praktiken anpasste. Er lehrte zu Recht: "Der Zweck unserer Existenz ist die Bildung von Charakter durch das Meistern von Schwierigkeiten und Versuchungen" (Seite 81). Er behielt auch die Hoffnung bei, dass es ein buchstäbliches tausendjähriges Reich auf Erden geben würde, in dem Christus auf Erden regieren werde, und stellte sich gegen die Interpretation des Millenniums als Symbol für den Himmel, auch wenn er diesen Widerstand in seinen späteren Werken abschwächte.

Wahrheit zu Gunsten von Einheit und Tradition verworfen

Es gab zwei grundsätzliche Punkte, die vorgebliche Christen von denen trennten, die wirklich die Fortsetzung der Kirche darstellten, die Jesus erbaut hatte. Diese Punkte drehten sich darum, ob Gottes Gesetz noch immer für Christen bindend ist, oder nicht, und darum, wer und was Gott ist. Fehler in diesen beiden Punkten führten zu einer immer größeren Distanz zwischen der sich christlich nennenden Kirche und der wahren Kirche Gottes. 

Die Bedeutung des Gesetzes war der größte Diskussionspunkt zwischen 50 n.Chr. und 200 n.Chr. Er wurde erst auf dem Konzil von Nicäa (325 n.Chr.) und dem Konzil von Laodizea (363 n.Chr.) endgültig beigelegt, als sich der römische Staat einschaltete. Das Thema des Konflikts ist uns überliefert in der Konfrontation zwischen Polykrates aus Kleinasien und Viktor, dem Bischof von Rom um 190 n.Chr. Polykrates war der Nachfolger von Polycarp, der selbst ein Jünger des Apostels Johannes gewesen war. Irenäus berichtet, dass Polycarp in der Mitte des zweiten Jahrhunderts nach Rom gereist war, um zu versuchen, Anicetus, den Bischof von Rom von der richtigen Zeit für das Passah zu überzeugen. Anicetus gab an, dass er durch die Tradition gebunden sei, die seit Bischof Sixtus von diesem und seinen Nachfolgern beibehalten wurde, während Polycarp erklärte, "er habe es [das Passah] immer mit Johannes, dem Jünger des Herrn, und dem Rest der Apostel, mit denen er noch Umgang hatte, eingehalten" (Eusebius, xxiv). 

Etwa 50 Jahre nach Polycarps Reise versuchte Viktor von Rom, die Gemeinden in Kleinasien einzuschüchtern, damit sie sich der römischen Praxis des Osterfests anschließen würden. Polykrates schrieb an Viktor:

Wir begehen also den genauen Tag [des Passahs] und fügen weder hinzu noch nehmen wir davon weg. Denn in Asien schlafen leuchtende Beispiele, die am Tage der Erscheinung des Herrn wieder auferstehen werden, wenn er in Herrlichkeit vom Himmel kommt und alle Heiligen erwecken wird. Philippus, einer der zwölf Apostel, der in Hierapolis liegt ... Johannes, der an der Brust unseres Herrn lehnte ... Polycarp von Smyrna... Sie alle begingen das Passah am vierzehnten Tag ein in Übereinstimmung mit dem Evangelium, wichen in keiner Weise davon ab, sondern folgten dem Gesetz des Glaubens ... und meine Verwandten feierten immer den Tag, an dem die Leute das Gesäuerte wegwerfen [14. Abib]. Ich also, Geschwister, bin nun 65 Jahre im Herrn, habe mich mit den Geschwistern auf der ganzen Welt beraten und die Gesamtheit der heiligen Schriften studiert und bin in keiner Weise beunruhigt angesichts dessen, mit dem mir gedroht wird, um mich einzuschüchtern. Denn diejenigen, die größer sind als ich, haben gesagt, ‚wir müssen Gott mehr gehorchen als den Menschen'" (Eusebius, xxiv).

Während noch verschiedene Streitfragen im zweiten Jahrhundert ungelöst waren, hatte eine neue Auffassung von Kirchenregierung enorme Auswirkungen. Diese Auffassung war die Hervorhebung dessen, was als "apostolische Nachfolge" bekannt wurde. 

Im ersten Jahrhundert hatte Paulus die Beröer für ihren Eifer gelobt, weil sie alles nachprüften, was er sagte, indem sie täglich die Schrift studierten, um zu sehen, ob er auch die Wahrheit sagte (Apostelgeschichte 17, 11). Die Thessalonicher ermutigte er: "Prüft aber alles, und das Gute behaltet" (1. Thessalonicher 5, 21). Im ersten Jahrhundert sehen wir ständig den Hinweis auf die heiligen Schriften. 

Doch beginnend mit den Schriften von Clemens, dem Bischof von Rom, finden wir einen anderen Schwerpunkt. Clemens schrieb um 100 n.Chr. einen Brief an die Gemeinde in Korinth, wohl kurz nach dem Tode des Johannes. Die Herausgeber von Masterpieces of Christian Literature [Meisterwerke christlicher Literatur] fassen Clemens' wesentliche Ideen so zusammen: "Der Weg zu Frieden und Eintracht ist der des Gehorsams gegenüber den etablierten Autoritäten, den Ältesten. Christus regiert die Gemeinden durch die Apostel, die Bischöfe, die von diesen ernannt wurden und die anerkannten Nachfolger der Bischöfe." 

Etwa zehn Jahre später betonte Ignatius denselben Punkt: "Einheit und Frieden in der Kirche und die Berechtigung der Kirche werden durch die Treue gegenüber den Bischöfen erreicht" (Masterpieces). 

In der Mitte des folgenden Jahrhunderts war dieser Anspruch so stark geworden, dass Cyprianus von Nordafrika bemerkte: "Der Mittelpunkt der Einigkeit ist der Bischof. Ihn zu verlassen bedeutet, die Kirche zu verlassen, und man kann Gott nicht als seinen Vater betrachten, wenn man die Kirche nicht als seine Mutter akzeptiert" (Chadwick, Seite 119). 

Dieser Anspruch wurde gegenüber Gläubigen geäußert, um diese in einer Organisation zu halten, die sich schnell zu dem entwickelte, was wir heute als die Römisch-Katholische Kirche kennen. Wie verschieden sind doch diese Äußerungen von denen des Apostels Paulus und der anderen neutestamentlichen Kirchenführer, die ihrerseits auf die heiligen Schriften und auf die Früchte ihres Dienstes verwiesen, um ihre Berechtigung nachzuweisen (vgl. 1. Korinther 11, 1; Apostelgeschichte 17, 2). Da die Kirchenführer des zweiten und dritten Jahrhunderts sich nicht mehr auf die Klarheit der Schrift berufen konnten, begründeten sie ihren Anspruch auf die Treue der Gläubigen zunehmend mit dem Nachweis, dass sie legitim ordinierte Nachfolger der Apostel und der auf sie folgenden Bischöfe waren. Während sieimmer mehr die Lehren der Apostel verließen, bemühten sich diese Verführer, Gläubige durch Appelle an die Einheit und durch das Gedenken an die Apostel zusammenzuhalten.

 [Inhalt]

Kapitel 2 – Ein dramatischer Übergang

Wie konnte es geschehen, dass so viele so schnell so weit gingen? Diese Frage stellt sich fast zwangsläufig, wenn wir die Geschichte der frühen Kirche betrachten. 

Beim Anbruch des zweiten Jahrhunderts n.Chr., in der Zeit kurz nach dem Tod des Apostels Johannes, hatte die christliche Bewegung wenigstens noch eine erkennbare Ähnlichkeit mit der Kirche Gottes der Apostelgeschichte – auch wenn sie bereits mit vielen Problemen und falschen Lehrern zu kämpfen hatte. Doch zu Beginn des dritten Jahrhunderts n.Chr. glich das Bild der meisten Gemeinden in ihrer Lehre weitaus mehr der Katholischen Kirche des Mittelalters als der Kirche Gottes in den Tagen der Apostel Petrus, Jakobus, Paulus und Johannes, obwohl sie sich noch immer "Kirche Gottes" nannten. 

Im Verlauf des zweiten Jahrhunderts hatten die meisten Kirchengemeinden eine Vielzahl schrittweiser Veränderungen in Lehre und religiösen Praktiken durchgemacht. Den Weg dazu hatten einige derselben Ideen bereitet, die schon wenige Jahre nach Christi Auferstehung und Himmelfahrt in Umlauf gebracht worden waren. Ideen haben immer Folgen!

Ein anderes Evangelium

Christus verbrachte die Zeit seines Wirkens mit dem Predigen der "guten Nachricht" von einer kommenden, göttlichen Regierung, die die unterjochenden Regierungen der Menschen ersetzen würde, welche seine Zuhörer nur allzu gut kannten. Seine Jünger fragten ihn nach Zeichen, die ihnen zeigen würden, wann diese Zeit kommen würde (Matthäus 24, 3). Die letzte Frage, die sie stellten, als er sich bereit machte, in den Himmel aufzusteigen, handelte davon, ob das Reich zu jener Zeit errichtet werden würde (Apostelgeschichte 1, 6). In der letzten Phase des Wirkens von Paulus, von der uns Aufzeichnungen erhalten sind, sehen wir, dass Paulus noch immer "das Reich Gottes [predigte] und lehrte von dem Herrn Jesus Christus mit allem Freimut ungehindert" (Apostelgeschichte 28, 31)! Selbst im letzten inspirierten Buch des neutestamentlichen Kanons gab Jesus dem Apostel Johannes Visionen über die buchstäbliche Errichtung des Reichs Gottes auf dieser Erde (Offenbarung 19, 11-21; 20, 4-6; Kapitel 21). 

Trotz dieser klaren Aufzeichnungen der deutlichen Aussagen Jesu Christi lesen wir in 2. Korinther 11, 3-15, dass falsche Prediger sich in die Kirche eingeschlichen hatten und schon 25 Jahre nach der Gründung der Kirche etwas predigten, was Paulus "ein anderes Evangelium" nannte. Im zweiten Jahrhundert wurde das wahre Evangelium, das Jesus gelehrt hatte, von den Führern der sich formierenden "orthodoxen" christlichen Kirche als eine "zweifelhafte Meinung" bezeichnet. Im dritten Jahrhundert wurde Christi Vorbild und Lehre bereits als blanke Ketzerei angesehen. Im Verlauf des zweiten und dritten Jahrhunderts konzentrierte sich das "Evangelium," das gepredigt wurde, fast ausschließlich auf die Person Jesu. Und zur selben Zeit fanden heidnische Konzepte über die Unsterblichkeit der Seele und über Himmel und Hölle weite Zustimmung. 

Das richtige Verständnis über das Reich Gottes wurde bis weit in das zweite Jahrhundert erhalten, sogar von Männern wie Justinian dem Märtyrer und Irenäus. Allerdings lagen sie in anderen Fragen völlig daneben, wie zum Beispiel bei ihrer Lehre über das Gesetz Gottes. Edward Gibbon schrieb:

"Die Versicherung eines solchen Millenniums prägte sich [denen] besonders ein, die mit den direkten Jüngern und Aposteln Umgang hatten... Aber als das System der Kirche beinahe vollendet war, wurde diese vorübergehende Befürwortung beiseitegelegt. Die Lehre von der Herrschaft Christi auf Erden wurde zuerst als tiefgründige Allegorie angesehen, später schrittweise als zweifelhafte und nichtsnutzige Meinung betrachtet und schließlich als absurde Erfindung von Ketzern und Fanatikern verworfen" (Decline and Fall, Band 1, Kapitel 15).

Vieles in diesem fortschreitenden Prozess war das Ergebnis des Einflusses von Origenes. Origenes war, wie wir gleich sehen werden, einer der unvernünftigsten Männer, die jemals als christliche Theologen anerkannt wurden. Er spielte eine bedeutende Rolle in der Formulierung der katholischen Lehren über die Dreieinigkeit, die Unsterblichkeit der Seele und das Reich Gottes. 

Als das grundsätzliche Verständnis über die wahre Natur des Evangeliums und des Reichs Gottes verworfen wurde, gab es viele verheerende Folgen. Eine davon war die Beteiligung von Kirchenmitgliedern an der Politik und im Militär. Historiker stimmen fast völlig darin überein, dass die frühen Christen eine solche Beteiligung vermieden hatten: "Doch während sie die Richtlinie eines passiven Gehorsams einhielten, lehnten sie jede aktive Beteiligung an der zivilen Verwaltung oder dem militärischen Verteidigungsapparat des Reichs ab" (Gibbon, The Triumph of Christendom in the Roman Empire [Der Triumph des Christentums im Römischen Reich], Seite 41). Am Ende des dritten Jahrhunderts jedoch gab es "christliche" Legionen in der römischen Armee. Denen, die sich zum Christentum bekannten, wurde gesagt, dass eine politische Mitwirkung akzeptabel sei.

Die unsterbliche Seele

Die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele, die in praktisch allen heidnischen Religionen auf der Welt vorkommt, wird weder im Alten Testament noch im Neuen Testament gelehrt. Lesen Sie, was das Interpreter's Dictionary of the Bible [Wörterbuch zur Interpretation der Bibel] dazu schreibt:

"In der KJV [King James Version] des Alten Testaments [der Hinweis ist in manchen modernen Übersetzungen weggelassen] steht "Seele" fast immer für das hebräische Wort nephesh. Das Wort Seele im Englischen ... beinhaltet häufig auch ein Verständnis, das ursprünglich aus der griechischen Philosophie (Platonismus), aus dem Orphismus und aus dem Gnostizismus kam, jedoch nicht Teil des Begriffes nephesh ist. Im Alten Testament bedeutet es nie eine unsterbliche Seele, sondern ist im Wesentlichen das Prinzip des Lebens, oder ein lebendiges Wesen... Psyche im Neuen Testament entspricht dem Wort nephesh im Alten Testament" (Band 4, Seite 428).

Wie kam das Konzept einer unsterblichen Seele dann in das Christentum? Schon 200 n.Chr. griffen durch den griechischen Einfluss manche jüdische Sekten diese Idee auf und versuchten, sie mit den biblischen Lehren von der Auferstehung zu verknüpfen. Dies wird aus den zwischentestamentlichen Schriften der Apokryphen wie dem 4. Buch Makkabäer deutlich, sowie aus den Schriften von Philo und Josephus. Die Gnostiker betonten durch ihre Hervorhebung eines heidnischen Dualismus die Unsterblichkeit der Seele im Kontrast zu der Auferstehung des Leibes. Die International Standard Bible Encyclopedia schreibt: "Es gibt einen Unterschied zwischen dem platonischen Glauben an die Unsterblichkeit der Seele und der biblischen Lehre über die Auferstehung von den Toten" (Band 2, Seite 810). 

Autoren des späten zweiten und frühen dritten Jahrhunderts wie Tertullian und Origenes spielten eine wesentliche Rolle in der Formulierung der späteren katholischen Lehre im Hinblick auf Himmel, Hölle und die Unsterblichkeit der Seele. Die ISB Encyclopedia führt weiter aus: "Frühe Christen wurden oft durch griechisches und jüdisches Gedankengut beeinflusst. Zum Beispiel wurden viele durch die Lehre des Pythagoras über die Einteilung der Seele in verschiedene Teile und die Seelenwanderung beeinflusst: Ein platonisches und neoplatonisches Verständnis [besonders von Plotinus] liegt der Anschauung des Origenes über die Seele zugrunde ... Tertullian folgte der Denkweise der Stoiker" (Band 4, Seite 588). Die Encyclopedia of Religion hebt hervor, dass viele einflussreiche katholische Theologen späterer Jahre "alle die biblischen Konzepte einer Seele im Sinne der platonischen Denkweise und in der allgemeinen Tradition von Origenes und seiner Schule interpretierten."

Die Dreieinigkeit

Es gab nicht einfach nur eine Irrlehre hinsichtlich der Wesensart Gottes, sondern viele verschiedene und untereinander widersprüchliche Lehren. Es schien fast ebenso viele verschiedene Ideen zu geben, wie es philosophische Schulen und Lehrer gab. Die heutige katholische Vorstellung, aus der auch die protestantische Lehre zu diesem Thema abgeleitet wurde, ist einfach diejenige Irrlehre, die sich gegenüber den mitstreitenden Ideen behaupten konnte. Da sich diese Lehre mit ein paar Abänderungen bis heute gehalten hat, werden wir diese genauer untersuchen. 

Den Hintergrund der orthodoxen Lehre des dritten Jahrhunderts zu diesem Thema finden wir nicht in den biblischen Texten, sondern in den philosophischen Schriften der Griechen. Das Roman Catholic New Theological Dictionary [Römisch-Katholisches neues theologisches Wörterbuch] macht einige offene Zugeständnisse in dieser Hinsicht. Über die biblische Lehre zur Natur des heiligen Geistes erkennt es in dem Artikel "Dreieinigkeit" an: "Der heilige Geist an sich ist nie das ausdrückliche Objekt neutestamentlicher Verehrung und der Geist wird auch in den Seiten des Neuen Testaments nie als jemand dargestellt, der mit dem Vater und dem Sohn persönlichen Kontakt pflegt." 

Später in demselben Artikel diskutieren moderne katholische Gelehrte den Hintergrund der orthodoxen Lehre über die Dreieinigkeit und geben einen heidnischen Einfluss auf ihre Theologie zu:

Christen haben ... im Zwiegespräch mit der damals vorherrschenden Philosophie des Mittelplatonismus die Gelegenheit ergriffen, die christliche Botschaft in einer gedanklichen Form zu verkünden und zu vertiefen, die für die gebildeten Kreise der damals weit verbreiteten hellenistischen Gesellschaft einen Sinn ergab. Diese Bewegung, die die katholische Theologie im Allgemeinen als positiv angesehen hat, sollte enorme Auswirkungen auf die Entwicklung der christlichen Theologie haben .... In der Zuversicht, dass der Gott, den sie [die heidnischen, griechischen Philosophen] verkündeten, der Vater Jesu Christi war und dass die Erlösung, von der sie sprachen, die durch Jesus war, passten die Apologisten einen Großteil ihres hellenistischen Weltbildes daran an... . Der Begriff ‚Dreieinigkeit' ist zuerst durch Tertullian bekannt geworden. 

Origenes übernahm die Philosophie des Mittelplatonismus noch systematischer als die Apologisten oder Tertullian. Sein ‚Konzept einer ewigen Generation' übernahm er von der mittelplatonischen Lehre, dass die ganze Welt der Geistwesen ewig sei. Der Sohn ist seit Ewigkeit abgeleitet (oder gezeugt) von dem Wesen Gottes und dadurch aus der Wesensart des Vaters, jedoch dem Vater untergeordnet… Origenes prägte wie zuvor Tertullian eine Begriffsbestimmung für die ‚Drei' der göttlichen Trias. Der Vater, der Sohn und der heilige Geist sind ‚drei Hypostasen' [Unterzustände]… Origenes' Hauptbeitrag zur Formulierung der Dreieinigkeitslehre ist die Annahme einer ewigen Generation. Sein Begriff für die ‚Drei' (Hypostasen) wird im vierten Jahrhundert aufgegriffen und verfeinert" (Seite 1054).

Wenn wir uns die Entwicklung der "christlichen" Theologie im späten zweiten und frühen dritten Jahrhundert ansehen, tauchen immer wieder die Namen von Tertullian und Origenes auf. Tertullian (ca. 150 – 225 n. Chr.), der auch der Vater der lateinischen Theologie genannt wird, war "einer der begabtesten Autoren seiner Zeit und beinahe so einflussreich wie Augustinus in der Entwicklung der Theologie im Westen" (Eerdman,Handbook to the History of Christianity [Handbuch zur Geschichte des Christentums], Seite 77). 

Tertullian lebte in Karthago und lehrte als einer der ersten, dass nach dem Tode eine feurige Hölle käme. In seinen späteren Jahren brach er mit Rom und wurde ein Montanist. Dies bedeutete, dass er die Behauptungen zweier von Dämonen besessener Frauen übernahm, die sich selbst Prophetinnen nannten. Sie gerieten in ekstatische Zuckungen und "sprachen in Zungen," behaupteten, der Parakleitos zu sein (ein Begriff für den heiligen Geist im Johannesevangelium) und lehrten eine Botschaft, die "neue Prophezeiung" genannt wurde. 

Origenes (ca. 185 – 254 n.Chr.) "war der größte Gelehrte und fleißigste Autor der frühen Kirche" (Eerdman, Seite 104). Um etwa 203 n.Chr. wurde Origenes zum Nachfolger von Clemens von Alexandria als Leiter einer berühmten Schule, die unter anderem Christen auf die Taufe vorbereiten wollte, und dabei Kurse in Philosophie und Naturwissenschaft für das einfache Volk anbot. Bei seinem guten Ruf als großer Gelehrter und Theologielehrer bleibt die Frage offen, wie viel Origenes wirklich verstand. Nach dem Bericht des Kirchenhistorikers Eusebius aus dem vierten Jahrhundert kastrierte Origenes sich selbst kurz nachdem er die Leitung der Schule in Alexandria übernommen hatte! Diese Tat stützte er auf sein Verständnis (oder vielmehr Missverständnis!) von Christi Worten in Matthäus 5, 29-30). 

Derselbe Mangel an vernünftigem Verständnis der wahren Bedeutung und Absicht der Bibel wird in vielen seiner theologischen Schriften überaus deutlich. "Origenes führte die Möglichkeit der Existenz einer heilenden Hölle [des Fegefeuers] ein" (International Bible Encyclopedia, "Hölle"). Er spielte auch eine bedeutende Rolle bei dem, was sich später zur katholischen Marienverehrung entwickelte, indem er als Erster die Idee vorbrachte, dass Maria nach Jesu Geburt weiterhin eine Jungfrau geblieben war.

Religiöse Kunst im Gottesdienst

Eine der drastischsten Veränderungen, die die Kirche nach dem ersten Jahrhundert getroffen hatte, war die Einführung von religiöser Kunst in den Gottesdienst. Diese Neuerung konnte so offenkundig mit der Götzenverehrung in Verbindung gebracht werden, die durch das zweite Gebot untersagt ist, dass sie nur langsam angenommen wurde. Lesen Sie:

"Sowohl Tertullian als auch Clemens von Alexandria hielten dieses Verbot für absolut bindend für Christen. Bildnisse und Kultstatuen gehörten in die dämonische Welt des Heidentums. Tatsächlich waren die Einzigen, die im zweiten Jahrhundert für den Besitz von Bildnissen Christi bekannt waren, radikale Gnostiker... Doch noch vor dem Ende des zweiten Jahrhunderts drückten Christen freimütig ihren Glauben durch künstlerische Mittel aus" (Henry Chadwick, The Pelican History of the Church, Seite 277).

Das früheste Beispiel einer Kirche, die Bilder an den Wänden hatte, war ein Gebäude aus dem dritten Jahrhundert in Dura, am Euphrat. Und selbst da waren es hauptsächlich Szenen aus dem Alten Testament. Sogar viel später noch, zu Zeiten Kaiser Konstantins, waren viele Führer der sich zum Christentum bekennenden Kirche schockiert angesichts der Idee, Bilder oder Bildnisse von Christus zu haben. Wir lesen:

"Etwa 327 [n.Chr.] empfing der gelernte Historiker Eusebius von Cäsarea einen Brief von der Schwester des Kaisers, Constantia, die ihn um ein Bild von Christus bat... Eusebius ließ ihr eine sehr harsche Antwort zukommen. Es war ihm wohl bewusst, dass man Bildnisse von Christus und den Aposteln finden konnte. Diese wurden auf den Basaren von Palästina verkauft, und er hatte sie selbst gesehen. Aber Eusebius hielt die Maler und Ladenbesitzer, die solche Bildnisse an Pilger verkauften, keineswegs für Christen... [Ihm] war klar, dass nur heidnische Künstler überhaupt daran denken konnten, solche Bildnisse herzustellen" (ebenda, Seiten 280-281).

Epiphanius von Salamis, ein Kirchenführer des vierten Jahrhunderts, war entsetzt, als er in der Vorhalle einer Kirche in Palästina einen Vorhang sah, auf dem ein Bildnis Christi prangte. Er sandte nicht nur einen heftigen Protest an den Bischof von Jerusalem, sondern riss persönlich den Vorhang herunter und vernichtete ihn. Bei seinem Tod 403 n.Chr. waren jedoch Bildnisse Christi und der Heiligen bereits zunehmend verbreitet. Gleichzeitig verbreitete sich der Kult der Marienverehrung, der um 400 n.Chr. einen immer wichtigeren Platz in privaten Andachten einnahm.

Die Reichskirche

Nach fast drei Jahrhunderten mehr oder minder starker Verfolgung von Christen durch die Regierung Roms wurde 313 n.Chr. das Toleranzedikt von Mailand erlassen. Schon bald danach entwickelte sich das Christentum von der offiziell durch das Römische Reich tolerierten Bewegung zur offiziellen Staatsreligion des Reichs. War dies eine Erfolgsgeschichte für die Kirche, die Jesus gegründet hatte? Hatte das wahre, biblische Christentum im Römischen Reich einen Triumph erzielt? 

Weit gefehlt! Was wir vorfinden, ist eine vom Heidentum beeinflusste Religion, die eine christliche Terminologie angenommen, aber ihre heidnischen Traditionen beibehalten hatte – alles von Kaiser Konstantin von Rom durchgesetzt. Sie unterschied sich sehr von der verfolgten judeo-christlichen Kirche, die von Jesus Christus persönlich im ersten Jahrhundert gegründet worden war. Konstantin erkannte die wichtige Rolle, die die Religion bei der Einigung des Reichs spielen konnte, wenn das Volk sich mit einer gemeinsamen Sache identifizieren konnte. Motiviert durch diese hauptsächlich politischen Ziele schmiedete Konstantin eine Allianz mit dem Bischof von Rom und begann einen Prozess zur "Vereinheitlichung" des "Christentums" im gesamten Reichsgebiet. Auf seine Veranlassung kam 325 n.Chr. das Konzil von Nicäa zustande, bei dem er sogar den Vorsitz hatte. Beachten Sie, dass Konstantin zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal getauft war! Tatsächlich schob er die Taufe noch bis zu seinem Totenbett auf und war dann zu krank, um untergetaucht zu werden. Sein persönliches Beispiel, bei der Taufe mit Wasser bespritzt zu werden, trug wesentlich dazu bei, dass das Untertauchen aufgegeben wurde und man später durch Besprengung mit Wasser getauft wurde. 

Das Konzil von Nicäa versuchte hauptsächlich zwei schwierige Fragen zu klären, die bis dahin noch nicht gelöst werden konnten. Es ging um die widersprüchlichen Ansichten über die Natur Gottes und über die Feier von Ostern oder Passah. Durch die Macht des Reichs gestützt behielten die Ansichten der römischen Kirche auf dem Konzil die Oberhand. Alle Opposition wurde unterdrückt. 

Konstantin war auch derjenige, der den "ehrbaren Tag der Sonne" zu einem staatlichen Feiertag machte, an dem die Gerichtshöfe geschlossen blieben und auch die meisten Geschäfte ihre Türen geschlossen halten sollten. 

Dieser römische Kaiser war zuvor nämlich ein Anhänger des Kultes Sol Invictus ("die unbesiegte Sonne") gewesen, und mit seiner "Bekehrung" kamen viele Attribute der Sonnenanbetung wie das Kreuz und der Heiligenschein auf Kunstwerken in das "Christentum." Zur gleichen Zeit begannen auch Massenbekehrungen des Volkes. Um diese zu fördern, wurden populäre Feiertage wie die Saturnalien und Lupercalien in neue, "christliche" Feiertage umgedeutet und nun Weihnachten und Valentinstag genannt. Die Führer der Kirche von Rom behaupteten, dass sie nur einen breiteren Weg öffneten, um das Christentum den Massen zugänglicher und weniger "jüdisch" zu machen. Der Antisemitismus war eine starke Motivation im römischen Christentum.

Wo war die Kirche, die Jesus gegründet hatte?

 

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Was war mit der Kirche geschehen, die bei einer Ausgießung des heiligen Geistes am Pfingsttag 31 n.Chr. gegründet worden war? Wo war Christus, und was tat er während dieser Zeit?

Im zweiten und dritten Kapitel des Buchs der Offenbarung finden wir Botschaften, die Jesus Christus für die sieben Gemeinden in Kleinasien niederschreiben ließ. Im ersten Kapitel sah der Apostel Johannes in einer Vision den verherrlichten Christus in der Mitte von sieben goldenen Leuchtern stehen. Diese sieben Leuchter repräsentieren die Kirche Gottes in ihrer gesamten Geschichte im zeitlichen Ablauf (Offenbarung 1, 12-20). Die sieben Städte in Kleinasien, die im Buch der Offenbarung erwähnt sind, befanden sich geographisch aufeinander folgend an einer römischen Postroute. Welche Bedeutung haben diese sieben Botschaften? 

Eindeutig haben diese Botschaften eine historische Bedeutung für die sieben Gemeinden, die es tatsächlich im ersten Jahrhundert dort gab. Außerdem jedoch – und das ist für uns heute wichtig – versinnbildlichen diese Gemeinden Einstellungen und Probleme, die die gesamte christliche Gemeinschaft und auch einzelne Christen charakterisieren könnten, die es gab, seitdem Johannes dies geschrieben hat (vgl. Offenbarung 2, 7). 

Wenn wir uns den Zusammenhang im Buch der Offenbarung ansehen, muss man anerkennen, dass es hauptsächlich als eine Prophezeiung gedacht war. Offenbarung 1, 1 zeigt, dass die Absicht dieses Buchs ist, Gottes Dienern zu zeigen, was bald geschehen soll. Also sollten die sieben Gemeinden hauptsächlich als Abfolge der Geschichte der Kirche Gottes in sieben Kirchenzeitaltern verstanden werden. 

Die erste Gemeinde, die in Offenbarung 2 angesprochen wird, ist die Gemeinde in Ephesus. Diese Gemeinde repräsentiert das apostolische Zeitalter. In Vers 2 lesen wir, dass der große Test für dieses erste Zeitalter darin lag, zu erkennen, wer die wahren Apostel Christi waren, und wer die Lügner (vgl. 2. Korinther 11, 3-15). Es war ein Zeitalter, in dem lange und hart gearbeitet wurde, um das Werk Gottes zu tun und man erlitt viel Verfolgung und Härten dabei. Die wahren Christen des Zeitalters von Ephesus waren diejenigen, die die Praktiken der Nikolaiten (der Anhänger von Simon Magus) ablehnten und hassten. 

Doch nach der Zerstörung des Tempels in Jerusalem 70 n.Chr. machten sich Enttäuschung und geistliche Trägheit breit. Die Gläubigen hatten Christi Rückkehr für einen Zeitpunkt kurz nach der Umzingelung Jerusalems durch die römische Armee erwartet. Aber nun waren weite Bereiche Judäas und Galiläas zerstört – besetzt durch römische Legionen. Die jüdischen Christen wurden von ihren jüdischen Nachbarn als Verräter und von der römischen Besatzungsmacht als potenzielle Störenfriede betrachtet. Das Leben war hart und gefährlich. 

Dieses Zeitalter hatte die erste Liebe, den frühen Eifer für das Werk Gottes, hinter sich gelassen. Die Mitglieder verloren allmählich die Lehren, Praktiken und Prioritäten aus den Augen, die ihnen einst ihre Identität und ihr Lebensziel verliehen hatten. 

Die Botschaft des lebendigen Christus an die Christen im Zeitalter von Ephesus lautete, dass er ihren Leuchter von seiner Stelle wegstoßen würde, wenn sie nicht bereuen und zu ihren ersten Werken in der eifrigen Verkündigung des Evangeliums zurückkehren würden. Der Glaubensabfall der überwiegenden Mehrheit der Kirche von Jerusalem 135 n.Chr. (als die zweite jüdische Revolte gegen Rom vernichtend niedergeschlagen wurde), wird allgemein als das Ende des Zeitalters von Ephesus angesehen. Diejenigen, die in diesen Tagen der Prüfung dem Glauben treu geblieben waren, wurden von der größeren Kirche als "Nazarener" (vgl. Apostelgeschichte 24, 5) und als "Ebioniten" (arme Leute) bezeichnet. Wie es auch heute noch ist, gab es eine Vielzahl von "unabhängigen" Gruppen neben der wahren Kirche Gottes, die auf viele verschiedene Arten Teile der Wahrheit mit Irrtümern vermischt hatten. Diese Gruppen wurden manchmal mit den "Nazarenern" und den "Ebioniten" in einen Topf geworfen und von der römischen Kirche ebenfalls als "Ketzer" bezeichnet. 

Die Gemeinde in Smyrna ist die zweite der sieben Kirchen, die im Buch der Offenbarung angesprochen wird. Der Apostel Johannes war in Ephesus am Ende des ersten Jahrhunderts gestorben. Der nächste treue Kirchenführer in Kleinasien war, wie im vorigen Kapitel bereits erwähnt, Polycarp, der Bischof von Smyrna. Als junger Mann war Polycarp ein persönlicher Jünger von Johannes gewesen und hatte mit ihm mehrmals das Passah gefeiert. Polycarp wurde in den ersten Jahrzehnten des zweiten Jahrhunderts bekannt. Die Gemeinden unter seiner Führung waren einige der wenigen Gebiete, in denen Gottes Festtage noch im ganzen zweiten Jahrhundert eingehalten wurden. Im hohen Alter unternahm Polycarp sogar noch eine Reise nach Rom, um zu versuchen, Anicetus, den Bischof von Rom von seinem Irrtum zu überzeugen, weil dieser nicht den biblischen Tag des Passahs feierte, sondern stattdessen eine jährliche passahähnliche Feier am Sonntag (Ostern) und eine wöchentliche Feier der "Eucharistie" vollzog

In den letzten Jahrzehnten des zweiten Jahrhunderts trat Polykrates, ein glaubenstreuer Kirchenführer, der persönlich von Polycarp ausgebildet worden war, hervor. Er blieb der einzige bekannte Kirchenführer, der dem Vorbild der Apostel und der Kirche Gottes in Jerusalem treu geblieben war. Polykrates lehrte das wahre Evangelium von der tatsächlichen Errichtung des Reichs Gottes auf Erden, von dem unbewussten Zustand der Toten, die auf die Auferstehung warteten, von der Bedeutung der Einhaltung von Gottes Gesetzen und von der Feier der biblischen Festtage. 

Gegen Ende des zweiten Jahrhunderts hatte Viktor, der Bischof von Rom, damit begonnen, Polykrates und alle, die seiner Lehre folgten, als Ketzer zu bezeichnen – als Quellen der Zwietracht und Spaltung in der Kirche. Polykrates blieb trotz des verstärkten Drucks und der Isolation von so genannten "Mitchristen" und trotz vermehrter Verfolgung und Anfeindung von der umliegenden, heidnischen Gesellschaft dem Glauben treu. Nach seinem Tod jedoch wurde kein weiterer starker Kirchenführer unter den glaubenstreuen Gemeinden in Kleinasien mehr bekannt. 

Für die Allgemeinheit sah es so aus, als hätten die wahren Christen im Kampf gegen die wesentlich populärere und bequemere römische Kirche an Boden verloren. Ihre Zahl sank und sie wurden zunehmend isoliert. Von der großen Kirche verachtet und als "Ebioniten" (arme Leute) bezeichnet, mussten sich einzelne Personen und Gruppen von Familien, die dem Glauben treu blieben, in die weniger besiedelten Gegenden von Kleinasien zurückziehen. 

Sogar schon am Ende des ersten Jahrhunderts waren wahre Christen von untreuen Gemeindevorstehern aus der Kirche ausgeschlossen worden (3. Johannes 9-10). Im zweiten Jahrhundert wurden andere, wie zum Beispiel der treue Rest, der die "neuen Wahrheiten" von Bischof Marcus von Jerusalem nicht akzeptierte, gezwungen, von sich aus die Gemeinde, deren Mitglieder sie gewesen waren, zu verlassen. Dies geschah, als untreue Führer die offizielle Kirche immer mehr in die Irre führten. 

Der große Test für das Zeitalter von Smyrna bezog sich auf zwei Dinge. Das Eine war ihre Fähigkeit, zwischen der Fortsetzung der wahren Kirche Gottes und dem, was in Wirklichkeit die aufkeimende Synagoge des Satans war, zu unterscheiden. Das Andere war ihre Bereitschaft, Verfolgung und sogar den Tod zu ertragen, um Gott treu zu bleiben (Offenbarung 2, 9-10). 

Physisch betrachtet waren die Christen dieses Zeitalters verarmt und verfolgt. Sie wurden von der schnell wachsenden, "orthodoxen" Bewegung als Ketzer geächtet, von den Juden als Abtrünnige bezeichnet und von der heidnischen Gesellschaft Roms um sie herum mit Verachtung und Skepsis betrachtet. Doch in Gottes Augen werden diejenigen, die in dieser schrecklichen Zeit treu geblieben sind, als geistlich reich angesehen und sie werden letztendlich die Krone des Lebens erhalten (Offenbarung 2, 9-10). 

Nach Konstantin begann 325 n.Chr. eine systematische Durchsetzung der Unterwerfung unter die Theologie Roms. Die Reste der wahren Kirche wurden größtenteils gezwungen, bis außerhalb der Grenzen des Römischen Reichs in die Berge Armeniens und später auf den Balkan nach Europa zu fliehen. Es gab nur noch eine kleine Anzahl von ihnen und sie hatten weder Ansehen noch Reichtum. Von dem eigentlich "christlichen" Römischen Reich wurden sie als Feinde des Staates betrachtet. 

In Gottes Augen waren sie aber kostbar. Es lag nicht in Gottes Absicht, dass seine wahre Kirche zu einer großen, mächtigen Organisation werden sollte, die die Welt "christianisieren" würde. Seine wahre Kirche sollte eine "kleine Herde" bleiben (Lukas 12, 32). Ihr Fortbestand sollte sich nicht an einer Reihe von stolzen, mächtigen, herrschenden Bischöfen in einer bestimmten Stadt messen lassen (vgl. Hebräer 13, 14), sondern an einer Reihe von glaubenstreuen, bekehrten Menschen, die weiterhin den Vater im Geist und in der Wahrheit anbeten würden (Johannes 4, 23-24), sollten sie auch verstreut und verfolgt sein. 

Es sollte Zeiten geben, in denen Gott einen treuen Führer unter ihnen aufkommen lassen würde, um sein Volk wieder aufleben zu lassen, damit es ein bestimmtes Werk tun würde, das zumindest in der regionalen Umgebung öffentlich sichtbar war. Zu anderen Zeiten, in denen Gottes Kirche weiterhin existierte, war sie so verstreut und verborgen, dass nur Gott sie sehen konnte, aber sie starb nie aus.

 [Inhalt]

Kapitel 3 – Die Kirche in der Wüste

In der Zeit nach dem Konzil von Nicäa waren Kaiser Konstantin und seine Nachfolger bestrebt, alle nicht konformen Arten des Christentums auszulöschen. Gruppen, die sich gegen die Anpassung an die Lehren und Praktiken der "etablierten" Kirche, die sich jetzt Katholische (universelle) Kirche Gottes nannte, zur Wehr setzten, wurden nicht nur als Ketzer angesehen, sondern als umstürzlerische Feinde des römischen Staates. 

Die wahre Kirche, die in Offenbarung 12 als Frau symbolisiert ist, war gezwungen, für 1260 "Tage" in die Wüste zu fliehen. In der biblischen Prophezeiung bedeutet ein "Tag" oft ein Jahr (4. Mose 14, 34; Hesekiel 4, 6). Demnach müsste sich die wahre Kirche nach dem Konzil von Nicäa für 1260 Jahre verborgen gehalten haben. Historisch ist genau dies geschehen. Obwohl dies ein wirklich dunkles Zeitalter war, gab es ein Licht, das weiterhin brannte. Manchmal flackerte diese Flamme, aber sie wurde nie ausgelöscht. 

Jeder Religionsgelehrte und Historiker sieht sich einigen Problemen gegenüber, wenn er versucht, die Wanderungen der wahren Kirche in diesem 1260jährigen Zeitabschnitt nachzuvollziehen. Der Grund dafür ist, dass die Geschichte der wahren Kirche nicht die Geschichte einer einzigen, unveränderten Organisation von Menschen ist. Die überlieferte Geschichte der den Sabbat einhaltenden Kirche Gottes wurde fast ausschließlich von ihren Feinden geschrieben, die diese als ketzerisch betrachtete. Wir lesen von Gruppen, die von feindlich gesinnten Außenstehenden mit Namen wie Paulizianer, Bogomilen und Waldenser bezeichnet sind – von denen kleinere oder größere Teile zu verschiedenen Zeiten wahre Christen nach der Art der Jerusalemer Kirche des ersten Jahrhunderts gewesen zu sein scheinen. Eine andere Schwierigkeit ist, dass sich die Lehren jeder dieser Gruppierungen im Laufe der Zeit veränderten und sich im Allgemeinen immer denen ihrer katholischen und protestantischen Nachbarn anglichen. 

Wir finden auch, dass Autoren oft verschiedene Gruppen von "Irrgläubigen" einschließlich der wahren Kirche unter demselben Namen in einen Topf geworfen haben, ohne wirklich die Unterschiede in ihren Lehren zu berücksichtigen. So bleibt die große Herausforderung in der Kirchengeschichte, nicht nur zu identifizieren, wer was lehrte, sondern auch zu erkennen, wann eine Kirchenorganisation aufhörte, Teil der wahren Kirche zu sein und wann Gott die wahre Kirche an einen anderen Ort verlegte.

Die Kirche flieht in die Wüste

 In den ersten drei Jahrhunderten ihrer Existenz war die Kirche Gottes zeitweise immer wieder starker Verfolgung ausgesetzt. Doch in diesen Zeiten wurde sie nicht getrennt betrachtet, sondern im Allgemeinen immer mit den Juden und einer großen Vielzahl von an Christus glaubenden Sekten in Verbindung gebracht. Diese Verfolgungen waren zeitlich und räumlich begrenzt. Der römische Kaiser Diokletian veranlasste vor dem Konzil von Nicäa von 303 bis 313 n.Chr. für zehn Jahre die schlimmste dieser Verfolgungen. Dies waren die "zehn Tage", die in Offenbarung 2, 10 genannt sind. 

Als Konstantin seine Macht im Reich gefestigt hatte, änderte sich die Situation entscheidend. Gibbon schrieb, dass Konstantins religiöse Verehrung "auf besondere Weise auf den Geist der Sonne ausgerichtet war ... und es gefiel ihm, sich mit den Symbolen des Gottes des Lichts und der Poesie darstellen zu lassen. Die unfehlbaren Pfeile dieser Gottheit, das Leuchten seiner Augen ... schienen ihn zum geeigneten Schutzpatron für einen jungen Helden zu machen. Die Altäre von Apollo waren überhäuft mit den Weihegaben von Konstantin; und der gläubigen Masse wurde erzählt, dass es dem Kaiser gestattet war, mit seinen sterblichen Augen die sichtbare Herrlichkeit ihres Schutzgottes anzuschauen... Die Sonne wurde allgemein als unbesiegbarer Führer und Beschützer Konstantins gefeiert" (The Triumph of Christendom [Der Triumph der Christenheit], Seite 309). 

Vier Jahre vor dem Konzil von Nicäa erließ Konstantin ein Gesetz für das ganze Römische Reich, das weit reichende Bedeutung für Gottes Volk haben sollte. "Der früheste Hinweis darauf, dass die Einhaltung des Sonntags eine gesetzliche Pflicht war, ist ein Erlass Konstantins aus dem Jahre 321 n.Chr., in dem er befahl, dass alle Gerichtshöfe, alle Bewohner der Städte und alle Arbeitsstätten am Sonntag (venerabili die solis, d.h. am verehrungswürdigen Tag der Sonne) ruhen sollten... . Dies war der erste einer Reihe von kaiserlichen Erlässen, von denen die meisten in den Codex Justinianus übernommen wurden." Etwa vierzig Jahre später übernahm die Katholische Kirche dieses Reichsedikt im "Kanon [29] des Konzils von Laodizea [363 n.Chr.], das Christen das Judaisieren und Ruhen am Sabbat verbot und ihnen sogar befahl, an diesem Tag zu arbeiten" (Encyclopaedia Britannica, 11. Ausgabe, "Sonntag"). 

Allein schon die Tatsache, dass die römische Kirche sich im späten vierten Jahrhundert genötigt sah, Gesetze gegen die Einhaltung des Sabbats zu erlassen, zeigt, dass es besonders in Kleinasien noch glaubenstreue Restgruppen gab, die an der Wahrheit festhielten. Die zunehmend mächtigere Kirche bestand darauf, dass nun alle die "christianisierte" Art der römischen Sonnenverehrung annehmen mussten. Wer sich weigerte, konnte leicht identifiziert werden und diese Menschen konnten kein normales Leben mehr führen, wenn sie in den städtischen Gebieten des Römischen Reichs blieben. Deshalb verschwanden im vierten Jahrhundert die Christen, die als Nazarener bezeichnet wurden, aus den bevölkerten Gegenden Kleinasiens. Über drei Jahrhunderte hinweg waren Reste der wahren Kirche dorthin gewandert, doch mit der Durchsetzung dieser Sonntagsgesetze durch Konstantin waren sie gezwungen, zu fliehen. Epiphanus, ein katholischer Historiker des vierten Jahrhunderts, beschrieb diese Menschen, die sich unterschieden "von den Juden und [katholischen] Christen: Mit den Juden stimmen sie nicht überein, weil sie an Christus glauben, mit den [katholischen] Christen nicht, weil sie im Gesetz gelehrt sind... Diese Irrlehre der Nazarener existierte in Beröa, im benachbarten Coele Syria und in der Decapolis um die Region von Pella ... von wo sie nach ihrem Auszug aus Jerusalem ausgegangen waren, als alle Jünger in Pella zu leben begannen" (Ray Pritz,Nazarene Jewish Christianity [Nazarenisch-jüdisches Christentum], Seite 34).

Die "Paulizianer" erscheinen in Armenien

 Im fünften Jahrhundert erschien die Kirche in entlegenen Gebieten im östlichen Kleinasien nahe dem Euphrat und in den Bergen Armeniens. Diese Menschen wurden von Zeitgenossen als "Paulizianer" bezeichnet. Wer waren sie? 

Der armenische Gelehrte Nina Garsoian schrieb in The Paulician Heresy [Die paulizianische Irrlehre]: "Es würde dann so erscheinen, als seien die Paulizianer der überlebende Rest der früheren Form des Christentums in Armenien" (Seite 227). Der Autor bemerkte auch, dass die Paulizianer "beschuldigt wurden, schlimmer als andere Sekten zu sein, weil bei ihnen der Judaismus hinzukam" (Seite 213). 

Christi Botschaft an dieses dritte Zeitalter der Kirche Gottes (die Paulizianer) wird durch die Gemeinde in Pergamon charakterisiert (Offenbarung 2, 12-17). Das Wort Pergamon heißt "befestigt" und die Kirchenmitglieder dieses Zeitalters waren dafür bekannt, dass sie in entlegenen Gebirgsregionen lebten. In Offenbarung 2, 13 sagt Christus von der Gemeinde in Pergamon, dass sie dort wohnt, wo der Thron des Satans ist. Pergamon war ein Zentrum der altertümlichen babylonischen Mysterienreligion. Im Jahre 133 v.Chr. starb Attalus III., der letzte Gott-König von Pergamon, und in seinem Testament vermachte er sein Reich und seinen Titel Pontifex Maximus ("Oberster Brückenbauer" zwischen den Menschen und Gott) den Römern. Die Herrscher Roms übernahmen diesen Titel und behielten ihn bei bis Kaiser Gratian ihn im Jahre 378 n.Chr. auf Papst Damasus I. übertrug. Die katholischen Päpste tragen diesen Titel bis zum heutigen Tag. Historisch betrachtet lässt sich der Begriff "Thron des Satans" bis zu Nimrods Reich zurückverfolgen, das in frühester Zeit Armenien und die obere Euphratregion mit einschloss (1. Mose 10). Die Gemeinde in Pergamon – die Paulizianer – zogen in dieselbe geografische Region, nachdem Konstantin im Römischen Reich die Einhaltung des Sonntags per Gesetz durchsetzen ließ. 

Schon im fünften Jahrhundert lesen wir von Paulizianern, die in katholischen Dokumenten als Ketzer gebrandmarkt wurden. Doch der erste bekannte Führer unter ihnen, dessen Name überliefert ist, war Konstantin von Mananeli (ca. 620 – 681 n.Chr.). Er begann etwa 654 n.Chr. zu predigen und half, die Kirche wieder zu beleben. Vor seinem Wirken bestand der Großteil der Mitgliedschaft der Kirche aus Nachkommen von Christen, die über zwei Jahrhunderte zuvor aus Griechenland und Kleinasien geflohen waren. Sie bewahrten die Namen ihrer ursprünglichen Gemeinden und bezeichneten sich weiterhin als "Kirche von Ephesus" oder "Kirche von Mazedonien," obwohl sie sich Hunderte von Kilometern von ihren Ursprungsorten entfernt hatten. 

Konstantin von Mananeli wurde von byzantinischen (oströmischen) Soldaten unter dem Befehl eines Offiziers namens Simeon 681 n.Chr. hingerichtet. Simeon war so von dem Beispiel und den Lehren Konstantins überwältigt, dass er 684 n.Chr. zurückkehrte, diesmal nicht als Soldat, sondern als Bekehrter. Simeon wurde ein eifriger paulizianischer Prediger und starb seinerseits drei Jahre später, im Jahre 687 n.Chr. den Märtyrertod. 

Im Jahre 1828 wurde das Manuskript eines alten Buchs mit dem Namen Der Schlüssel der Wahrheit in Armenien entdeckt. Teile dieses Buchs reichten bis 800 n.Chr. zurück und geben uns einen detaillierten Einblick in die Lehren der Paulizianer. Um 1900 wurde das Buch von Fred Coneybeare ins Englische übersetzt. So erfahren wir, dass die Paulizianer den Gebrauch des Kreuzes im Gottesdienst und in religiöser Kunst ablehnten und es ein "verfluchtes Werkzeug" nannten. Sie verurteilten Kriegführung und hielten das Passah am 14. Tag des ersten Monats im heiligen Kalender. Die Paulizianer lehnten auch den Anspruch der Römisch-Katholischen Kirche ab, die "Kirche Gottes" zu sein und wiesen den Anspruch des Papstes, "apostolischer Nachfolger" zu sein, und andere Behauptungen zurück. Sie hielten die Dreieinigkeit, das Fegefeuer und die Fürbitte der Heiligen für unbiblisch. 

In der Einführung zur englischen Ausgabe von The Key of Truth [Der Schlüssel der Wahrheit] liefert uns Coneybeare wertvolle historische Hintergründe zu den Praktiken der frühen Paulizianer. "Wir wissen auch aus einer Notiz überliefert durch Ananias von Shirak, dass die Paulizianer, die auch früher so hießen, Quartodezimaner waren und Ostern in der ursprünglichen Weise am jüdischen Tag feierten. Johannes von Otzuns Sprache beinhaltet möglicherweise, dass die frühen Gläubigen in Armenien im siebten Jahrhundert ebenfalls Quartodezimaner waren, wie man es erwarten würde" (Coneybeare, Einführung, Seite ciii). Dr. Coneybeare führte weiter aus: "Wahrscheinlich wurde der Sabbat eingehalten und es gab keine besonderen Sonntagsgottesdienste" (Seite cxiii). Weiterhin sagte er über die Paulizianer, dass "sie wahrscheinlich Reste einer alten jüdisch-christlichen Kirche waren, die sich bis nach Edessa, Siuniq und Albanien ausgebreitet hatte" (Seite clxii). 

Irgendwann in ihrer Geschichte jedoch verfielen viele der Paulizianer einem folgenschweren Irrtum. Sie argumentierten, dass sie sich nach außen hin vielen Praktiken der Katholischen Kirche anpassen könnten, um Verfolgung zu vermeiden, so lange sie es in ihrem Herzen besser wussten. Dieser Weg des Kompromisses führte dazu, dass viele ihre Kinder katholisch taufen ließen und andere an der Messe teilnahmen. Christus hatte dieses prophezeit und ermahnte die Gemeinde in Pergamon im Hinblick auf diejenigen, die sich an die heidnischen und unmoralischen Praktiken hielten (Offenbarung 2, 14-15). Ergebnis ihrer kompromittierten Einstellung war, dass Christus erlaubte, dass schwere Verfolgung über sie kam. Als die Verfolgung begann, entschieden einige der bedrängten Paulizianer, dass die Lösung ihrer Probleme in einer Allianz mit den muslimischen Arabern lag, die zu jener Zeit öfters in das Byzantinische Reich (Ostrom) einfielen. Gegensätzliche Ansichten unter den Paulizianern führten in diesen Jahren zu zahlreichen Spaltungen in der Gemeinschaft. 

Vor dem Jahre 800 n.Chr. wurde ein Mann namens Baanes als eine herausragende Persönlichkeit in der Kirche bekannt, der die Führung der Paulizianer in Armenien übernahm und sich für die Lehre militärischer Gegenwehr einsetzte. Kurz darauf kam ein weiterer Prediger namens Sergius unter den Paulizianern empor. Weil Sergius sich gegen den Krieg aussprach und sich damit gegen die Ansichten von Baanes stellte, wurde ihm vorgeworfen, Spaltungen in der Gemeinschaft hervorzurufen. Doch trotz des Widerstands wirkte Sergius 30 Jahre lang als Prediger. Nach seinem Tod jedoch begannen auch die meisten seiner Nachfolger, an Kriegshandlungen teilzunehmen.

Aufstieg der Bogomilen

 Im achten und neunten Jahrhundert wurden viele armenische Paulizianer von den byzantinischen Kaisern zwangsweise auf den Balkan umgesiedelt. Sie sollten dort eine Pufferzone gegen die einfallenden bulgarischen Stämme bilden. Umgesiedelt auf den Balkan wurden die Paulizianer als Bogomilen bekannt. 

Was lehrten die Bogomilen? "Die Taufe durfte nur an erwachsenen Männern und Frauen durchgeführt werden ... Bildnisse und Kreuze waren Götzenbilder" (Encyclopaedia Britannica, 11. Ausgabe, "Bogomilen"). Sie lehrten auch, dass Gebete zu Hause stattfinden sollten, nicht in bestimmten Gebäuden wie Kirchen. Sie lehrten, dass die Gemeinde aus den "Auserwählten" bestand und dass jeder Einzelne nach der Vollkommenheit Christi streben sollte. Es wird berichtet, dass ihr Werk auch die Heilung von Kranken und die Austreibung von Dämonen umfasste. 

Im zehnten und elften Jahrhundert breiteten sich viele Bogomilen nach Westen aus und siedelten sich in Serbien an. Später, gegen Ende des zwölften Jahrhunderts, suchten viele in Bosnien Zuflucht. Diese Bogomilen waren "nur eine Version einer Gemeinschaft von ähnlichen ketzerischen Sekten, die sich über ganz Kleinasien und Südeuropa unter verschiedensten Namen während des Mittelalters ausgebreitet hatten. Die Bekanntesten sind die Patarener, Katharer und Albigenser" (Encyclopaedia Britannica, 15. Ausgabe, Band 29, Seite 1098). Sie wurden deswegen als Ketzer verurteilt, weil sie glaubten, dass "die Welt von zwei Prinzipien regiert wird, dem Gutem und dem Bösen, und dass die Angelegenheiten der Menschen von dem Konflikt zwischen diesen Mächten bestimmt werden; die gesamte sichtbare Welt ist in die Hände des Satans gegeben" (Encyclopaedia Britannica, Seite 1098). Aus ihrer Heimat auf dem Balkan breitete sich der Einfluss der Bogomilen begünstigt durch Handelsverbindungen bis nach Piemont, Italien und nach Südfrankreich aus. Als die ottomanischen Türken schließlich Bosnien besetzten, hatte sich die Saat der Wahrheit nach Piemont, in die Provence und in die alpinen Gebiete Europas ausgebreitet.

Die Katharer und Waldenser

 Zu Beginn des zwölften Jahrhunderts gab es eine Belebung der Wahrheit durch die Entstehung der nächsten Phase der Kirche unter der Führung von Peter de Bruys im Südosten Frankreichs. Dieser Abschnitt in der Kirchengeschichte wird durch die Gemeinde in Thyatira in Offenbarung 2 charakterisiert. Die Täler von Piemont im Südosten Frankreichs beschrieb Papst Urban II. im Jahre 1096 als "mit Ketzerei verseucht." Aus einem dieser Täler, dem Tal Louise, stammte Peter de Bruys, der 1104 begann, über Reue zu predigen. Er gewann zunächst viele Anhänger unter den Katharern und später auch in der allgemeinen Öffentlichkeit. 

Die Katharer, unter denen de Bruys ursprünglich gepredigt hatte, waren Reste früherer Siedlungen der Bogomilen. Doch zu dieser Zeit hatten die meisten von ihnen eine Vielzahl neuer und seltsamer Lehren angenommen und waren untereinander sehr zerstritten. Sein Predigen und das seiner Nachfolger gaben der Kirche im Südosten Frankreichs in der ersten Hälfte des zwölften Jahrhunderts neuen Aufwind. De Bruys versprach, das Christentum in seiner ursprünglichen Reinheit wieder herzustellen. Am Ende einer Predigtzeit von 20 Jahren wurde er verbrannt. Nach ihm folgten in schneller Abfolge zwei einflussreiche Prediger, Arnold und Henri. 

Nach dem Tod von Henri im Jahre 1149 geriet die Bewegung ins Taumeln und schien fast völlig zusammenzubrechen. Ein paar Jahre später wurde ein wohlhabender Kaufmann in Lyon, Peter Waldo, durch ungewöhnliche Umstände bekehrt und begann 1161, das Evangelium zu predigen. Als er durch den Schock des plötzlichen Todes eines nahe stehenden Freundes dazu gebracht wurde, über die wahre Bedeutung des Lebens nachzudenken, erhielt Waldo eine Kopie der heiligen Schrift und begann, Gottes Wort zu studieren. Schon bald erkannte er mit Erstaunen, dass die Bibel in vielen Dingen genau das Gegenteil von dem lehrt, was er durch seine katholische Erziehung erlernt hatte. 

Der Historiker Peter Allix zitierte aus The Noble Lesson [Die ehrbare Lehre], einem alten Dokument der Waldenser: "In der Annahme, dass die Welt sich ihrem Ende nähert, ermahnt der Autor seine Geschwister zum Gebet, zur Wachsamkeit... Er wiederholt einige Artikel aus dem Gesetz und lässt auch das nicht aus, das über Götzen spricht" (Ecclesiastical History of Ancient Churches of Piedmont [Kirchliche Geschichte alter Gemeinden in Piemont], Seiten 231, 236-237). 

An anderer Stelle schrieb Allix, dass die Führer der Waldenser "sich selbst zu Nachfolgern der Apostel erklären, apostolische Autorität und die Schlüssel zum Binden und Lösen beanspruchen. Sie betrachten die Kirche von Rom als die Hure von Babylon" (Ecclesiastical History, Seite 175). 

Peter Waldo machte Lyon zwischen 1161 und 1180 zum Zentrum seines Predigtdienstes. Dann zog er sich auf Grund von Verfolgung nach Norditalien zurück. Von 1210 bis zu seinem Tod sieben Jahre später verbrachte er seine Zeit mit Predigen in Böhmen und Deutschland. "Wie Franz [von Assisi] entschied sich Waldo für ein Leben in Armut, damit er frei sei, zu predigen, doch mit dem Unterschied, dass die Waldenser die Lehren Christi predigten, während die Franziskaner über die Person Christi predigten" (Encyclopaedia Britannica, 11. Ausgabe). 

Was waren einige der anderen Lehren, die die Waldenser predigten? Gibt es Hinweise, dass die frühen Waldenser den Sabbat einhielten? Einer der Namen, unter denen sie ganz zu Anfang bekannt waren, warSabbatati! Der Historiker J.N. Andrews führte 1873 in seinem Werk History of the Sabbath [Geschichte des Sabbats] ein Zitat an, das aus einem Werk des schweizerisch-calvinistischen Historikers Goldastus von ca. 1600 stammte. Über die Waldenser schrieb Goldastus: "Insabbatati [wurden sie genannt] nicht, weil sie beschnitten waren, sondern weil sie den jüdischen Sabbat hielten" (Andrews, Seite 410). Dr. Andrews bezog sich außerdem auf das Zeugnis von Bischof Ussher (1581 – 1656), der bestätigte, "dass viele verstanden, dass sie [die Namen Sabbatati oder Insabbatati] ihnen [den Waldensern] gegeben wurden, weil sie am jüdischen Sabbat Gottesdienste abhielten" (Seite 410). Sogar bekannte protestantische Gelehrte waren also am Ende des Mittelalters eindeutig bereit, anzuerkennen, dass viele Waldenser den Siebenten-Tages-Sabbat feierten. 

In seinem Werk The History of the Christian Church [Die Geschichte der christlichen Kirche] schrieb William Jones 1845:

 "Leute, die die Angelegenheit untersuchten, überbrachten Ludwig XII., dem König von Frankreich [regierte 1498 – 1516] einen Bericht, dass sie alle Gemeinden besucht hatten, in denen sich Waldenser befanden. Sie hatten all ihre Versammlungsorte untersucht ... aber sie fanden keine Bildnisse, kein Anzeichen von Anweisungen hinsichtlich der Messe oder irgendeines anderen Sakraments der römischen Kirche... Sie begingen den Sabbat, hielten sich an dieselben Anweisungen im Bezug auf die Taufe wie die Urkirche, lehrten ihre Kinder die Artikel des christlichen Glaubens und der Gebote Gottes... 

Die Waldenser konnten einen Großteil des Alten und Neuen Testaments auswendig aufsagen. Sie lehnen die Schriften und Werke der heiligen Männer [römisch-katholische Kirchenväter] ab und berufen sich nur auf die Gültigkeit der Schrift... [Sie sagen,] die Traditionen der [römischen] Kirche sind nicht besser als die Traditionen der Pharisäer und dass [Rom] mehr Wert auf die Einhaltung der Traditionen von Menschen legt, als auf die Einhaltung des Gesetzes Gottes. Sie lehnen das Osterfest ab, sowie alle anderen römischen Feste Christi und der Heiligen" (A Handbook of Church History [Ein Handbuch zur Kirchengeschichte], Seiten 234, 236-237).

Ein weiterer Kompromiss

 Es gab jedoch ein ernsthaftes Problem, das die meisten Gemeinden der Waldenser im späten Mittelalter betraf, und das zuvor schon den Paulizianern zu schaffen machte. Es war die Tendenz vieler Leute, katholischen Priestern zu erlauben, ihre Kinder zu "christianisieren" [katholisch zu taufen], sowie ihre Bereitschaft, an katholischen Gottesdiensten und Andachten teilzunehmen. In dem Wissen, dass solche Zeremonien ihnen nicht das Heil bringen konnten, dachten viele, dass eine Konformität nach außen hin mit Rom sie vor Verfolgung bewahren könnte, damit sie im privaten Rahmen weiterhin die Wahrheit praktizieren könnten. Diese Tendenz wurde der Gemeinde in Thyatira in Offenbarung 2, 20-24 prophezeit. Aus Gottes Sichtweise war das, was sie taten, aber geistliche Hurerei und die Teilnahme an der katholischen Kommunionsfeier entsprach dem "Essen von Götzenopfern." 

Was geschah mit den Waldensern? "Die Waldenser verschwanden langsam aus den Hauptbevölkerungszentren und suchten Zuflucht in den verborgenen Tälern der Alpen. Dort, in den zurückgezogenen Gebieten von Piemont ... gab es eine Siedlung der Waldenser, die den Tälern von Vaudois ihren Namen gab... Gelegentlich wurden Versuche unternommen, die Sekte in der Vaudois zu unterdrücken, aber die Beschaffenheit der Landschaft, in der sie wohnten, ihre Verborgenheit und Isolation ließen die Schwierigkeiten ihrer Unterdrückung größer erscheinen, als die Vorteile, die man daraus ziehen konnte" (Encyclopaedia Britannica, 11. Ausgabe, "Waldenser"). 

Im Jahre 1487 erließ Papst Innozenz VIII. eine Bulle, in der er zu ihrer Auslöschung aufrief, und ihre Siedlungen wurden massiv angegriffen. Ein Nebel, der sich über die katholischen Armeen legte und diese umzingelte, rettete die Waldenser vor der völligen Vernichtung. Doch die meisten von ihnen waren einfach entkräftet und ließen sich auf Kompromisse ein. Als ein paar Jahre später die Reformation begann, schickte die Führung der Waldenser Abgesandte an die lutherische Kirche. "Daraufhin", so schreibt die Encyclopaedia Britannica, "hörten die Vaudois auf, ein Relikt der Vergangenheit zu sein und verschmolzen mit der breiten Bewegung des Protestantismus." 

Als am Ende des 16. Jahrhunderts dieser völlige Glaubensabfall die meisten Waldenser ergriffen hatte, bewahrte Gott noch einen glaubenstreuen Rest. Gläubige, die die Früchte der letzten sieben Jahre der Predigtzeit von Peter Waldo waren, wurden im 13. Jahrhundert in Böhmen und Deutschland bekehrt. In den entlegenen Gebieten der Karpaten in Zentral- und Osteuropa überlebten davon noch einzelne kleine Gruppen – ein treuer Rest davon hat sich in der Isolation dieser Gegend bis in die heutige Zeit gehalten (vgl. Offenbarung 2, 24-25). 

Als sich das 17. Jahrhundert näherte, war es Zeit für das Erscheinen des nächsten Zeitalters in Gottes Kirche. Reste der deutschen Waldenser, von Außenstehenden manchmal als "Lollarden" bezeichnet, waren schon im 14. und 15. Jahrhundert nach Holland und England vorgedrungen. Doch erst in den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts konnte die Kirche wieder offen in Deutschland und Großbritannien in Erscheinung treten.

 [Inhalt]

Kapitel 4 – Die Kirche schlägt Wurzeln in der Neuen Welt

 Was war mit der Kirche geschehen, die Jesus gegründet hatte? Sie überlebte gegen unglaubliche Widerstände! Die Männer und Frauen, die die geistlichen Vorfahren von Gottes heutigem Volk waren, erwiesen großen Mut und Glauben. Über Jahrhunderte hinweg mussten sie immer wieder umsiedeln, um sich entweder einer Verfolgung von außen zu entziehen, oder den Irrlehren und Kompromissen aus ihrer Mitte zu entweichen. In diesen Zeiten, als es schien, als würde Gottes Flamme der Wahrheit nur noch schwach flackern, brachte Christus immer wieder einen glaubenstreuen Führer hervor, der sein Volk zusammenbrachte und das Werk Gottes wieder mit Leben erfüllte. 

Gegen Ende des 16. Jahrhunderts traten unter den Resten der Waldenser Gemeinden auf, die als "sabbatarische Wiedertäufer" bezeichnet wurden. Diese entwickelten sich in Zentraleuropa, Deutschland und England. Sie wurden Sabbatarier genannt, weil sie die Einhaltung des Sabbats am siebten Tag lehrten und praktizierten. Und sie wurden Wiedertäufer genannt, weil sie sich weigerten, diejenigen als Christen zu akzeptieren, die nur als Baby mit Wasser begossen worden waren. Sie lehrten, dass die Taufe nur für Erwachsene sei, die an das Evangelium glaubten und ihre Sünden bereut hatten (vgl. Apostelgeschichte 2, 38).

Die Geschichte der Wiedertäufer

 Unter diesen gab es einige bemerkenswerte Männer, wie Oswald Glaidt, Andreas Fischer und Andreas Eossi. Ihr Wirkungskreis befand sich hauptsächlich in Deutschland, Polen, Ungarn und Teilen der späteren Tschechoslowakei und Rumänien. Diese Männer lehrten die Einhaltung des Sabbats und der heiligen Tage, sowie eine Ablehnung der Kindstaufe und der Dreieinigkeitslehre. Gott gebrauchte sie, um den glaubenstreuen Rest zu stärken und ein Zeugnis für die Wahrheit abzulegen, während die turbulente Protestantische Reformation über dieselben Länder hinwegfegte. 

Oswald Glaidt und Andreas Fischer trafen sich 1527 auf einer Donaureise. Beide schrieben Bücher zur Verteidigung des Sabbats. Glaidt antwortete denen, die ihn beschuldigt hatten, dass er versuche, sich das Heil zu verdienen, weil er lehrte, dass man den Zehn Geboten gehorchen müsse: "Das moralische Gesetz besagt: ‚Du sollst nicht töten.' Niemand würde ernsthaft argumentieren, dass dieses Gebot nicht mehr gültig ist, oder dass man versucht, sich durch ‚Werke' das Heil zu verdienen, wenn man davon Abstand nimmt, andere zu töten" (Daniel Liechty, Sabbatarianism in the Sixteenth Century [Sabbatarianismus im sechzehnten Jahrhundert], Seite 31). Glaidt wurde 1546 in Wien hingerichtet. Kurz vor seiner Hinrichtung sagte er zu seinen Anklägern: "Auch wenn ihr mich ertränkt, werde ich Gott und seine Wahrheit nicht verleugnen. Christus starb für mich und ich werde ihm weiterhin nachfolgen und würde auch für seine Wahrheit sterben, bevor ich sie aufgeben würde" (Seite 35). Auch Andreas Eossi, ein ungarischer Adeliger, veröffentlichte im späten sechzehnten Jahrhundert Bücher und Traktate über den Sabbat und verwandte Themen. 

Mitte des 17. Jahrhunderts wurden die Reste der Kirche in Zentraleuropa von der wieder erstarkten Katholischen Kirche immer mehr verfolgt. Diese hatte nach den Turbulenzen der Reformation die Kontrolle erneut zurückgewonnen. Wahre Christen sahen sich entweder schwerster Verfolgung ausgesetzt, oder sie mussten in eine Gegend auswandern, die ihnen mehr Freiheit zur Ausübung ihres Glaubens anbot. Das abgelegene Gebiet in den Karpaten, das zuvor schon Zufluchtsort der Reste der Waldenser gewesen war, wurde für viele zu einem Schutzgebiet. Im 18. Jahrhundert wanderten dann die meisten der Deutschen, die den Sabbat einhielten, nach Pennsylvania aus. Es gab noch einige andere Menschen, die mit der "Wiedertäuferbewegung" in Verbindung gebracht wurden, die aber andere protestantische Lehren der Reformation akzeptierten. Von diesen stammen die heutigen Gemeinden der Baptisten, Mennoniten und der Amischen ab. 

Inzwischen waren Reste der wahren Kirche nach England gekommen. Die Zeit war reif für die fünfte Etappe in der Geschichte der Kirche Gottes, gekennzeichnet durch die Gemeinde in Sardes. Die ersten eindeutigen Aufzeichnungen von den Sabbat einhaltenden Kirchengemeinden in England stammen aus den 1580er Jahren. Im frühen 17. Jahrhundert entstand eine öffentliche Debatte, ob der biblische Sabbat noch gültig sei. Ziemlich viele Bücher wurden in dieser Zeit über das Gesetz Gottes und den Sabbat geschrieben, von denen einige noch heute erhalten sind. 

John Traske war einer der ersten, die in England ein Buch über den Sabbat veröffentlicht haben. Er schrieb um 1618 und wurde dafür ins Gefängnis geworfen. Manche führen die Gründung der Mill Yard Kirche in London auf ihn zurück, die älteste bekannte Kirche, die den Sabbat hielt, die noch heute existiert und die als Mutterkirche späterer Kirchen der Sabbatarier in Amerika gilt. Auch wenn manche andere Historiker die Gründung der Mill Yard Kirche auf die 1580er Jahre zurückführen, lange vor Traskes Zeit, war er doch sicherlich zu Anfang des 17. Jahrhunderts ein Pastor dieser Kirche. John Traske wurde später verhaftet und ins Gefängnis gebracht. Dort scheint er seine Lehren widerrufen zu haben, um frei zu kommen, aber seine Frau weigerte sich, dasselbe zu tun; sie blieb der Wahrheit treu und verbrachte die restlichen 15 Jahre ihres Lebens im Gefängnis. 

1661 wurde John James, ein anderer Prediger der Kirche Gottes in der Gegend von London dafür verhaftet, dass er die Wahrheit predigte. Der Autor Ivor Fletcher schreibt in seinem Buch The Incredible History of God's True Church [Die unglaubliche Geschichte von Gottes wahrer Kirche]:

 "Mit seinen letzten Worten an das Gericht bat er es einfach, die folgenden Schriftstellen zu lesen: Jeremia 26, 14-15 und Psalm 116, 15... nach seiner Hinrichtung wurde ihm das Herz herausgenommen und verbrannt. Die vier Teile seines Körpers wurden an die Tore der Stadt gehängt und sein Kopf auf einen Pfahl in Whitechapel gesteckt mit dem Gesicht dem Ort seines Versammlungshauses abgewandt. Das war der schreckliche Preis, den manche für den Gehorsam gegenüber Gott im England des siebzehnten Jahrhunderts zu zahlen bereit waren" (Seite 176).

 Ein anderer bemerkenswerter Führer war Francis Bampfield. Eine Kopie seiner Autobiografie The Life of Shem Acher [Das Leben von Shem Acher] ist in der Bibliothek des Britischen Museums erhalten. Von 1662 bis zu seinem Tod 1683 verbrachte er den größten Teil seiner Zeit entweder im Gefängnis oder auf der Flucht vor der englischen Staatsmacht. Noch als er im Gefängnis von Dorchester inhaftiert war, strömten die Leute herbei, um ihn predigen zu hören. Zu dieser Zeit der Verfolgung geschah ein Ereignis, das weit reichende Bedeutung haben sollte: Stephen Mumford und seine Frau, Mitglieder der Kirche, zogen von England aus in die Neue Welt und erreichten 1664 Rhode Island. Am Anfang des 18. Jahrhunderts war die Kirche Gottes in England praktisch tot. Die meisten Pastoren, die am Sabbat predigten, predigten nun auch zu Gemeinden am Sonntag, um mehr Geld zu verdienen. Dieser Kompromiss blieb nicht ohne Folgen.

Die Kirche im frühen Amerika

 Als sie in Rhode Island, der einzigen amerikanischen Kolonie gegründet auf dem Prinzip der Religionsfreiheit, angekommen waren, begannen die Mumfords, sich mit Baptisten in Newport zu versammeln. Sie verschwiegen jedoch nicht ihre Glaubensansichten hinsichtlich des Sabbats. Noch im selben Jahr ihrer Ankunft, 1665, begann Tacy Hubbard, zusammen mit ihnen den Sabbat einzuhalten und wurde so die erste Bekehrte in Amerika. Kurz danach kam ihr Mann Samuel hinzu. 1671 begann die erste den Sabbat einhaltende Kirche in Amerika offiziell mit sieben Mitgliedern. William Hiscox war der erste Pastor der Kirche und diente in dieser Funktion von 1671 bis zu seinem Tod 1704. 

1708 wurde eine zweite Gemeinde in Westerly, Rhode Island (später in Hopkinton umbenannt) offiziell organisiert. Im ganzen 18. Jahrhundert scheinen Rhode Island, Pennsylvania und New Jersey die wichtigsten Gebiete von Gemeinden gewesen zu sein, die den Sabbat einhielten. In dieser Zeit kamen Einwanderer aus Deutschland nach Pennsylvania, die auch den Sabbat einhielten. Peter Miller war der bekannteste Pastor dieser Sabbatarier und ein Freund von Benjamin Franklin. 

Die Zeit der amerikanischen Revolution war schwierig für einen großen Teil von Gottes Volk. Die Geschichte dieser Zeit zeigt auch, wie geistlich tot viele der Prediger und Mitglieder waren. Einige Gemeinden waren sehr zerstritten hinsichtlich der Frage, ob man sich an politischen Entscheidungen und der Kriegführung beteiligen sollte. Jacob Davis, Pastor der Kirche Gottes in der Gemeinde Shrewsbury, New Jersey, schloss sich der kontinentaleuropäischen Armee als Kaplan an. Viele Mitglieder folgten seinem Beispiel und ließen sich rekrutieren. Ein Mitglied, Simeon Maxson widersprach dem jedoch heftig und nannte jedes Kirchenmitglied, das den fleischlichen Krieg unterstützte, ein "Kind des Teufels" (Richard Nickels, Six Papers on the History of the Church of God [Sechs Schriften über die Geschichte der Kirche Gottes], Seite 60). Wegen dieser Meinung wurde er aus der Gemeinde ausgeschlossen. 

Die Sabbatarier in der Gegend von Shrewsbury waren durch den Krieg verarmt und zerstritten. Viele siedelten nach der Revolution nach Pennsylvania um und die meisten von ihnen kamen vor 1800 nach Salem, Virginia (dem späteren West Virginia). Die Gegend um Salem wurde um etwa 1800 zu einem der größten Zentren von Gottes Volk und blieb es bis ins 20. Jahrhundert. Die Geschichte von Gottes Volk in dieser Gegend ist jedoch keine Geschichte der Einigkeit und eines großen Werkes. Es ist eine Geschichte von Spaltungen, Irrlehren und geistlicher Trägheit seitens der Mehrheit – vieles bedingt durch den Einfluss der bekannten Familie Davis, die einige der führenden Pastoren im 18. und 19. Jahrhundert hervorbrachte. Die große Mehrheit der Gläubigen scheint geistlich so tot gewesen zu sein, dass sie abtrünnigen Predigern blind in den Protestantismus folgte. 

William Davis, 1663 in Wales geboren, kam aus der Church of England zu den Quäkern, wurde dann ein Baptist. 1706 bekannte er sich zum Sabbat und wollte ein Mitglied in der Gemeinde von Newport werden. Er wurde aber wegen seines Festhaltens an anderen, falschen Lehren abgelehnt. Schließlich wurde er 1710 als Mitglied akzeptiert und 1713 autorisiert, zu predigen und zu taufen. Doch er glaubte weiterhin an die Dreieinigkeit, die Unsterblichkeit der Seele und daran, dass man "in den Himmel kommt" – völlig entgegen den Lehren der damaligen Kirche! Für den Rest seines Lebens war Davis immer wieder ausgeschlossen und dann wieder aufgenommen. "Davis spielte eine wichtige Rolle in der Gestaltung der Zukunft der sabbatarischen Baptisten" (Nickels, Seite 55). 

In den frühen Tagen machte man sich keine großen Gedanken über den offiziellen Namen der Kirche. In ihrer Korrespondenz untereinander nannten sich die Gemeinden "die Kirche Christi in Newport" oder "die Kirche Gottes, die in Piscataway lebt." Die meisten Mitglieder nannten sie einfach "die Kirche." Außenstehende bezeichneten sie als Sabbatarier oder sabbatarische Baptisten. Als die Gemeinde in Newport 1819 durch eine Urkunde einen offiziellen Status erhielt (gegründet worden war sie 1671, aber die gesetzlichen Bestimmungen hatten sich geändert), wurde sie unter dem Namen "Seventh-Day Baptist Church of Christ"[Baptistenkirche Christi des siebten Tags] registriert. 

Im Jahre 1803 wurde von acht Sabbatariergemeinden eine Generalkonferenz im Nordosten einberufen, um deren evangelistische Bemühungen zu koordinieren und in der Veröffentlichung von Literatur zusammenzuarbeiten. 1805 nahmen sie den Namen "The Sabbatarian General Conference"[Die sabbatarische Generalkonferenz] an. 1818 wurde der Name umgeändert in "Seventh-Day Baptist General Conference" [Generalkonferenz der Siebenten-Tags-Baptisten] und die Organisation schloss nun auch Sabbatariergemeinden außerhalb des Nordostens ein. 

Die Kirche durchlief viele Veränderungen. Wir können eine Entwicklung von einer Position gegen die Dreieinigkeit hin zu einer Befürwortung erkennen, die von Familie Davis und anderen gefördert wurde. Eine Erklärung von 1811 hielt sich noch an die traditionelle Lehre der Kirche und besagte, "dass die sabbatarischen Baptisten glauben, dass der heilige Geist die wirkende Kraft oder der Geist Gottes ist ... es gibt einige ... die glauben, dass der Vater, der Sohn und der heilige Geist drei absolut getrennte Personen sind, gleichwertig ... und doch ein Gott" (Nickels, Seite 91). Nur 22 Jahre später, im Expose of Sentiments [Darstellung der Ansichten] von 1833, war die offizielle Position dann jedoch: "Wir glauben, dass es eine Union zwischen dem Vater, dem Sohn und dem heiligen Geist gibt, und dass alle gleichermaßen göttlich sind und gleichermaßen berechtigt, von uns angebetet zu werden" (Nickels, Seite 91). Noch 1866 wurde festgehalten, dass manche Prediger immer noch eine starke Abneigung dagegen hatten, das Wort "Dreieinigkeit" zu gebrauchen. 

In dieser Zeit hatten sich viele Prediger und Mitglieder so weit von der Wahrheit entfernt, dass sie nun einfach Protestanten waren, die sich am Samstag versammelten. Die Ausgabe der Zeitung Westerly Sun vom 18. November 1983 beschrieb die Gedenkfeier der ältesten den Sabbat einhaltenden Kirche in den Vereinigten Staaten mit dieser Überschrift: "Kirche feiert 275jähriges Bestehen gekennzeichnet durch Veränderung." In diesem Artikel stand: "Kirche wird dieses Wochenende ihr 275jähriges Bestehen feiern – eine Zeitspanne, die trotz ihrer Gewohnheit, den Sabbat einzuhalten, von Veränderungen durch den Druck der Gesellschaft geprägt war." 

Die Veränderungen, die stattgefunden haben, waren durch ein beständiges Abrücken von der Wahrheit und eine Bewegung hin zum traditionellen Protestantismus gekennzeichnet. Die Gebäude der Siebenten-Tags-Baptisten in Rhode Island haben vor langer Zeit aufgehört, die lebendige Kirche Gottes zu beherbergen. Heute sind es nur noch alte Gebäude, Museen, die davon zeugen, dass früher dort einmal die Wahrheit gelehrt und das Werk Gottes weitergeführt wurde. Die Gemeinden, die sich nun dort versammeln, glauben an die Dreieinigkeit, feiern Weihnachten und Ostern und sind sogar dazu übergegangen, einigen der alten Gebäude Kirchtürme – klare heidnische Symbole – hinzuzufügen. 

Während sich die Mehrheit der Sabbatarier immer weiter von der Wahrheit entfernte, gab es noch einzelne Mitglieder und Gemeinden, die glaubenstreu blieben. Wir finden Aufzeichnungen der South Fork Church in West Virginia, die im frühen 19. Jahrhundert das Passah einhielt und kein unreines Fleisch aß. Diese kleine Gruppe musste sich aus der "Gemeinschaft der Generalkonferenz und aller anderen Organisationen der Siebenten-Tags-Baptisten wegen Unterschiede in der Lehre zurückziehen" (Nickels, Seite 68). In den 1870er Jahren war eine neue Generation herangewachsen und letztendlich hatten die meisten aus der South Fork Church die Organisation der Siebenten-Tags-Baptisten akzeptiert. 

Eine andere Gruppe, die sich Church of God at Wilbur [Kirche Gottes in Wilbur] nannte, war 1859 von dem Ältesten J. W. Niles aus Pennsylvania organisiert worden. Sie funktionierte noch in den 1930er Jahren und Andrew Dugger nannte sie in seinem Buch A History of the True Religion [Eine Geschichte der wahren Religion] "die älteste wahre Kirche Gottes, die jetzt noch im Staat West Virginia existiert" (Seite 311).

Die Bewegung der Adventisten

 In den 1830er Jahren entstand aus den Reihen der protestantischen Kirchen im Westen New Yorks eine Bewegung, die sich auf die Rückkehr Jesu Christi zu dieser Erde und auf die Errichtung eines tatsächlichen Reiches konzentrierte. Diese Botschaft, die zur damaligen Zeit erstmals von William Miller gepredigt wurde, unterschied sich gänzlich von der akzeptierten Lehre der Protestanten. Seine Lehren über die Prophezeiungen erweckten großes Interesse und ihm wurde zunehmende Aufmerksamkeit zuteil, als sich das von ihm vorhergesagte Jahr für die Rückkehr Christi, 1844, näherte. Doch nach dem, was "die große Enttäuschung" genannt wurde, machte sich Verwirrung unter diesen protestantischen Adventisten breit. Von den traditionellen Protestanten ausgelacht wurden manche so entmutigt, dass sie die Religion gänzlich aufgaben. Andere suchten weiter in der Schrift, um zu sehen, wo sie sich geirrt hatten. 

Frederick Wheeler war ein Prediger der Methodisten in Washington, New Hampshire, der die Botschaft der Adventisten von Christi zweitem Kommen und der Errichtung seines Reichs angenommen hatte. Anfang 1844 hatte er einen Besucher in seiner Gemeinde, Frau Rachel Oakes, Mitglied der Gemeinde der Siebenten-Tags-Baptisten in Verona, New York, die ihre Tochter besuchte. 

Als sie hörte, wie Herr Wheeler seine Gemeinde dazu aufrief, Gott in allen Dingen zu gehorchen und seine Gebote zu befolgen, konfrontierte Frau Oakes ihn nach der Versammlung mit der Wahrheit, dass die Einhaltung des Sabbats eine wichtige Rolle im Gehorsam gegenüber den Geboten spielt. Er war darauf nicht vorbereitet und versprach, das Thema zu studieren. Innerhalb von ein paar Wochen war er von der Wahrheit über den Sabbat überzeugt und begann, darüber zu predigen. Die Wahrheit über den Sabbat verbreitete sich unter den enttäuschten Adventisten wie ein Lauffeuer. Hunderte anderer reagierten ebenfalls auf die einfache Wahrheit über das wahre Evangelium und den Gehorsam gegenüber allen Geboten Gottes. 

In diese Gemeinschaft eifriger, den Sabbat haltender Adventisten kam Roswell Cottrell, ein langjähriger Prediger und Sabbatarier. Seine Familie gehörte zu den frühesten Mitgliedern der Kirche Gottes in Rhode Island, aber die Familie zog sich wegen anderer Auffassungen in der Lehre aus der damals so genannten Kirche der Siebenten-Tags-Baptisten zurück. Es war die Zeit, in der solche Änderungen wie die Dreieinigkeit und die Unsterblichkeit der Seele als offizielle Lehren der Siebenten-Tags-Baptisten anerkannt wurden. Etwa 15 Jahre nach seinem Zusammentreffen mit den sabbatarischen Adventisten fand er sich erneut in einer Kontroverse wieder. Der Älteste James White, der zum leitenden Führer unter den sabbatarischen Adventist Churches of God aufgestiegen war, setzte sich für eine organisatorische Konferenz und den offiziellen Namen Seventh Day Adventist Churchein. Manche widersetzten sich der Änderung, die sie als unbiblisch ansahen, und weigerten sich, den Visionen seiner Frau, Ellen G. White, Glauben zu schenken. Roswell widersetzte sich ebenfalls den organisatorischen Bestrebungen von James White. Er schrieb in Review and Herald am 3. Mai 1860: "Ich glaube weder an Papismus noch an Anarchie; aber an biblische Ordnung, Disziplin und an Regierung in der Kirche Gottes" (Nickels, Seite 162). 

Auf einer Konferenz in Battle Creek, Michigan, im Oktober 1860 verwarfen die Anwesenden mit großer Mehrheit den Namen "Church of God" und nahmen den Namen Seventh-Day Adventist als den Namen an, der ihren Glauben beschrieb. Dieser Name wurde von den Whites durchgesetzt. Frau Whites Visionen wurden zunehmend als "neue Wahrheiten" für die Kirche verkündet. 

In den 1860er Jahren wurde die Trennung zwischen der Mehrheit, die den Whites nachfolgte, und dem zerstreuten Rest, der es nicht tat, immer deutlicher. Während des Bürgerkriegs bezogen Mitglieder der Kirche Gottes einen klaren Standpunkt als Kriegsdienstverweigerer, im Gegensatz zu den Siebenten-Tags-Adventisten unter der Führung der Whites. Eine Delegation der Kirche Gottes traf sich 1863 mit Präsident Abraham Lincoln und erwirkte den Status als Kriegsdienstverweigerer für junge Männer in der Kirche. 

Ein Zitat aus einem Rundbrief von Gläubigen in Marion, Iowa, der am 7. September 1864 in The Hope of Israel [Die Hoffnung Israels] veröffentlicht wurde, gibt einen Einblick, was damals geschah:

 "Am 10. Juni 1860 haben etwa 50 von uns eine Art Abkommen für die Kirche angenommen, das von [M.E. Cornell] ausgearbeitet wurde... Fast eineinhalb Jahre später hielt derselbe Redner öffentlich andere Bücher neben der Bibel in die Höhe ... und drängte uns, deren Lehren ebenfalls im Glauben und Gehorsam anzuerkennen. Ein Teil von uns war nicht bereit, diese neuen Pfeiler im Fundament unserer Kirche anzunehmen... Das Ergebnis war, dass sich etwa die Hälfte der Kirche entschied, diese Bücher als gleichberechtigte heilige Schriften anzuerkennen und sich von uns zurückzog, oder vielmehr uns aus ihrer Mitte verdrängte, indem sie uns als Rebellen bezeichnete... . Weil man uns als Rebellen ansieht, verkünden wir hiermit in aller Deutlichkeit, dass wir keine Rebellen sind. Wir haben nicht gegen die Verfassung rebelliert, die wir einst angenommen haben, denn wir stehen fest dazu... Die Anklage der Rebellion richtet sich also in schändlicher Weise gegen diejenigen, die sie geäußert haben, weil sie es sind, die sich von ihrer ersten Position entfernt und eine neue angenommen haben" (Robert Coulter, The Story of the Church of God Seventh Day[Die Geschichte der Kirche Gottes des Siebenten Tags], Seite 16).

 Im August 1863 ging zum ersten Mal eine kleine Kirchenzeitung genannt The Hope of Israel [Die Hoffnung Israels] im Staat Michigan in Druck. Sie begann mit weniger als vierzig Abonnenten. 1866 wurde sie nach Marion, Iowa, verlegt und 1888 schließlich nach Stanberry, Missouri. Im Laufe der Jahre gab es viele Veränderungen. Schließlich wurde die Zeitung The Bible Advocate [Verfechter der Bibel] genannt. 

Eine der herausragendsten Persönlichkeiten der Kirche Gottes in dieser Zeit was Jacob Brinkerhoff. Er war von 1871 bis 1887 und nochmals von 1907 bis 1914 Herausgeber der Zeitung. 1874 kam A. E. Dugger aus Nebraska hauptamtlich in den Predigerdienst der Kirche Gottes. Von den 1870er Jahren bis zur Zeit vor dem ersten Weltkrieg trugen die Ältesten Brinkerhoff und Dugger viele Artikel zur Zeitung bei, in denen sie die Lehren der Kirche klärten und festigten. Artikel über Prophezeiungen, reines und unreines Fleisch, die Gabe des Zehnten, die richtige Einhaltung des Passahs und über die Bedeutung des Begriffs "wiedergeboren" wurden gedruckt. 

Schon 1866 schrieb man in Artikeln über Prophezeiungen, dass die Juden in ein Heimatland in Palästina zurückkehren würden. Es wurden einige Wahrheiten wieder hergestellt und gelehrt, aber insgesamt waren die Bemühungen der Kirche schwach und man erreichte nur wenige Menschen, hauptsächlich in den ländlichen Gebieten des mittleren Westens der USA. 

Die Phase der Kirchengeschichte, die wir in diesem Kapitel betrachtet haben, wird am besten mit Christi Botschaft an die Gemeinde in Sardes beschrieben, wie sie in Offenbarung 3, 1-6 niedergeschrieben ist. Dieser Kirche wurde gesagt, dass sie dem Namen nach lebte, in Wirklichkeit aber geistlich tot sei. "Werde wach und stärke das andere, das sterben will" (Offenbarung 3, 2). Während die Kirche als Ganzes geistlich träge oder gar tot war, gab es einige Wenige, von denen Christus sagte, dass sie "ihre Kleider nicht besudelt haben; die werden mit mir eingehen in weißen Kleidern, denn sie sind's wert" (V. 4).

[Inhalt]

Kapitel 5 – Zersplitterungen, Spaltungen und ein Neuanfang

 Das zwanzigste Jahrhundert war eindeutig die Zeit der schnellsten Veränderungen in der Menschheitsgeschichte. Das Jahrhundert begann mit Kutschen als hauptsächlichen Fortbewegungsmitteln. Dennoch erreichten die Menschen innerhalb von 70 Jahren den Mond! Es gab in diesem Jahrhundert zwei Weltkriege sowie die Einführung von Massenvernichtungswaffen. Zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte war es möglich, alles Leben von diesem Planeten auszulöschen, so wie es Jesus Christus vorhergesagt hatte (Matthäus 24, 22). 

Eine andere Prophezeiung, die in einzigartiger Weise diese Endzeit charakterisiert, ist, dass das wahre Evangelium vom Reich Gottes in aller Welt zum Zeugnis gepredigt werden wird – und dann wird das Ende kommen (Vers 14).

Das erste Viertel des 20. Jahrhunderts

 Am Anfang des 20. Jahrhunderts war die Kirche Gottes klein und zerstreut, mit weniger als 1000 Mitgliedern, die hauptsächlich im mittleren Westen der USA wohnten. Die Generalkonferenz der Kirche Gottes wurde 1900 zu einer gesetzlich registrierten Organisation in Missouri. Im selben Jahr wurde der Name der Kirchenzeitung geändert und sie hieß nun, wie im letzten Kapitel erwähnt, The Bible Advocate

Im Jahre 1903 starb Gilbert Cranmer im Alter von 89 Jahren, ein Prediger seit den 1850er Jahren und einer derjenigen, die die Kirche nach der Trennung von den Siebenten-Tags-Adventisten in den 1860er Jahren maßgeblich mit aufgebaut hatte. Alexander Dugger, der bereits von Anfang an die Führung der Generalkonferenz innehatte und als Herausgeber von The Bible Advocate tätig gewesen war, starb ebenfalls. Ein dritter glaubenstreuer Pionier, Jacob Brinkerhoff, starb 1916. Er war zu verschiedenen Zeiten zwischen 1871 und 1914 Herausgeber des Advocate gewesen. Herr Brinkerhoff war von vielen als herausragendster Führer der Kirche in seiner Zeit angesehen worden. "Jacob Brinkerhoff hatte der Kirche Gottes über 40 Jahre gedient... Anstatt 1874 ein Haus zu kaufen, benutzte Brinkerhoff das Geld, um Druckmaschinen für den Advent and Sabbath Advocate [Verfechter der Wiederkunft und des Sabbats] zu kaufen... Es scheint, als habe er eigenhändig den völligen Zusammenbruch des Werkes verhindert" (Richard Nickels, History of the Seventh Day Church of God, Seite 85). 

Andrew N. Dugger, der Sohn von Alexander Dugger, begann 1906 sein Predigtamt in der Kirche Gottes. Als Jacob Brinkerhoff sich 1914 als Herausgeber von The Bible Advocate zurückzog, wurde Andrew Dugger Präsident der Generalkonferenz und Herausgeber. "In seinem Amt als Präsident und Herausgeber übte Dugger großen Einfluss in der Kirche aus. Unter Duggers Führung erlebte die Kirche Gottes in der Anfangsphase eine Periode schnellsten und größten Wachstums" (Coulter, Seiten 41-42). Andrew Dugger behielt die Leitung der Kirche von Juni 1914 bis 1932. 

Das Thema der Organisation und Regierungsform war schon lange Zeit eine Quelle gegensätzlicher Ansichten in der Kirche Gottes gewesen. Andrew Dugger erkannte, dass mit dem mageren Einkommen, das dem Hauptquartier in Stanberry, Missouri, zufloss (weniger als $1000,- im Jahre 1917), kein nennenswertes Werk vollbracht werden konnte, und er unternahm Schritte, um dies zu ändern. Er ließ 1922 eine Umfrage unter den Mitgliedern durchführen, um herauszufinden, wie viel Zehnten diese im vergangenen Jahr gezahlt hatten und an wen. Es stellte sich heraus, dass ein Großteil der Zehnten von den einzelnen Predigern eingesammelt wurde, und dass ein bestimmter Prediger den "Löwenanteil" einbehielt, obwohl er wenig tat. Also wurde festgesetzt, dass alle Zehnten an die Konferenzen im jeweiligen Staat zu zahlen waren, und dass ein Zehnter dieses Zehnten an die Generalkonferenz weiterzugeben war. 1923 sprang das Einkommen der Generalkonferenz in Stanberry auf über $18000,-. 

Etwa um 1904 kam G. G. Rupert als Prediger zur Kirche Gottes. Herr Rupert war zuvor als Prediger bei den Siebenten-Tags-Adventisten tätig gewesen und hatte Gemeinden in Südamerika gegründet. Nach einigen Jahren, in denen sich unterschiedliche Auffassungen in den Lehren vergrößerten, verließ er 1902 die Adventisten. Unter anderem hatte Herr Rupert verstanden, dass der Sabbat und die jährlichen heiligen Tage für die neutestamentliche Kirche bindend sind. 1913 veröffentlichte Jacob Brinkerhoff in The Bible Advocate eine Artikelserie von G. G. Rupert zum Thema Gesetz Gottes, worin dieser die Meinung vertrat, dass die heiligen Tage aus 3. Mose 23 für die neutestamentliche Kirche bindend sind. Obwohl die Kirche in den Vereinigten Staaten seinen Lehren wenig Aufmerksamkeit schenkte, folgten viele der Gemeinden in Südamerika, die er gegründet hatte, nicht nur seinem Beispiel, die Adventisten zu verlassen, sondern sie fingen auch an, die heiligen Tage einzuhalten. Wegen Meinungsverschiedenheiten zwischen Herrn Dugger und Herrn Rupert in Bezug auf die Lehre, insbesondere hinsichtlich der Organisations- und Regierungsform der Kirche, machte Herr Rupert als "unabhängiger" Prediger der Kirche Gottes weiter und veröffentlichte seine eigene Zeitschrift,The Remnant of Israel [Die Übrigen von Israel], bis zu seinem Tod 1922.

Die 1930er und 1940er Jahre – ein Neuanfang

 Die späten 20er und frühen 30er Jahre hatten durch politische Streitigkeiten und unterschiedliche Lehrmeinungen eine beinahe gelähmte Kirche Gottes zurückgelassen. Die Konferenz der Kirche von 1929 war von deutlicher Verwirrung und Meinungsverschiedenheiten gekennzeichnet. Kontroverse Themen waren die Bezeichnung "wiedergeboren," reines und unreines Fleisch, der Genuss von Tabak, das Datum des Passahs (14. oder 15. Nisan) und das Wirken des heiligen Geistes (Pentecostalismus). Die Zahl Neubekehrter war verschwindend gering und das Werk der Kirche kam praktisch zum Erliegen. 

Zu diesem Zeitpunkt, im Herbst 1926, verband sich das Leben von Herbert W. Armstrong mit der Geschichte der Kirche Gottes. Herrn Armstrongs Predigttätigkeit hatte ohne Zweifel größeren Einfluss auf mehr Menschen als das Wirken jedes anderen Predigers der Kirche Gottes seit dem ersten Jahrhundert. Von seiner Frau hinsichtlich des wahren christlichen Sabbattags konfrontiert und gleichzeitig von seiner Schwägerin mit Fragen über die Evolutionstheorie herausgefordert, begann Herr Armstrong ein sechs Monate dauerndes, intensives Bibelstudium. Im Frühling 1927 verstand er, dass vieles von dem, was ihm beigebracht worden war, als er aufwuchs, nicht der biblischen Wahrheit entsprach. Er lernte, dass sowohl der Siebenten-Tags-Sabbat, als auch Gottes jährliche heilige Tage von Christen heute noch eingehalten werden müssen! 

Im Anschluss an dieses intensive Bibelstudium fragte sich Herr Armstrong: "Wo ist die wahre Kirche?" Schließlich versammelte er sich mit Gläubigen der Kirche Gottes in Willamette Valley, Oregon, weil er glaubte, dass diese mehr Wahrheiten beibehalten hatten, als jede andere Gruppe. 

1928 begann Herr Armstrong, Artikel zur Veröffentlichung in The Bible Advocate einzureichen. Da es in Oregon zu jener Zeit keinen Pastor gab, baten die Gläubigen in Eugene ihn öfters, zu der Gemeinde zu sprechen. Im Juni 1931 wurde Herr Armstrong von der Konferenz der Kirche Gottes in Oregon zum Prediger ordiniert und begann damit ein Predigtamt, das fast 55 Jahre andauerte! 

Inzwischen entstanden für die Kirche Gottes als Ganzes Schwierigkeiten. Auf der Generalkonferenz vom August 1933 verlor Andrew Dugger, der die Kirche die vergangenen 20 Jahre geleitet hatte, seine Position bei einer Abstimmung mit einer Stimme zu wenig. Dadurch brach eine Krise an, die die Kirche in zwei Hälften spaltete. "Auf der einen Seite setzten sich Andrew Dugger und andere für eine ‚Reorganisation' der Kirchenverwaltung, für reines Fleisch, keinen Tabakgenuss und für das Passah am 14. Nisan ein. Auf der anderen Seite führte Burt F. Marrs eine Gruppe von ‚Unabhängigen' an, die für den Genuss von Schweinefleisch und Tabak waren und glaubten, das Passah müsse am 15. Nisan gefeiert werden. Das Thema, an welchem Tag das Passah gefeiert werden solle, wurde in dieser Zeit der Spaltung drei Tage lang diskutiert" (Nickels, Seite 151). Andrew Dugger zog sich von der Generalkonferenz der Kirche Gottes in Stanberry zurück und berief im November 1933 eine Versammlung ein, um die Kirche in Salem, West Virginia, neu aufzubauen. Eine neue Organisationsstruktur wurde eingeführt mit "zwölf Aposteln", "siebzig Ältesten" und "Sieben", die für die Finanzen zuständig waren. 

Die Ämter wurden ausgelost, anstatt durch Abstimmung vergeben zu werden. Herr Armstrong aus Oregon wurde als einer der "Siebzig" ausgewählt. Er und die meisten der Gläubigen in Oregon verließen die Organisation in Stanberry und schlossen sich nun der Organisation mit Hauptsitz in Salem an. Obwohl Herr Armstrong kein Gehalt von Salem bezog, nahm er die von dort angebotene Anerkennung als Prediger an und reichte monatliche Berichte über seine Tätigkeit als Prediger ein. 

"Die Spaltung der Church of God (Seventh Day) war für die Mitglieder und die Leitung sehr betrüblich. Viele Mitglieder und mögliche zukünftige Mitglieder wurden von den häufigen Angriffen der Kirchen gegeneinander entmutigt. Manchmal änderten Prediger ihre Zugehörigkeit zu einer Organisation und verwirrten ihre Gemeinde. In anderen Fällen wurden Mitglieder zum Spielball zwischen zwei Predigern, die um deren Loyalität und Unterstützung buhlten. Der Mitgliederzuwachs der 1920er Jahre wurde in den 1930er und 1940er Jahren nicht einmal annähernd erreicht" (Coulter, Seite 55). Tatsächlich sank die Mitgliederzahl sogar in dieser Zeit. 

In der Zeit, in der all dies geschah, wurde das Fundament für ein Werk Gottes gelegt, das eine nie da gewesene, weltweite Wirkung haben sollte. Anstatt seine Energie mit politischen Rangeleien innerhalb der Kirche zu vergeuden, begann Herr Armstrong eine regelmäßige wöchentliche Radiosendung, um der Welt das Evangelium zu verkünden. Das Programm wurde "Radio Church of God" genannt und zuerst von dem Sender KORE, einer 100-Watt-Station in Eugene, Oregon, ausgestrahlt. Das Radioprogramm begann am ersten Sonntag im Januar 1934, und im Februar begann Herr Armstrong mit der Verbreitung einer mimeografisch vervielfältigten "Zeitschrift" mit dem Titel The Plain Truth [Die reine Wahrheit], die an etwa 200 Abonnenten verschickt wurde. Zu dieser Zeit erkannte er noch nicht, dass Christus ihn gebrauchen würde, um das sechste Zeitalter der Kirche zu beginnen, versinnbildlicht durch die Kirche in Philadelphia (Offenbarung 3, 7-13). 

Zusätzlich zu den wöchentlichen Radiosendungen führte Herr Armstrong evangelistische Kampagnen in der näheren Umgebung durch. Obwohl auf Grund dieser Bemühungen einige Gemeinden gegründet wurden, zerfielen diese meist wieder oder gingen zu anderen Organisationen, weil es keine glaubenstreuen und engagierten Pastoren gab, um sie zu betreuen. In dieser Zeit kam Herr Armstrong zunehmend mit dem Hauptsitz in Salem in Konflikt wegen seiner Lehren über die Identität Israels und über die jährlichen Sabbate. Obwohl Andrew Dugger in einem privaten Brief eingestanden hatte, dass Herrn Armstrongs Lehre von den "verlorenen zehn Stämmen" richtig sei, lehnte Herr Dugger es ab, einen Artikel zu diesem Thema in The Bible Advocate abzudrucken. 

Schließlich spitzte sich das Thema der heiligen Tage 1937 zu. Es folgt ein Zitat aus dem Sitzungsprotokoll eines Treffens des Rats der zwölf Apostel der Church of God (Seventh Day) aus Salem, West Virginia, in Detroit, Michigan, vom 5. bis 10. Mai 1937: "7. Mai, 13:00 Uhr. Lesen des Briefs von dem Ältesten Armstrong an die Zwölf. Lesen von jedem Artikel des Ältesten Armstrong in Abschnitten von 20 Minuten über die Tage der Ungesäuerten Brote, das Passah, Pfingsten, Laubhüttenfest, usw. ... jeweils gefolgt von einer Diskussion der Ältesten über das Pro und Kontra. Eine Entscheidung wurde gefällt, wie in der folgenden Erklärung festgehalten: ‚Insofern manche die Gemeinden beunruhigt haben und lehrten, dass sie das Fest der Ungesäuerten Brote und die jährlichen Sabbate einhalten sollten ... bestätigen wir die Lehren der Kirche Gottes in diesem Punkt ... dass wir keinen solchen Brauch befolgen'" (John Kiesz, History of the Church of God [Geschichte der Kirche Gottes], Seite 180). Aus den offiziellen Aufzeichnungen, die von Virginia Royer von der Buchführung des Church of God Publishing House in Salem bereitgestellt wurden, geht hervor: "Es war 1938, als Herr Armstrong gebeten wurde, seine Anerkennung als Prediger zurückzugeben, weil er entgegen der Kirchenlehre predigte" (Seite 180). 

Obwohl Herr Armstrong nach 1938 keine Anerkennung als Prediger von der Church of God (Seventh Day) mehr besaß, lehrte und predigte er energischer als je zuvor. Wie in der Zeitschrift Good News [Gute Nachrichten] vom April 1939 berichtet, erreichte die wöchentliche Radiosendung bereits 100.000 Zuhörer im pazifischen Nordwesten. Es war das gleiche Jahr, in dem das erste achttägige Laubhüttenfest in Eugene, Oregon, mit einer Anwesenheit von 42 Personen gefeiert wurde. (Von 1933 bis 1938 hatten Versammlungen nur an den heiligen Tagen stattgefunden). Neben Herrn Armstrong waren noch andere Älteste der Kirche Gottes, wie John Kiesz, Gastredner am Laubhüttenfest bis etwa 1945. 

Mitte 1942 wurde der Name der Radiosendung von "Radio Church of God" in "The World Tomorrow" [Die Welt von Morgen] umgeändert, und versuchsweise wurden für eine Zeit täglich Sendungen im Gebiet von Los Angeles ausgestrahlt. Im Spätsommer 1942 kamen über 1700 Besucher zu einer evangelistischen Kampagne, die Herr Armstrong im Biltmore Theater in Los Angeles abhielt. Das Werk, das Gott durch Herrn Armstrong durchführte, wuchs und brachte erste Früchte. Im August 1942 wurde The World Tomorrow mit einer Sonntagssendung über den Sender WHO in Des Moines in den ganzen USA ausgestrahlt. 1943 kam der Sender WOAI in San Antonio dazu. 1944 erreichte die Auflage der Plain Truth bereits 35.000 Exemplare. 

Während die Wirkung des Werkes, das Gott durch Herrn Armstrong leistete, stetig wuchs, gab es bei der Church of God (Seventh Day) weitere Spaltungen und Trennungen mit mehr und mehr unabhängigen Gemeinden und Predigern. Es gab Versuche zur Einheit, die darauf hinliefen, dass sich schließlich 1949 die Gruppen in Salem und Stanberry wieder zusammenschlossen. Doch diese Vereinigung selbst verursachte wiederum weitere Abspaltungen und 20 Jahre später, 1969, hatte die Hauptpublikation dieser Kirche, The Bible Advocate, nur noch eine Auflage von etwas über 2000 Exemplaren. Die Church of God (Seventh Day)repräsentierte die letzte Phase dessen, was in Offenbarung 3 als die Gemeinde in Sardes beschrieben ist. Erinnern wir uns: Sie wurde als geistlich tot beschrieben, obwohl es einige gab, die in weißen Kleidern mit Christus einhergehen werden.

Offene Türen und dramatisches Wachstum

 1946 begann Gott, die Radio Church of God und das Werk, das durch Herrn Armstrong getan wurde, für dramatisches Wachstum neu zu positionieren. Angesichts der Notwendigkeit täglicher Radioübertragungen (für die Hollywood mit seinen technischen Ausrüstungen bestens geeignet war) und weil Herr Armstrong die Notwendigkeit für ein College zum Training gebildeter und glaubenstreuer Prediger erkannte, erwog er den Umzug nach Südkalifornien. Er fand ein geeignetes Gelände in Pasadena und trat in Verhandlungen zum Kauf ein. 

Zu dieser Zeit unternahmen Herr und Frau Armstrong auch eine Reise nach Europa, um zu ermitteln, ob dort möglicherweise ein europäischer Zweig dieses Colleges eröffnet werden könnte, um Prediger für ein weltweites Werk heranzubilden. Keiner konnte Herrn Armstrong nachsagen, dass er in zu kleinen Maßstäben gedacht hätte! Doch die meisten Menschen hätten seine Idee als völlig unrealistisch abgetan. Schließlich waren beim Laubhüttenfest 1946 in Belknap Springs nur 50 Personen anwesend! Es gab noch nicht einmal ein College in Amerika, das seine Tätigkeit aufgenommen hatte – nur große Träume und ein heruntergekommenes Gelände mit zwei Gebäuden, die Herr Armstrong zu kaufen versuchte. Andere in der Kirche Gottes und außerhalb redeten von der Zeit, "wenn all dies zusammenbricht." Doch Herr Armstrong hatte – weit mehr als alle anderen Führer in der Kirche Gottes seiner Zeit – die Vision und die Fähigkeit, im großen Maßstab zu denken. Im Herbst 1947 wurde das Ambassador College mit vier Studenten und acht Lehrern eröffnet. Erweiterungen und ein europäischer Zweig des Colleges mussten warten – eine kleine Weile. 

1949 unternahmen die Studenten von Ambassador College erstmals eine Reise durch die ganzen Vereinigten Staaten, um Personen zu besuchen, die sich taufen lassen wollten. Viele Früchte dieser frühen Taufbesuche spiegelten sich in einem sprunghaften Anstieg der Besucherzahlen beim Laubhüttenfest wider, von 150 Personen im Jahr 1951 auf 450 Personen im Jahr 1952. Im Dezember 1952 ordinierte Herr Armstrong die ersten Evangelisten dieser Phase in der Kirche Gottes: Richard Armstrong, Raymond Cole, Herman Hoeh, C.Paul Meredith, und Roderick C. Meredith. Im Februar 1953 kamen Marion und Raymond McNair hinzu, was die Zahl auf sieben brachte. Es begann eine Zeit beschleunigten Wachstums und schneller Entwicklung im Werk. 

Als die ersten zwei Klassen von Ambassador College Studenten die Ausbildung abgeschlossen hatten, wurde eine weiterführende Schule für Theologie aufgebaut. Herr Armstrong benutzte diese weiterführende Schule für Theologie, um auf einige Themen genauer eingehen zu können – insbesondere auf die Wesensart Gottes und die Bestimmung des menschlichen Lebens. 

Die Kirche Gottes war in ihrer gesamten Geschichte gegen die Dreieinigkeitslehre und hat nie die Formulierungen der frühen katholischen Kirchenräte als Glaubensrichtlinien für Christen anerkannt. Doch in der Neuzeit haben Herr Armstrong und andere Prediger erst im Frühjahr 1953 ein klares Verständnis für die biblischen Lehren entwickeln können, dass Gott eine Familie ist, in die bekehrte Menschen bei der Auferstehung hineingeboren werden. Zunächst versuchten sie, dieses Verständnis anhand der Bibel zu widerlegen. Stattdessen fanden sie aber überall in Gottes Wort diese bedeutsame Wahrheit bestätigt. Obwohl dieses Verständnis schon in vielen früheren Lehren klar enthalten war, fanden Herr Armstrong und andere es schwierig, diese einfache – und doch tiefgründige und atemberaubende – Wahrheit zu akzeptieren. Diese zentrale Lehre der Bibel – dass wir in die Familie Gottes hineingeboren werden können – ist vielleicht die größte einzelne Wahrheit, die Gott durch Herrn Armstrong wieder der Kirche Gottes offenbart hat. 

Die Verkündigung des Evangeliums machte 1953 zwei große Schritte vorwärts. Das Jahr begann damit, dass sich dem Werk eine der bedeutsamsten Türen in der Geschichte öffnete. Am 1. Januar begann Radio Luxemburg – zu der Zeit die stärkste Radiostation der Welt – mit der Ausstrahlung des Programms The World Tomorrow [Die Welt von Morgen] in Europa. Außerdem erhielt Herr Armstrong Zeit für eine tägliche Radiosendung über das gesamte ABC Radio Network in den USA. 

Im Februar 1953 eröffnete Richard Armstrong (Herrn Armstrongs ältester Sohn, der 1958 bei einem Autounfall ums Leben kam) ein Postbüro in London. 1954 führte Herr Armstrong, begleitet von seiner Frau Loma, von Richard Armstrong und von Roderick C. Meredith, evangelistische Kampagnen in Großbritannien durch. 1956-57 kam Herr Meredith zurück, um weitere Kampagnen durchzuführen. Wieder in den USA wurde er 1958 zum stellvertretenden Vizepräsidenten der Kirche ernannt. 

Im Mai 1959 kündigte Herr Armstrong an, dass Hr. Meredith eine Serie von Veranstaltungen in Großbritannien durchführen würde. Herr Armstrong schrieb an die britischen Leser: "Herr Meredith ist in alles eingeweiht, äußerst aufrichtig... Er wird Ihnen Dinge sagen, die Sie aus keiner anderen Quelle erfahren können... Sie werden schockiert sein, überrascht – Sie werden an einem Abend dieser Veranstaltungen mehr von der Wahrheit erfahren, als die meisten Menschen durch das Predigen in der heutigen Zeit in vielen Jahren lernen!" (19. Mai 1959). Im Oktober 1960 wurde das zweite College in Bricket Wood, England, eröffnet und ein drittes College kam 1964 in Big Sandy, Texas, hinzu. 

In dem Maße, wie die Zahl verfügbarer Prediger stieg, um Taufanwärter zu besuchen und Gemeinden zu betreuen, stieg auch die Ernte, die das Werk einbrachte. Die Besucherzahlen beim Laubhüttenfest sprangen von 750 im Jahre 1953 auf über 2000 im Jahre 1957. 1961 waren es bereits fast 10.000 und 1967 über 40.000 Personen. Die Auflage der Plain Truth überstieg 1964 die Grenze von einer halben Million und erreichte 1967 eine volle Million. Ende der 60er Jahre wurde die Radiosendung The World Tomorrow täglich ausgestrahlt und von vielen Millionen Menschen auf der ganzen Welt gehört. Im Hinblick auf die weltweite Explosion des Interesses an Gottes Wort wurde 1967 der gesetzlich eingetragene Name der Organisation von "Radio Church of God" in "Worldwide Church of God" umgeändert. 

In dieser Hochphase der 60er Jahre diente Garner Ted Armstrong (der jüngere Sohn von Herrn Armstrong) als Hauptsprecher von The World Tomorrow und als Vizepräsident der Kirche. Dr. Roderick C. Meredith (der im Januar 1966 den Doktortitel für Theologie von der Ambassador College Graduate School of Theology erhalten hatte), wurde zum Direktor über die Pastoren in den USA ernannt. 

1967 starb Frau Loma Armstrong im Alter von 75 Jahren. Ende der 60er Jahre zeichneten sich bereits künftige Probleme für das Werk ab. 

Im Januar 1972 wurde die Kirche durch die Entbindung Garner Ted Armstrongs von seinen Pflichten erschüttert. Vier Monate später wurde er wieder eingesetzt. In den 70er Jahren erlebte die Kirche wie Amerika als Ganzes das Aufkommen eines zunehmend liberalen, freizügigen Denkens. Einige Pastoren und Mitglieder verließen 1974 die Kirche. Zunehmende Verwirrungen hinsichtlich der Lehren der Kirche in Verbindung mit Gerüchten von Skandalen griffen das Werk an. Nach seiner Erholung von einem massiven Herzinfarkt 1977 entband Herr Armstrong im Frühjahr 1978 endgültig seinen Sohn von seinen Pflichten und schloss ihn im Juni aus der Kirche aus. 

Im Januar 1979 wurde die Kirche zeitweise von Übernahmebestrebungen durch den Staat Kalifornien erschüttert. Herr Armstrong setzte von Tucson, Arizona aus (wo er sich von seinem Herzanfall erholte) Dr. Meredith noch einmal in seiner früheren Funktion als Direktor über die Pastoren in den USA ein, um damit in diesen unruhigen Zeiten Stabilität in die Kirche und die Predigerschaft zu bringen. Gleichzeitig bemühte sich Herr Armstrong, "die Kirche wieder aufs richtige Gleis zu bringen" hinsichtlich der Lehren und angesichts des liberalen, verwässernden Einflusses, der sich in den 70er Jahren ausgebreitet hatte. Als Herr Armstrong 1986 starb, hatte die Plain Truth eine Auflagenstärke von 8 Millionen Exemplaren und erschien in sieben Sprachen. Die Besucherzahlen beim Laubhüttenfest erreichten weltweit 150.000 Personen. 

Als Joseph Tkach das Ruder der Worldwide Church of God [Weltweiten Kirche Gottes] im Januar 1986 nach dem Tod von Herrn Armstrong übernahm, war die Kirche eine scheinbar geeinte Organisation. Man schien sich auf das Werk Gottes zu konzentrieren, das zu tun war und man schien der Wahrheit verpflichtet zu sein. Unter der Oberfläche gab es jedoch Probleme. Diese wurden immer offensichtlicher, zunächst nur schwach, dann immer deutlicher.

Die letzte Phase der Kirchengeschichte

 In Offenbarung 3 lesen wir von den zwei letzten Phasen in der Geschichte der Kirche Gottes. Die Gemeinde in Philadelphia wird durch ihren Eifer für das Werk charakterisiert. Gott verhieß ihnen eine "offene Tür," um das Evangelium zu predigen (Vers 8), und Schutz vor der kommenden großen Bedrängnis (Vers 10). Doch es wird noch eine letzte, siebte Phase der Kirche beschrieben, die Gemeinde in Laodizea. Diese wird durch ihre geistliche Gleichgültigkeit und Trägheit charakterisiert (Verse 15-17). Obwohl Herr Armstrong die Kirche in den letzten sieben Jahren seines Lebens "zurück auf das richtige Gleis" gebracht hatte, wurde es ab den frühen 70er Jahren immer offenkundiger, dass zwei verschiedene "Geister" oder Einstellungen in einer Organisation nebeneinander existierten. 

Etwa ein Jahr nach Herrn Armstrongs Tod setzte ein schrittweiser Trend zurück zu dem freizügigen, liberalen Denken der 70er Jahre ein. Doch schon nach wenigen Jahren gingen die Änderungen weit über die in den 70er Jahren hinaus und führten zu einem völligen Abweichen von der Wahrheit – sogar bis zu dem Punkt, wo die Dreieinigkeit gelehrt und erklärt wurde, es sei unnötig, das Gesetz Gottes (einschließlich des Sabbats, der heiligen Tage, des Zehnten und unreinen Fleisches) zu befolgen. Im Dezember 1992, 40 Jahre nach seiner Ordinierung, wurde Dr. Meredith gezwungen, die Worldwide Church of God zu verlassen, weil er es abgelehnt hatte, mit den nun vorherrschenden Kräften des Irrglaubens einen Kompromiss einzugehen. Zusammen mit treuen Gläubigen und Pastoren handelte Dr. Meredith schnell, um das Werk Gottes nun unter dem Namen "Global Church of God" wieder mit Leben zu erfüllen. Innerhalb von sechs Wochen begann die Kirche mit der Ausstrahlung eines wöchentlichen Radioprogramms. Im Mai 1995 folgte eine wöchentliche Fernsehsendung. 

Im Januar 1995 ließ die Führung der Worldwide Church of God alle bisherigen Behauptungen der Kontinuität mit historischen Lehren der Kirche Gottes fallen und nahm offen die protestantische Theologie an. Dies hatte praktisch den Zerfall der Organisation zur Folge und führte dazu, dass Tausende von Gläubigen und Dutzende von Pastoren auf der ganzen Welt die Organisation verließen. Leider entstanden aus der Zeit des Zerfalls 1995 viele miteinander im Wettstreit liegende Organisationen, die sich im Laufe der Zeit immer weiter aufspalteten und zersplitterten, und eine Vielzahl unabhängiger Prediger. Im November 1998 gab es sogar einen Versuch mehrerer Vorstandsmitglieder der Global Church of God, eine "feindliche Übernahme" der Organisation zu inszenieren. Vorstandsmitglieder grenzten Dr. Meredith gegen den Willen der Mehrheit des Ältestenrates der Kirche aus. Sie mussten aber bald einsehen, dass die große Mehrheit der Mitglieder und Pastoren der Global Church of God weiterhin den ausgegrenzten Vorstandsvorsitzenden und die Mitglieder, die daraufhin den Ältestenrat verließen, unterstützte. Dr. Meredith setzte unverzüglich das Werk mit einer neu gegründeten Organisation, der Living Church of God, fort und wurde dabei von Tausenden der Wahrheit treu gebliebenen Gläubigen und Pastoren unterstützt. Nach weniger als zwei Monaten war die Kirche wieder zurück auf den Fernsehkanälen – auf denselben Stationen und zu denselben Sendezeiten, die von den Mitgliedern des früheren Vorstands gekündigt wurden! 

Vierzig Wochen nach der offiziellen Gründung der Living Church of God meldete die Organisation Global Church of God Konkurs an. Seitdem haben sich die Splittergruppen, die sich aus der Bankrott gegangenen Organisation ergeben haben, weiter aufgelöst und verstreut. Die zehn Männer, die im Dezember 1998 nach der Ausgrenzung von Dr. Meredith in einem neu zusammengestellten Ältestenrat der Global Church of Godzusammensaßen, haben sich innerhalb weniger Jahre unter sieben verschiedenen Organisationen der Kirche Gottes verstreut. Manche dieser Organisationen existieren noch; andere sind innerhalb weniger Jahre nach ihrer Gründung zerfallen. Wieder andere erlitten erneute Spaltungen, die ihre Wirksamkeit beim Erreichen der Welt mit der wahren Evangeliumsbotschaft sehr verringert haben. 

Die Living Church of God konzentriert sich nach wie vor darauf, das Werk Gottes zu tun – die Welt mit der Botschaft des wahren Evangeliums Jesu Christi zu erreichen. Diese Broschüre wurde möglich durch den Geist der Einheit und des Teamworks, der es der Living Church of God erlaubt, an dem gemeinsamen Ideal des Eifers der Philadelphiagemeinde festzuhalten und den Geist des Eigensinns und des "Ausruhens auf seinen Lorbeeren" abzuweisen, von dem so viele Mitglieder des Zeitalters von Laodizea in der Kirche Gottes befallen sind. Die Living Church of God ist entschlossen, nach jedem Wort Gottes zu leben – einschließlich des "großen Auftrags" Jesu Christi, "gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur" (Markus 16, 15). 

Dr. Meredith hat sein Bestes getan, um sicherzustellen, dass das Werk mit aller Kraft weitergeht, selbst wenn er vor Christi Rückkehr sterben muss. Er hat Hr. Richard Ames, der 1965 zum Predigtdienst ordiniert wurde, und von Herbert W. Armstrong während der Tage der Ungesäuerten Brote 1984 als Evangelist ordiniert wurde, zu seinem Nachfolger als menschlicher Leiter der Living Church of God bestimmt, damit dieser dann das Werk weiterführen soll, mit dem Gott seine Kirche beauftragt hat. Hr. Ames war einer von vier Moderatoren der Fernsehsendung World Tomorrow nach Herrn Armstrongs Tod, und er hat über ein halbes Jahrhundert als Pastor, Lehrer und Fernsehmoderator dazu beigetragen, das wahre Evangelium einer Welt zu verkünden, die Christi Rückkehr dringend braucht. 

Überall um uns herum können wir sehen, wie Satan Verwirrung und Entmutigung gesät hat. Die Gefühle vieler Gläubigen sind verletzt und sie sind zornig, oder sie haben sich durch die Sorgen des Alltags überwältigen lassen. Andere wurden durch falsche Lehrer verführt und sind Irrlehren nachgefolgt. Wieder andere sind so träge und lauwarm geworden, dass sie die Vision verloren haben und nur noch bestrebt sind, ihre örtliche Gemeinde aufrecht zu erhalten und sich nicht mehr darum kümmern, ein Werk der Verkündigung zu tun. Somit wurde Christi Warnung an die Kirche in Matthäus 24, 10-13 erfüllt. 

Doch das Evangelium wird in dieser Endzeit in aller Welt verkündet werden (Matthäus 24, 14) und es gibt eine wachsende Gemeinde von Gläubigen, die einen Eifer für die volle Wahrheit hat und eifrig bemüht ist, Gottes Werk zu vollenden. Genauso, wie das Volk Gottes seit dem ersten Jahrhundert, so muss sein Volk auch heute "für den Glauben [kämpfen], der ein für alle Mal den Heiligen überliefert ist" (Judas 3). Gott sagt klar: "Der Herr wird sein Wort, indem er vollendet und scheidet, ausrichten auf Erden" (Römer 9, 28). Wen wird er dazu gebrauchen? Nach Daniel 11, 32 sind es "die vom Volk, die ihren Gott kennen, [die] werden sich ermannen und danach handeln." 

Wo ist die Kirche, die Jesus gegründet hat? Sie ist nicht ausgestorben! Sie ist den Pforten der Hölle entronnen und besteht auf wundersame Weise noch immer. Die Living Church of God ist in der heutigen Zeit dabei, das Werk Gottes zu tun und einer Welt, die sich auf ihre Vernichtung zubewegt, das wahre Evangelium zu verkünden. Unter der treuen und engagierten Führung von Dr. Meredith haben bereits Millionen von Menschen durch die Living Church of God eine warnende Botschaft über Gottes endzeitliches Eingreifen im Weltgeschehen erhalten. 

Werden Sie einer derjenigen Menschen sein, die Gott gebraucht, um sein endzeitliches Werk zu vollenden? Haben Sie den wahren Geist von Philadelphia, um aus echter Liebe und Fürsorge der Welt die Hand zu reichen und mit ihr die Botschaft Gottes von Wahrheit und Hoffnung zu teilen? Halten Sie es für wichtig, dass das Haus Israel vor der bevorstehenden Zeit der Bedrängnis für Jakob gewarnt wird? Ist Ihnen Gottes Werk wichtiger als ein komfortables Leben für Sie persönlich? 

Wir in der Living Church of God glauben, dass wir das Zeitalter von Philadelphia fortsetzen, das Christus durch Herrn Armstrong vor vielen Jahren begann. Ein Bewusstsein der Dringlichkeit motiviert uns in der heutigen Zeit direkt vor der großen Bedrängnis besonders. Wir glauben aufrichtig, was Jesus Christus lehrte – dass wir die Werke des Vaters tun müssen, solange es Tag ist, denn es kommt die Nacht, wo niemand arbeiten kann (vgl. Johannes 9, 4)!

Werden Sie die Worte Christi beachten?