von Dexter B. Wakefield

 

Im Jahre 31 n.Chr. war der Tag des Passafestes im alten Judäa sicherlich ein ziemlich hektischer Tag.  Es war das erste der drei jährlichen Festzeiten und das Passafest (am 14. Nisan) ist auch der Rüsttag für den ersten Tag des Festes der ungesäuerten Brote (am 15. Nisan), welcher ein heiliger Tag ist.  Es war daher ein betriebsamer Tag zur Vorbereitung des Festtages.  Jerusalem war voll von Menschen und es war ein Kommen und Gehen.  Da aber Judäa eine eroberte römische Provinz war, waren einige Geschehnisse durchaus nicht festlicher Natur.

Wenn Sie an diesem Tag auf einer bestimmten Straße außerhalb Jerusalems entlanggehastet wären, wären Sie auf eine für diese Zeit im römisch besetzten Judäa nicht ungewöhnliche Begebenheit aufmerksam geworden.  Drei Männer wurden dort gekreuzigt, jeder an einem Kreuz oder Pfahl (griechisch: stauros).

Wie könnte diese Szene für einen Vorbeigehenden wohl ausgesehen haben?

 

Die Schädelstätte

Alle vier Autoren der Evangelien erwähnen, wo Jesus gekreuzigt wurde.  „Und er trug selber das Kreuz und ging hinaus zur Stätte, die da heißt Schädelstätte, auf Hebräisch Golgatha. Dort kreuzigten sie ihn und mit ihm zwei andere zu beiden Seiten, Jesus aber in der Mitte“ (Johannes 19, 17-18).  Heute ist allerdings die genaue Lage von Golgatha nicht sicher, und verschiedene Plätze sind über Jahrhunderte debattiert worden.

Im Jahr 2014 hatten meine Frau und ich das Privileg, das Laubhüttenfest in Jerusalem feiern zu können.  Während wir dort waren, hatten wir viele wunderbare Erfahrungen gemacht, aber es gab auch einige angespannte Situationen.  Große, laute Demonstrationen und sogar kurze Aufstände waren alltäglich.  Während wir auf dem Tempelberg waren, konnten wir zahlreiche laute Explosionen aus Richtung der al-Aqsa-Moschee hören, die in der Umgebung des Tempelbergs widerhallten, was die Spannung und Unsicherheit noch weiter erhöhte.  Jerusalem wird zwar die „Stadt des Friedens“ genannt, hat aber in jenem Jahr während der Herbstfeste keinen Frieden gehabt.

Während wir in Jerusalem waren, besuchten wir eine der möglichen Kreuzigungsstätten.  Sie befindet sich in der Nähe einer viel befahrenen Autobahn außerhalb der Stadtmauern der Altstadt, wo – aus einem bestimmten Winkel betrachtet – eine Felsformation wie ein menschlicher Schädel aussieht.  Im Altertum verlief an derselben Stelle ebenfalls eine Straße. Unser Reiseleiter erwähnte, dass die Römer solche qualvollen Hinrichtungen bevorzugt in der Nähe von Durchgangsstraßen durchführten, sodass Passanten die Römer fürchten und deren Unbarmherzigkeit sehen konnten.

 

Ein Menschenauflauf

Falls Sie an diesem Tag dort vorbeigekommen wären, hätten Sie gesehen, wie die Leute einen Mann in Todesqualen verspotteten, der zwischen zwei Dieben gekreuzigt wurde.  Eine große Menschenmenge war in der Gegend, die dem Tun zusah (Lukas 23, 27), aber nur eine kleinere Gruppe war nahe genug bei dem Mann, um mit ihm reden zu können: „Die aber vorübergingen, lästerten ihn und schüttelten ihre Köpfe und sprachen: Der du den Tempel abbrichst und baust ihn auf in drei Tagen, hilf dir selber, wenn du Gottes Sohn bist, und steig herab vom Kreuz! Desgleichen spotteten auch die Hohepriester mit den Schriftgelehrten und Ältesten und sprachen: Andern hat er geholfen und kann sich selber nicht helfen. Er ist der König von Israel, er steige nun herab vom Kreuz. Dann wollen wir an ihn glauben. Er hat Gott vertraut; der erlöse ihn nun, wenn er Gefallen an ihm hat; denn er hat gesagt: Ich bin Gottes Sohn. Desgleichen schmähten ihn auch die Räuber, die mit ihm gekreuzigt waren“ (Matthäus 27, 39-44).  Das war möglicherweise der schlimmste Fall von „Nachtreten“, der jemals überliefert wurde.

Wenn Sie gehört hätten, was die Menge zu diesem Mann sagte, hätten Sie möglicherweise nicht gleich an die prophetischen Verse in der Heiligen Schrift gedacht, die besagen: „Zu dir schrien sie und wurden errettet, sie hofften auf dich und wurden nicht zuschanden.  Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch, ein Spott der Leute und verachtet vom Volk. Alle, die mich sehen, verspotten mich, sperren das Maul auf und schütteln den Kopf… Sei nicht ferne von mir, denn Angst ist nahe; denn es ist hier kein Helfer“ (Psalm 22, 6-8.11).

Während Sie zugesehen hätten, hätten Sie römische Soldaten gesehen, die den Ort bewachten, um sicherzugehen, dass niemand die Leidenden retten könnte.  Und sie vertrieben sich die Zeit damit, untereinander die Kleidungsstücke eines Mannes zu verlosen.  Der Apostel Johannes sagte folgendes dazu: „Die Soldaten aber, da sie Jesus gekreuzigt hatten, nahmen seine Kleider und machten vier Teile, für jeden Soldaten einen Teil, dazu auch den Rock. Der aber war ungenäht, von oben an gewebt in einem Stück.  Da sprachen sie untereinander: Lasst uns den nicht zerteilen, sondern darum losen, wem er gehören soll. So sollte die Schrift erfüllt werden, die sagt »Sie haben meine Kleider unter sich geteilt und haben über mein Gewand das Los geworfen.« Das taten die Soldaten” (Johannes 19, 23-24).

Wenn Sie ein Zuschauer gewesen wären, hätten Sie die Gedanken und intensiven Empfindungen des Mannes wahrgenommen, der zwischen zwei Dieben gekreuzigt wurde? Jahrhunderte zuvor hatte er als derjenige, der die Bibel inspirierte, aufzeichnen lassen, welche Gefühle er in diesem Moment haben würde, indem er den Psalmisten zu schreiben inspirierte: „Viele Stiere umgeben mich, Büffel von Baschan umringen mich.  Sie sperren gegen mich ihren Rachen auf, reißende, brüllende Löwen.  Ich bin hingeschüttet wie Wasser, gelöst haben sich all meine Glieder.  Mein Herz ist in meinem Leib wie Wachs zerflossen.   Meine Kehle ist trocken wie eine Scherbe, die Zunge klebt mir am Gaumen, du legst mich in den Staub des Todes.  Viele Hunde umlagern mich, eine Rotte von Bösen umkreist mich.  Sie durchbohren mir Hände und Füße.  Man kann all meine Knochen zählen; sie gaffen und weiden sich an mir.  Sie verteilen unter sich meine Kleider und werfen das Los um mein Gewand“ (Psalm 22, 13-19; Einheitsübersetzung).  Jahrhunderte vor den Ereignissen sagte er seinen Tod voraus und inspiriert die Niederschrift über das, was er persönlich bei seiner Kreuzigung durchmachen würde.

Und Sie würden auch gesehen haben, wie mindestens einer der kampferprobten römischen Soldaten einen Speer hatte – und dass er diesen am Ende der Kreuzigung jenes Mannes eingesetzt hätte (Johannes 19, 34) – wenn Sie stehen geblieben wären und zugeschaut hätten. 

 

Ein Gespräch unter Schmerzen

Ein neugieriger Zuschauer hätte ziemlich nahe bei den gekreuzigten Männern stehen müssen, um ein Gespräch zwischen ihnen mitzuhören.  Im Matthäusevangelium wird aufgezeichnet, dass ihn anfänglich sogar die beiden Räuber beschimpft haben: „Desgleichen schmähten ihn auch die Räuber, die mit ihm gekreuzigt waren“ (Matthäus 27, 44).  Das heißt, die beiden Verbrecher hatten sich zunächst auf die Seite der feindseligen Menge geschlagen gegen den Mann, der behauptete, der Messias zu sein.  Das muss ein erbärmlicher Anblick gewesen sein.  Es gab niemand der ihn verteidigt oder getröstet hätte.

Dann aber passierte etwas Interessantes: einer der Räuber hatte einen Sinneswandel. Während einer ihn weiterhin beschimpfte, schreibt Lukas in Kapitel 23, dass der andere Dieb seinen Mittäter tadelte und den anderen, der Jesus genannt wurde, verteidigte: „Aber einer der Übeltäter, die am Kreuz hingen, lästerte ihn und sprach: Bist du nicht der Christus? Hilf dir selbst und uns!  Da antwortete der andere, wies ihn zurecht und sprach: Fürchtest du nicht einmal Gott, der du doch in gleicher Verdammnis bist?  Wir sind es zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsre Taten verdienen; dieser aber hat nichts Unrechtes getan.  Und er sprach: Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst“ (Lukas 23, 39-42)!  Weiter heißt es in Vers 43: „Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein“.

Manche weisen auf diesen Wortwechsel hin und erklären, er würde beweisen, dass Jesus sagte, dass beide noch am selben Tag in das Himmelreich kommen würden.  Jesus sagte jedoch, dass er für „drei Tage und drei Nächte“ im Grab sein würde, und das war der einzige Beweis dafür, dass er der Messias war. „Er aber antwortete und sprach zu ihnen: Ein böses und ehebrecherisches Geschlecht fordert ein Zeichen, und es wird ihm kein Zeichen gegeben werden außer dem Zeichen des Propheten Jona.  Denn wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches war, so wird der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Herzen der Erde sein“ (Matthäus 12, 39-40).  Das „Herz der Erde“ ist nicht das „Paradies“.

Wenn Jesus am selben Tag in den Himmel gekommen wäre, wie könnte er dann der Messias sein, der er sagte, dass er war?  Die Antwort liegt darin, dass der griechische Text, der Jesu aramäische Worte wiedergibt, sie nicht so wiedergibt, wie die deutschen Übersetzer sie auslegen. Das Griechische hatte keine Interpunktion, und obwohl Satzzeichen im Allgemeinen helfen, wenn man Deutsch liest, ist durch die Einfügung eines Doppelpunkts in diesem Vers in der Übersetzung der Lutherbibel der Sinn des originalen Griechisch verändert worden.  Verschieben Sie den Doppelpunkt nur ein Wort weiter nach rechts, und die Bedeutung wird im Deutschen deutlich. Jesus sagte tatsächlich: „Wahrlich ich sage dir heute: mit mir wirst du im Paradies sein“.

Wären sie ein Zuschauer gewesen, dann wäre dies gewesen, was sie Jesus zu diesem Mann sagen gehört hätten.  Der wieder aufgestandene Dieb würde eines Tages in der Zukunft mit Jesus im Reich Gottes sein – aber nicht an jenem Tag.  Jesus lag für die nächsten drei Tage tot im seinem Grab, bevor er wieder zum Leben auferweckt wurde und vielen erschien.  Und der Dieb liegt immer noch ohne Bewusstsein in seinem Grab und wartet auf seine Auferweckung.

 

Dunkelheit

Ihre Sicht als Zuschauer wäre für etwa drei Stunden während der Kreuzigung ziemlich beschränkt gewesen, weil da eine Dunkelheit mitten am Tag herrschte.  Die Autoren der Evangelien berichten, dass es von ungefähr Mittag bis zum Nachmittag dunkel war: „Und es war schon um die sechste Stunde, und es kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde, und die Sonne verlor ihren Schein, und der Vorhang des Tempels riss mitten entzwei“ (Lukas 23, 44-45).  Die Dunkelheit konnte nicht das Resultat einer Sonnenfinsternis gewesen sein, wie einige vermuteten.  Eine Sonnenfinsternis kann nicht auf natürliche Weise während eines Vollmondes am Passahfest stattfinden, am vierzehnten Tag des ersten Mondmonats.  

Es muss ein beängstigendes Gefühl gewesen sein, als Gott die Sonne für drei Stunden verdunkeln ließ, und diejenigen, die darüber berichteten, gaben keine Erklärung, wie das geschehen war.  Uns wird nicht gesagt, wie die Dunkelheit tatsächlich verursacht wurde.   Geistlich aber hat Gott ihnen die Dunkelheit des Zeitalters vor Augen geführt, in der die „Macht der Finsternis“ gegenwärtig herrscht.  Jesus sagte: „Dies ist eure Stunde und die Macht der Finsternis“ (Lukas 22, 53). Der Apostel Johannes zeichnete Jesu Worte auf: „Das ist aber das Gericht, dass das Licht in die Welt gekommen ist, und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht, denn ihre Werke waren böse“ (Johannes 3, 19).  Gott gab ihnen einen übernatürlichen, dramatischen Beweis ihres geistlichen Zustandes.  Aber als ein beiläufiger Augenzeuge wäre ihnen das wahrscheinlich nicht in den Sinn gekommen.

 

Drei Dinge, die ans Kreuz genagelt wurden

Manche sagen, dass die zehn Gebote zusammen mit Jesus irgendwie „ans Kreuz genagelt wurden“, doch das steht nicht in der Bibel.  Tatsächlich sind drei Dinge an dieses Kreuz genagelt worden, und wenn sie an dem Tag dort vorbeigekommen wären, hätten sie zwei davon gesehen, die dort gehangen haben – aber eines hätten sie nicht gesehen. 

Das Erste, was sie am Kreuz gesehen hätten, wäre der Mann gewesen, der an Händen und Füßen dort angenagelt worden war.  Sein Gewicht hing an den Nägeln in seinen Händen oder Handgelenken, ausgenommen, wenn er sich unter großen Schmerzen an dem Nagel oder den Nägeln in seinen Füßen hochstemmte, um etwas Atemluft in seinen aufgeblähten Brustkorb zu bekommen.  Er war schrecklich ausgepeitscht worden, und sein Gesicht war bis fast zur Unkenntlichkeit entstellt worden (Jesaja 52, 14; Matthäus 26, 67-68; 27, 30).  Sein Körper war schwer ausgepeitscht worden von einem römischen Liktor, der eine Geißel schwang. Diese Geißel war so konzipiert, dass sie die Haut und das darunterliegende Gewebe aufriss.  Die Schmerzen, die hierdurch verursacht wurden, waren unvorstellbar, und die Opfer sind oft diesen Misshandlungen erlegen.

Aber sie hätten wahrscheinlich nicht gewusst, dass von dieser schrecklichen Misshandlung, die der Mann erleiden musste, schon vor langer Zeit vorausgesagt wurde, dass sie zu unserem Nutzen erfolgte, als Jesaja schrieb: „Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre.  Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt“ (Jesaja 53, 4-5).

Der Mann, den Sie ans Kreuz genagelt gesehen hätten, erlitt körperliche und psychischen Schmerzen.  Wenn Sie aber näher daran gewesen wären, hätten Sie ihn sagen hören: „Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun!“ (Lukas 23, 34).

Etwas Anderes, was Sie gesehen hätten, war ein Schild, welches über Jesu Kopf ans Kreuz genagelt worden war, oder daran hing, und jeder der vier Apostel hat die Worte darauf in seinem Evangelium etwas anders wiedergegeben.  Manche Kritiker sagen, dass diese vier verschiedenen Versionen in der Bibel widersprüchlich sind, doch das ist nicht richtig.  Jede Beschreibung der Schrifttafel, deren Inschrift in drei verschiedenen Sprachen darauf stand, fügt sich zu den anderen, und zusammen ergeben sie ein umfassendes Bild zur Beschreibung des Mannes, der da gekreuzigt wurde.

Der Bericht bei Markus gibt die einfachste Beschreibung des Schildes wieder, und unterstützt damit das zentrale Thema, welches allen Inschriften gemeinsam ist: „Und es war die dritte Stunde, als sie ihn kreuzigten.  Und es stand geschrieben, welche Schuld man ihm gab, nämlich: Der König der Juden“ (Markus 15, 25-26).  Die Worte für „der König der Juden“ (auf Griechisch: HO Basileus TON IOUDAION) kann man in den griechischen Bibeltexten aller drei anderen Inschriften ebenfalls finden.

Lukas gibt uns mehr Einzelheiten: „Es war aber auch eine Überschrift über ihm [geschrieben] in griechischen und lateinischen und hebräischen Buchstaben: Dieser ist der König der Juden“ (Lukas 23, 38; Elberfelder Bibel).

Matthäus erklärt: „Über seinem Kopf hatten sie ein Schild angebracht, auf dem der Grund für seine Hinrichtung geschrieben stand: »Dies ist Jesus, der König der Juden!«“ (Matthäus 27, 37; Gute Nachricht Bibel).  Dies zeigt, dass es ganz klar war, wer hier gemeint war.

Das Johannesevangelium fügt eine weitere Einzelheit hinzu: „Pilatus aber schrieb eine Aufschrift und setzte sie auf das Kreuz; und es war geschrieben: Jesus von Nazareth, der Juden König.  Diese Aufschrift lasen viele Juden, denn die Stätte, wo Jesus gekreuzigt wurde, war nahe bei der Stadt. Und es war geschrieben in hebräischer, lateinischer und griechischer Sprache.  Da sprachen die Hohenpriester der Juden zu Pilatus: Schreibe nicht: Der Juden König, sondern dass er gesagt hat: Ich bin der Juden König.  Pilatus antwortete: Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben“ (Johannes 19, 19-22).

Die Aussagen der Zeugnisse aller Evangelien sind klar: Ob zusammengestellt aus allen drei Sprachen, oder genau wiedergegeben in jeder einzelnen der drei Sprachen – Griechisch, Lateinisch und Hebräisch – erklärte das Schild allen, die es gesehen haben: „DIES IST JESUS VON NAZARETH, DER KÖNIG DER JUDEN“.

Als Vorbeigehender hätten Sie folglich in der Lage sein können, mindestens eine der Inschriften über dem gefolterten Menschen zu lesen, der behauptete der Messias und der Sohn Gottes zu sein.

Das Dritte, was ans Kreuz genagelt wurde, war für Vorbeigehende unsichtbar. Dem Mann, der ans Kreuz genagelt wurde, wurden die Sünden der Menschheit auferlegt – auch Ihre und meine.

Der Apostel Petrus schrieb, dass Jesus „unsere Sünden selbst hinaufgetragen hat an seinem Leibe auf das Holz“ (1. Petrus 2, 24). Der Apostel Paulus drückte es ähnlich aus: „Denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt“ (2. Korinther 5, 21).  Wie hätten Sie als Vorbeigehender wissen können, dass dieser gequälte Mann, den Sie sahen, zwar sehr menschlich war, jedoch tatsächlich der Gott Israels war, der „Fleisch geworden“ war (vgl. Johannes 1, 14), obwohl er zuvor bereits ewig existiert hatte?  Und nur durch hinsehen und hinhören –  hätten Sie erkennen können, dass er unschuldig und völlig ohne Sünde war?  

Er war Christus, „Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt“ (Johannes 1, 29).  Und: „…unser Passalamm ist geopfert, das ist Christus“ (1. Korinther 5, 7).  Er war Jesus Christus, „in welchem wir die Erlösung haben durch sein Blut, die Vergebung der Sünden“ (Kolosser 1, 14; Schlachterbibel).  Als der ewige Schöpfer der Menschheit, ohne Sünde, war er der Einzige, der diese Strafe an unserer statt auf sich nehmen konnte.  Die Welt tötete ihren Schöpfer, der bereitwillig starb und sein Blut vergoss, welches unsere Sünden wegwaschen konnte, was uns ermöglichte, gerechtfertigt und versöhnt zu werden.  Während er dahing, nahm er all diese Sünden auf sich – und trug die Last – und dann starb er!  Mit seinem Tod machte er es möglich, dass die Todesstrafe für unsere Sünden endete.

Doch als ein gewöhnlicher Vorbeigehender hätten Sie das nicht gewusst. Der Apostel Petrus fasste es so zusammen: „Denn dazu seid ihr berufen, da auch Christus gelitten hat für euch und euch ein Vorbild hinterlassen, dass ihr sollt nachfolgen seinen Fußstapfen; er, der keine Sünde getan hat und in dessen Mund sich kein Betrug fand; der, als er geschmäht wurde, die Schmähung nicht erwiderte, nicht drohte, als er litt, es aber dem anheimstellte, der gerecht richtet; der unsre Sünden selbst hinaufgetragen hat an seinem Leibe auf das Holz, damit wir, den Sünden abgestorben, der Gerechtigkeit leben. Durch seine Wunden seid ihr heil geworden.  Denn ihr wart wie irrende Schafe; aber ihr seid nun umgekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen“ (1. Petrus 2, 21-25).

Ein Reisender wäre in diesen Tagen traurig weitergezogen.  Aber diejenigen, die Jesus Christus als Passalamm und König kennen, können sagen: „Ihm, der uns liebt und uns erlöst hat von unsern Sünden mit seinem Blut und uns zu einem Königreich gemacht hat, zu Priestern vor Gott und seinem Vater, dem sei Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen“ (Offenbarung 1, 5-6).

Sind Sie nur ein Vorbeigehender?  Hoffentlich nicht!  Christus setzte das christliche Passah als ein Gedenken an die außergewöhnlichen Ereignisse am Passahfest 31 n.Chr. ein. Lassen Sie uns an diesem Passafest eingehend dessen gedenken, was Christus an jenem Tag für uns getan hat.


Kolosser 2, 14 verstehen

Es gibt eine besondere Schriftstelle, die viele lesen und dann irrtümlich schlussfolgern, dass es dort heißt, dass die Zehn Gebote „ans Kreuz genagelt“ und somit abgeschafft wurden.  Der Apostel Paulus schrieb an die Kolosser, dass Christus unsere Vergebung erwirkt hat: „Er hat den Schuldbrief getilgt, der mit seinen Forderungen gegen uns war, und hat ihn aufgehoben und an das Kreuz geheftet“ (Kolosser 2, 14).  Die Worte für „Schuldbrief“ (griechisch: cheirógrafon tois dógmasin) sind in der Schlachterbibel mit „Schuldschrift“, und in der englischen King James Version mit „Schrift des Erlasses“ bzw. „Schrift des Gesetzes“ übersetzt worden, und man hat fälschlicherweise angenommen, dass diese Aussage die Zehn Gebote, oder Gottes Gesetze im Allgemeinen, betrifft. 

Ein Bibelkommentar erklärt hingegen: „Jüdische Tradition beschreibt Sünden auch als ‚Schulden‘ gegenüber Gott… Paulus sagt, dass die Versöhnung stattfand, als die Schulden [die Sünden] mit Christus ans Kreuz genagelt und somit getilgt wurden.  (Keener, IVP Bible Background Commentary).  Die Formulierung, die Paulus gebraucht, „Schuldbrief“, ist ein Verweis auf die Schulden unserer Sünden, und nicht auf Gottes himmlisches Gesetz. 

Paulus widersprach nicht seinem Brief an die Kolosser, als er der Gemeinde in Korinth schrieb: „Beschneidung ist nichts, und die Unbeschnittenheit ist nichts, sondern: Gottes Gebote halten“ (1. Korinther 7, 19).

Was in Kolosser 2, 14 „ans Kreuz genagelt“ wurde, ist die Schuld unserer Sünden, und sie wurde in Form des Leibes Christi dort angenagelt, der „für uns zur Sünde gemacht“ wurde (2. Korinther 5, 21).