Inhaltsverzeichnis

 

Einleitung                                                                                           

Kapitel 1:  Jesus und das Gesetz                                                             

Kapitel 2:  Die richtige Reihenfolge im Neuen Testament                   

Kapitel 3:  Paulus wendet sich an die Römer  

Kapitel 4:  Paulus wendet sich an die Galater

Kapitel 5:  Zeiten und Feste                                                               

Kapitel 6:  Paulus wendet sich an die Kolosser                               

Kapitel 7:  Gesetz und Gnade                                                              

 

 

Einleitung

 

Das „Mainstream-Christentum“ ist in Aufruhr. Die großen protestantischen Kirchen verlieren Mitglieder, da sie sich immer weiter von den biblischen Wahrheiten entfernen. Große Nachrichtenorganisationen veröffentlichen Artikel mit Titeln wie „Atheisten auf der Kanzel: Geistliche, die nicht gläubig sind“ und „Atheistische Geistliche kämpfen damit, die Gläubigen zu führen“. Die großen Konfessionen spalten sich in Fragen der Abtreibung, der Ordination von Homosexuellen und Transsexuellen, der Einsetzung von Frauen als Priester und Bischöfe und in einigen Fällen sogar der Leugnung der Auferstehung Jesu. Es hat den Anschein, dass in den etablierten Kirchen heute so ziemlich „alles erlaubt“ ist.

Aber warum sollte uns das überraschen, wenn die Bibel als Wort Gottes so wenig respektiert wird und wenn so wenig anerkannt wird, dass die in ihr enthaltenen Gesetze für die heutige Zeit relevant sind? Was kann ohne eine formale Erwartungsnorm – ein Gesetz – unsere moralische Richtschnur sein? Eine nebulöse Lehre von der „Liebe“, ohne jegliche Anleitung, was Liebe aus biblischer Sicht ist, nimmt uns das Ruder aus der Hand, das wir brauchen, um unseren Weg zu finden.

Die Einschätzung des Apostels Paulus über die menschliche Natur und das Gesetz Gottes ist zutreffend und beschreibt sogar Haltungen, die in vielen „christlichen“ Konfessionen zu finden sind: „Denn fleischlich gesinnt sein ist Feindschaft gegen Gott, weil das Fleisch sich dem Gesetz Gottes nicht unterwirft; denn es vermag’s auch nicht. Die aber fleischlich sind, können Gott nicht gefallen“ (Römer 8, 7-8). Die Beantwortung der Frage „Gesetz oder Gnade?“  ist von größter Bedeutung – sogar von ewiger Bedeutung!

Die Zehn Gebote gehörten einst zum Standardprogramm des Sonntagsschulunterrichts für Kinder überall auf der Welt. Diese einfachen Gebote waren in Regierungsgebäuden ausgestellt, in Felsenmonumente gemeißelt und auf Tafeln zu finden, die in Häusern in ganz Amerika und anderswo hingen. Leider ist ihre Popularität heute im Rückgang begriffen.

Militante Atheisten haben in den letzten Jahrzehnten einen Krieg gegen die Zehn Gebote geführt und die Monumente von öffentlichem Eigentum entfernt, wo immer sie sie fanden. Ein berühmter Fall betraf Roy Moore, den Obersten Richter des Obersten Gerichtshofs von Alabama, der ein Denkmal mit den Zehn Geboten in der Rotunde des Justizgebäudes im Kapitol in Montgomery errichten ließ. Dies löste eine nicht geringe Kontroverse aus. Nach einem langwierigen Rechtsstreit wurde das Denkmal aus der Rotunde entfernt und Moore seines Richteramts enthoben.

Ein weiterer berühmter Vorfall war die Zerstörung eines Denkmals mit den Zehn Geboten im Kapitol des Bundesstaates Arkansas durch einen Mann, der es weniger als 24 Stunden nach seiner Aufstellung absichtlich mit seinem Auto rammte. Dieselbe Person hatte zuvor ein anderes Denkmal auf die gleiche Weise zerstört.

Leider sind militante Atheisten nicht die einzigen Feinde dieses Gesetzeskodex, den Moses vom Berg Sinai herabbrachte. Wie die Associated Press berichtete, „ordnete der Oberste Gerichtshof von Oklahoma 2015 die Entfernung einer Darstellung der Zehn Gebote aus dem Kapitol an, und die Wähler des Staates lehnten 2016 eine Initiative ab, die darauf abzielte, das Denkmal wieder aufzustellen“ („Arkansas replaces Ten Commandments monument at state Capitol” [Arkansas ersetzt Zehn-Gebote-Denkmal im Kapitol], SWTimes.com, 26. April 2018). Man stelle sich das vor: Sowohl das Gericht als auch die Wähler eines konservativen amerikanischen Staates lehnten das Denkmal ab!

Einige bekennende Christen sind verständlicherweise verärgert über den Angriff auf dieses Gesetzbuch, von dem die Bibel erklärt, dass es vom Finger Gottes geschrieben wurde (2. Mose 31, 18; 5. Mose 9, 10). Doch überraschenderweise ist der größte Feind der Gebote nicht Atheisten oder die Gerichte. Man könnte meinen, es sei die öffentliche Meinung, aber das ist nur die halbe Wahrheit. Der größte Feind ist vielleicht nicht der, den Sie vermuten.

 

Die Zehn Gebote auswendig lernen

Ich wuchs im protestantischen Mainstream auf und wurde als Kind mit den Zehn Geboten vertraut gemacht. Ich war nie besonders gut im Auswendiglernen, aber irgendwie schaffte ich es, alle zehn – in ihrer gekürzten Form – gut genug zu zitieren, um mein eigenes persönliches Exemplar des Neuen Testaments zu erhalten. Im Alter von zehn oder elf Jahren war ich nicht sehr am Lesen interessiert und habe diese Trophäe wahrscheinlich nie geöffnet. Mit der Zeit verschwand sie aus meiner Sammlung jugendlicher Andenken.

Aber stellen Sie sich vor, wie überrascht ich ein paar Jahre später war, als mir gesagt wurde, dass diese Gesetze, die ich so mühsam auswendig gelernt hatte, nicht mehr gültig waren. „Sie wurden abgeschafft! Wir brauchen sie nicht zu halten! Jesus hat sie an unserer Stelle eingehalten und sie ans Kreuz genagelt!“

Diese „Offenbarung“ kam nicht von meinem atheistischen Onkel George, sondern von zwei Erwachsenen, die sich Christen nannten! Sie waren überglücklich über ihre Freiheit vom Gesetz und wollten, dass ich die gleiche Freiheit erfahre. Sie luden mich zu einem Bibelstudium ein, bei dem dies besprochen werden sollte, und ich weiß, dass sie enttäuscht waren, als ich ihr Angebot ablehnte. Später teilten sie mir mit: „Wir haben das Gesetz am Mittwochabend abgeschafft!“  Stellen Sie sich das vor! So viel Zeit hatte ich mit unnötigem Auswendiglernen verschwendet! Aber war sie wirklich vergeudet? Damals überzeugten mich ihre sorgfältig ausgewählten Bibelstellen – die natürlich aus dem Zusammenhang gerissen waren – nicht, aber ich war verwirrt.

Eine Organisation, die ihre Meinung zu diesem Thema mitteilt, formuliert es so: „Der Schlüssel zum Verständnis der Beziehung zwischen Christen und dem Gesetz ist das Wissen, dass das alttestamentliche Gesetz dem Volk Israel gegeben wurde, nicht den Christen.... Keines der alttestamentlichen Gesetze ist für Christen heute verbindlich. Als Jesus am Kreuz starb, setzte er dem alttestamentlichen Gesetz ein Ende“ („Do Christians have to obey the Old Testament law?“  [Müssen Christen das Gesetz des Alten Testaments befolgen?], GotQuestions.org, 23. Juni 2023). In dem Artikel werden einige der gleichen „handverlesenen“ Bibelstellen zitiert, die mir entgegengeschleudert wurden.

Täuschen Sie sich nicht: Es gibt gewichtige Argumente, die unsere Aufmerksamkeit verdienen.

 

Antinomisten

Diejenigen, die behaupten, dass das Gesetz Gottes abgeschafft und durch die Gnade ersetzt wurde, werden manchmal als Antinomisten bezeichnet, d. h. diejenigen, die glauben, „dass das Moralgesetz unter dem Evangelium der Gnade ... keinen Nutzen oder keine Verpflichtung hat, weil der Glaube allein für die Erlösung notwendig ist“ („antinomian“, Merriam-Webster.com, Zugriff am 12. September 2023). Wenn man vom „moralischen Gesetz“ spricht, meint man insbesondere die Zehn Gebote.

Antinomisten berufen sich auf die Schriften des Apostels Paulus, die ihrer Meinung erklären, dass es nicht länger notwendig ist, das Gesetz zu halten. Eine ihrer Lieblingsstellen ist Römer 6, 14: „Denn die Sünde wird nicht herrschen über euch, weil ihr ja nicht unter dem Gesetz seid, sondern unter der Gnade“.

„Nicht unter dem Gesetz“ klingt sicherlich so, als ob wir davon befreit wären, aber was genau meint der Apostel damit? Ich werde diese und viele andere Fragen beantworten – aber es ist wichtig, sowohl zu verstehen, was dieses Zitat sagt, als auch, und das ist ebenso wichtig, was es nicht sagt.

Es mag den Anschein haben, dass Paulus und Jakobus einander widersprechen, aber das tun sie nicht! Das erste Gesetz der Kommunikation besteht darin, sein Publikum zu kennen. Paulus und Jakobus schrieben jeweils an unterschiedliche Zielgruppen, und als Ganzes betrachtet, liefern ihre Briefe einen wichtigen Teil des Gesamtbildes von Gesetz und Gnade. Paulus wandte sich vor allem an diejenigen, die von den menschlichen Auslegungen der Schrift durch das Judentum beeinflusst waren – Menschen, die versuchten, die Heiden davon zu überzeugen, dass sie durch das Einhalten verschiedener physischer Rituale gerecht würden. Das erklärt, warum Paulus schrieb: „Ist Abraham durch Werke gerecht, so kann er sich wohl rühmen, aber nicht vor Gott“ (Römer 4, 2). Diese gefährliche Falle war es auch, die Martin Luther mit dem katholischen Ritualismus konfrontierte. Im Gegensatz dazu wandte sich Jakobus an eine Zuhörerschaft, die in die entgegengesetzte Falle tappte – die der billigen Gnade, die dachte, dass das Verhalten im Lichte der Gnade unwichtig sei. Deshalb sagte er: „So seht ihr nun, dass der Mensch durch Werke gerecht wird, nicht durch Glauben allein“ (Jakobus 2, 24).

Ein Großteil unserer protestantischen Zuhörerschaft fällt heute in den von Jakobus angesprochenen Graben – daher die größere Betonung des Gesetzes in dieser Broschüre. Aber täuschen Sie sich nicht: Rechtfertigung und Erlösung kommen nur durch Jesus Christus – sein Sühneopfer und wie er in uns lebt und uns durch die Kraft des Heiligen Geistes verwandelt (Galater 2, 20). Die Gnadenseite der Medaille ist der große Beitrag von Paulus zu unserem Verständnis.

Wir werden Römer 6, 14 und viele andere Bibelstellen untersuchen, um die wahre Beziehung zwischen Gottes Gesetz und seiner Gnade aufzudecken. Zunächst müssen wir zwei grundlegende Fragen stellen und beantworten: Ist Jesus oder Paulus zentraler für das Christentum? Wer ist es, der für unsere Sünden gestorben ist? Die Antwort auf diese Fragen liegt auf der Hand: Jesus von Nazareth ist der Christus – der Gesalbte, der Messias – Paulus war es nie. Die Schriften des Paulus sind zwar für das richtige Verständnis dieses Themas von wesentlicher Bedeutung, aber er hat sein Leben nicht für das unsere gegeben – und konnte es auch nicht tun. Deshalb müssen wir uns fragen: „Wie hat Jesus das Gesetz Gottes gesehen?“  Kann jemand unserem Erlöser widersprechen? Damit wollen wir in unserem ersten Kapitel beginnen.

 

 

Kapitel 1

Jesus und das Gesetz

 

Ein junger Mann trat eines Tages an Jesus heran und stellte eine Frage, die für jeden von uns von Bedeutung ist: „Meister, was soll ich Gutes tun, damit ich das ewige Leben habe?“ (Matthäus 19, 16). Jesus muss ihn erschreckt haben, indem er ihm eine eigene Frage stellte: „Was fragst du mich nach dem, was gut ist? Gut ist nur der Eine“ (Vers 17). Was hat er damit gemeint? In der Tat bestätigte Jesus, dass er, Jesus Christus, Gott im Fleisch war.

Und die Antwort Jesu war klar und eindeutig: „Willst du aber zum Leben eingehen, so halte die Gebote“ (Vers 17). Auf die Frage, welche Gebote er meine, ließ Jesus keinen Zweifel daran, welchen Gesetzeskodex er meinte:

»Du sollst nicht töten; du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht falsch Zeugnis geben; ehre Vater und Mutter« (Verse 18-19).

Dies waren fünf der Zehn Gebote – das fünfte bis neunte Gebot. Christus fügte dann das umfassende Gebot hinzu: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“. Ich werde dieses Gebot später besprechen, aber wir sollten beachten, dass der junge Mann dachte, er hätte all diese Gebote von Jugend an befolgt, aber – weil er spürte, dass ihm etwas in seinem Heilsansatz fehlte – fragte er weiter: „Was fehlt mir noch?“ (Vers 20). Erinnern Sie sich an seine erste Frage: „Was soll ich Gutes tun, damit ich das ewige Leben habe?“ Er wollte mehr tun als das, was er bisher tat. Jesus schrieb ihm deshalb eine große Tat vor: „Willst du vollkommen sein, so geh hin, verkaufe, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben; und komm und folge mir nach“ (Vers 21).

War dieser Ratschlag – alles, was er hatte, zu verkaufen und den Armen zu geben – ein elftes Gebot? Ist es ein Gebot für Sie? Das hängt davon ab, ob Sie das gleiche Problem haben wie dieser junge Mann. Jesus wies ihn auf das erste und zehnte Gebot hin. Jesus erkannte, dass der junge Mann seinen Reichtum über den einen und einzig wahren Gott stellte, und dass er nach Reichtum gierte. Der Beweis dafür findet sich in seiner Reaktion: „Da der Jüngling das Wort hörte, ging er betrübt davon; denn er hatte viele Güter“ (Vers 22).

Und das umfassende Gebot, das Jesus erwähnte – „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ - war nichts Neues. Vielmehr zitierte er 3. Mose 19, 18, eine Zusammenfassung der letzten sechs der Zehn Gebote. Wir sehen das wieder deutlich in der späteren Begegnung Christi mit einem Schriftgelehrten, der ihn auf die Probe stellen wollte, indem er ihn fragte: „Meister, welches ist das höchste Gebot im Gesetz?“ (Matthäus 22, 36). Jesus antwortete: „»Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt« Dies ist das höchste und erste Gebot. Das andere aber ist dem gleich: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst«. In diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten“ (Verse 37-40).

Die ersten vier der Zehn Gebote zeigen im Detail die Grundlagen der aufrichtigen Liebe zu unserem Schöpfer: Du sollst keinen anderen Gott über ihn stellen, ihn nicht auf etwas aus Holz oder Stein beschränken, seinen Namen nicht leichtfertig gebrauchen und den von ihm festgesetzten Tag respektieren. Die letzten sechs Gebote sagen uns, dass wir unsere Eltern ehren sollen, und zeigen uns, wie wir unserem Nächsten Liebe entgegenbringen sollen: Du sollst ihn nicht ermorden, du sollst nicht mit seiner Frau Ehebruch begehen, du sollst ihn nicht bestehlen, du sollst ihn nicht belügen, und du sollst nicht nach seinem Besitz trachten.

 

Die Erweiterung des Gesetzes

Jesu Belehrungen über das Gesetz begannen bereits in der Bergpredigt, die in den Kapiteln 5-7 des Matthäusevangeliums zu finden ist. Hier macht Jesus eine direkte Aussage über die Beständigkeit des Gesetzes, die nur schwer misszuverstehen ist: „Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen“ (Matthäus 5, 17). Aber die Antinomisten legen das falsch aus! Erfüllen, sagen sie, bedeutet, dass Jesus es für uns „erfüllt“ hat, und wir es deshalb nicht tun müssen. Haben Sie nicht schon einmal jemanden sagen hören: „Es ist alles für dich erledigt“? Aber ist es das, was Jesus gemeint hat? Wie können wir das mit Sicherheit wissen?

Der folgende Vers gibt Aufschluss über diese Aussage. „Denn wahrlich, ich sage euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird nicht vergehen der kleinste Buchstabe noch ein Tüpfelchen vom Gesetz, bis es alles geschieht“ (Vers 18). Was auch immer Jesus damit meinte, er sagte uns, dass nicht ein einziges Jota oder ein einziges Pünktchen – kein Punkt auf dem i oder ein Strich auf dem t“ – vergehen würde, solange Himmel und Erde bestehen. Jesus erfüllte seine Mission in Fleisch und Blut im Jahr 31 nach Christus, und als ich das letzte Mal nachgesehen habe, waren Himmel und Erde noch da. Also ist auch das Gesetz noch da. Was hat er also mit dem Wort „erfüllen“ gemeint?

Gott sagte durch seinen Propheten Jesaja voraus, dass der kommende Christus „sein Gesetz groß und herrlich mache“ (Jesaja 42, 21). In der Schlachterbibel heißt es, dass es darum ging, „das Gesetz groß und berühmt zu machen“. Ist es nicht genau das, was Jesus getan hat – das Gesetz zu verherrlichen und groß zu machen? Verlassen Sie sich nicht auf mein Wort – glauben Sie, was Sie in Ihrer Bibel lesen! Was sagen uns die Verse, die auf die dogmatische Aussage Jesu über die Dauerhaftigkeit des Gesetzes folgen?

Jesus fuhr fort, zu zeigen, dass seine Jünger nur dann im Reich Gottes sein können, wenn ihre Gerechtigkeit die der religiösen Eliten seiner Zeit übertrifft (Matthäus 5, 20). Dann begann er, das Gesetz zu verherrlichen, indem er erklärte, dass seine Nachfolger an einem höheren Standard gemessen werden, indem er diese beiden Beispiele anführte:

Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt ist: »Du sollst nicht töten«; wer aber tötet, der soll des Gerichts schuldig sein. Ich aber sage euch: Wer mit seinem Bruder zürnt, der ist des Gerichts schuldig; wer aber zu seinem Bruder sagt: Du Nichtsnutz!, der ist des Hohen Rats schuldig; wer aber sagt: Du Narr! [d.h. wer einen Mitmenschen als wertlos ansieht], der ist des höllischen Feuers schuldig (Matthäus 5, 21-22).

Ihr habt gehört, dass gesagt ist: »Du sollst nicht ehebrechen.« Ich aber sage euch: Wer eine Frau ansieht, sie zu begehren, der hat schon mit ihr die Ehe gebrochen in seinem Herzen (Matthäus 5, 27-28).

Deutlicher kann man es nicht machen. Jesus erwartete einen höheren Standard des Gehorsams gegenüber Gottes Gesetz. Er hat das Gesetz verherrlicht – vergrößert. Wir müssen nicht nur den Buchstaben des Gesetzes halten, sondern auch den Geist oder die Absicht des Gesetzes, das uns helfen soll, unserem Schöpfer ähnlicher zu werden. In der Tat heißt es, „das Gesetz ist durch Mose gegeben“, und später, um das Gesetz zu vergrößern und uns zu befähigen, es zu halten, ist „die Gnade und Wahrheit … durch Jesus Christus geworden“ (Johannes 1, 17).

Es gibt viele bekennende Christen, die trotz solcher klaren Aussagen und Beispiele um das Gesetz herum argumentieren. Und sie versuchen sogar, eine andere klare Aussage unseres Erlösers durch ihre Erklärungen beiseite zu schieben.

 

Was ist mit der Zeit nach der Kreuzigung?

Manche behaupten, dass das Gebot an den jungen reichen Mann, „die Gebote zu halten“, für ihn galt, weil Christus die Strafe für die Sünde noch nicht bezahlt hatte, dass aber diese Aufforderung Jesu nach seiner Kreuzigung nicht mehr gültig war. Das ist die Art menschlicher Argumentation, die diese Rüge unseres Erlösers zur Folge hatte: „Was nennt ihr mich aber Herr, Herr, und tut nicht, was ich euch sage?“ (Lukas 6, 46).

Galt diese Aussage nur, als er sie machte – in der Zeit vor seiner Kreuzigung? Ist das Gesetz mit ihm am Kreuz gestorben? Und sind die Menschen heute einsichtsvoller als diejenigen, die zu seiner Zeit lebten – vor oder nach seiner Auferstehung? Auf diese Fragen gibt es einfache Antworten, und wir werden sie in den nächsten Kapiteln beantworten. In unserem nächsten Kapitel werden wir sehen, dass der Aufbau des Neuen Testaments für das Verständnis unseres Themas von entscheidender Bedeutung ist und sich von dem unterscheidet, was die meisten heute darunter verstehen.

 

Kapitel 2

Die richtige Reihenfolge im Neuen Testament

 

Wir alle nehmen viele Dinge in diesem Leben als selbstverständlich hin. Wenn wir etwas nur auf eine Weise gesehen haben, ist es normal, es als „die Art und Weise, wie die Dinge sind“ zu akzeptieren. Wenn wir unser ABC kennen, wissen wir, dass A am Anfang und Z am Ende steht. So haben die meisten von uns das Alphabet gelernt – aber muss es wirklich so sein? Könnte das Alphabet mit T beginnen und mit K enden, mit all den anderen Buchstaben dazwischen? Oder könnten vielleicht alle Vokale zuerst kommen und die Konsonanten danach? Daran haben die meisten wahrscheinlich noch nie gedacht. Was ist also der Sinn?

Wenn Sie fast jede gängige deutschsprachige Bibel aufschlagen und sich das so genannte Neue Testament ansehen, werden Sie feststellen, dass es mit dem Buch Matthäus beginnt und mit dem Buch der Offenbarung endet – und das ist ziemlich so, wie es schon immer war. Aber zwischen diesen beiden Büchern ist es nicht so, wie es immer gewesen ist.

Ein Teil der Herausforderung bei der Klärung der Frage „Gesetz oder Gnade“ rührt von etwas her, von dem nur wenige Menschen etwas wissen – etwas, das vor fast 1.700 Jahren geschah. Um die Dinge einfach zu halten, werde ich mich zur Erklärung auf Bullingers The Companion Bible beziehen:

Unsere englischen Bibeln folgen der Reihenfolge, die in der lateinischen Vulgata angegeben ist. Diese Reihenfolge beruht also auf der willkürlichen Entscheidung eines Mannes, Hieronymus (382-405 n.Chr.). Alle Theorien, die sich auf diese Reihenfolge stützen, beruhen auf menschlicher Autorität und entbehren daher jeder wahren Grundlage.

Die griechischen Originalmanuskripte stimmen untereinander nicht überein, was die Reihenfolge der einzelnen Bücher angeht, und einige von ihnen weisen höchst bemerkenswerte Unterschiede auf.

Wir sind jedoch auf der sicheren Seite, wenn wir sagen, dass die Bücher im Allgemeinen in FÜNF WOHLDEFINIERTE GRUPPEN eingeteilt sind (Anhang 95, „The New Testament and the Order of Its Books“ [Das Neue Testament und die Ordnung seiner Bücher]).

Was die einzelnen Bücher innerhalb jeder der fünf Gruppen betrifft, so stellt Bullinger fest, dass nur die Paulusbriefe in den ältesten Handschriften immer in derselben Reihenfolge zu finden sind. Vor der Neuordnung durch Hieronymus finden sich jedoch alle fünf Gruppen mit den seltensten Ausnahmen immer in der gleichen Reihenfolge:

  1. Die vier Evangelien (Matthäus, Markus, Lukas und Johannes)
  2. Die Apostelgeschichte (das einzelne Buch)
  3. Die Allgemeinen Briefe (Briefe von Jakobus, Petrus, Johannes und Judas)
  4. Die Paulusbriefe (die Briefe des Paulus)
  5. Die Apokalypse (Buch der Offenbarung)

Bullinger weist darauf hin, dass selbst die vier Evangelien nicht immer in der gleichen Reihenfolge stehen, dass aber die Apostelgeschichte immer auf die vier Evangelien folgt, immer gefolgt von den Allgemeinen Briefen. Mehr zu diesem wichtigen Thema finden Sie in unserem Welt von Morgen Bibelfernlehrgang, Lektion eins. Der Kurs ist kostenlos erhältlich.

Leser, die mit modernen deutschsprachigen Bibeln vertraut sind, werden vielleicht überrascht sein, dass die Allgemeinen Briefe vor den Paulusbriefen standen, aber das ist wichtig: Petrus und Johannes waren zwei der wichtigsten Apostel Christi. Petrus war der Anführer unter ihnen, und Johannes war der letzte Lebende der ursprünglichen Zwölf. Johannes schrieb nicht nur drei Allgemeine Briefe, sondern auch eines der vier Evangelien und das Buch der Offenbarung. Es ist allgemein anerkannt, dass Jakobus und Judas die Halbbrüder Jesu waren. Obwohl sie keine frühen Anhänger waren (Johannes 7, 5), waren sie von der Auferstehung überzeugt und wussten sehr genau, wie ihr älterer Bruder dachte und lebte.

Im Vergleich dazu war der Apostel Paulus das, was wir als „Spätberufenen“ bezeichnen würden. Sogar Paulus bestätigt dies, indem er erklärte: „Denn ich bin der geringste unter den Aposteln, der ich nicht wert bin, dass ich ein Apostel heiße, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe“ (1. Korinther 15, 9). Später bezeichnete er sich selbst als den „allergeringsten unter allen Heiligen“ (Epheser 3, 8). Obwohl die meisten Gelehrten ihn als Verfasser einiger der frühesten Briefe identifizieren, war er der „Heidenapostel“ und präsentierte sein Material oft in einer Art und Weise, die selbst Petrus, sein Mitapostel, als „schwer zu verstehen“ bezeichnete (2. Petrus 3, 16).

Wer das Neue Testament in der Reihenfolge des Hieronymus liest, ist demzufolge viel eher geneigt, über die christliche Lehre – einschließlich des Verhältnisses von Gesetz und Gnade – verwirrt zu sein. Und das bringt uns zu einem wichtigen Schlüssel, um unser Verständnis für dieses Thema von Gesetz und Gnade zu öffnen: Wir verstehen das Neue Testament am besten, wenn wir es in der Reihenfolge lesen, in der es vor Hieronymus' Neuordnung vorgefunden wurde.

Bedenken Sie folgendes: Zwei dieser „Allgemeinen Briefe“ wurden von Petrus geschrieben, drei von Johannes. Petrus und Johannes waren zwei der drei Apostel (zusammen mit Jakobus, dem Sohn des Zebedäus), die Zeugen der Verklärung waren (Matthäus 17, 1-2), die Auferstehung eines Kindes miterlebten (Markus 5, 37-42) und in der Nacht, als Jesus verraten wurde, im Garten bei ihm waren (Matthäus 26, 36-37). Seine Halbbrüder Jakobus (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Sohn des Zebedäus) und Judas schrieben jeweils einzelne Briefe. Dies ist von Bedeutung. In der ursprünglichen Reihenfolge des Neuen Testaments folgen die sieben Briefe dieser vier Männer unmittelbar auf die Evangelien und die Apostelgeschichte. Sie gingen dem voraus, was Petrus als die „schwer verständlichen“ Briefe des Paulus bezeichnete (2. Petrus 3, 16). Es war die Kirche in Rom, die später die Reihenfolge änderte und den Römerbrief an die erste Stelle nach der Apostelgeschichte setzte.

Wenn wir das Neue Testament mit den Berichten über das Leben und die Lehren Christi an erster Stelle lesen, dann den Bericht über das Wachstum der neutestamentlichen Kirche und dann die leicht verständlichen Briefe von Jakobus, Petrus, Johannes und Judas, alle vor den „schwer verständlichen“ Briefen des Paulus, erhalten wir einen besseren Überblick über dieses Thema. Beachten Sie die eindeutigen Aussagen dieser vier Autoren, angefangen bei Jakobus, der die Zehn Gebote „das vollkommene Gesetz der Freiheit“ nannte (Jakobus 1, 25) und sagte, dass wir „durchs Gesetz der Freiheit gerichtet werden“ (Jakobus 2, 10-12). Dieses Gesetz sind eindeutig die Zehn Gebote, wie in Vers 11 gezeigt wird.

Martin Luther nannte den Jakobusbrief respektlos einen Strohbrief und sagte, er habe nichts mit dem Evangelium zu tun – also nichts mit der These vom „Glauben allein“, die Luther vertrat! Aber was sagte Jakobus selbst – der Halbbruder Christi – dazu? „Willst du nun einsehen, du törichter Mensch, dass der Glaube ohne Werke nutzlos ist? Ist nicht Abraham, unser Vater, durch Werke gerecht geworden, als er seinen Sohn Isaak auf dem Altar opferte? Da siehst du, dass der Glaube zusammengewirkt hat mit seinen Werken, und durch die Werke ist der Glaube vollkommen geworden“ (Jakobus 2, 20-22). Auf wen sollen wir nun hören – auf den Halbbruder von Christus oder auf einen verwirrten römisch-katholischen Priester, der abtrünnig geworden ist?

Luther hatte Recht, dass die Auswüchse des Ablasshandels und anderer Werke der katholischen Kirche ein Irrtum waren, aber seine Lösung der Gnade unabhängig vom Gesetz war absolut nicht richtig!

 

„Kennen Sie den Herrn?”

Das gilt nicht nur für Jakobus. Jede der Allgemeinen Briefe hat viel über das Gesetz Gottes zu sagen. Wahrscheinlich haben Sie schon einmal jemanden fragen hören: „Kennen Sie den Herrn?“ Das ist eine berechtigte Frage, auch wenn sie ziemlich persönlich ist und vielleicht nicht sehr höflich gestellt worden sein sollte. Aber wie sollen wir sie beantworten? Wie antworten Sie darauf? Und was noch wichtiger ist: Wie antwortet Gott auf diese Frage? Johannes, der Apostel der Liebe, sagte uns: „Und daran merken wir, dass wir ihn erkannt haben, wenn wir seine Gebote halten. Wer sagt: Ich habe ihn erkannt, und hält seine Gebote nicht, der ist ein Lügner, und in dem ist die Wahrheit nicht. Wer aber sein Wort hält, in dem ist wahrlich die Liebe Gottes vollkommen. Daran erkennen wir, dass wir in ihm sind“ (1. Johannes 2, 3-5).

Das ist so klar, dass es keiner Erklärung bedarf. Aber die Antinomisten umschiffen die Worte des Johannes, indem sie behaupten, es gebe einen Unterschied zwischen den Geboten Jesu und dem, was sie als das „harte“ alttestamentliche Gesetz ansehen – ein Thema, das wir später behandeln werden. Die Aussage des Johannes sollte für sich genommen ausreichen, aber ich werde hier aus einem hoch angesehenen, modernen Bibelkommentar zu diesen Versen zitieren, um zu zeigen, dass wir von der Welt von Morgen und der Living Church of God nicht die einzigen sind, die die klare Aussage von Johannes verstehen:

Als nächstes kommt eine Prüfung, an der die Menschen erkennen können, ob sie trotz ihres Versagens in rechter Beziehung zu Gott stehen und in Gemeinschaft mit ihm wandeln. Der Test ist, ob sie seine Gebote halten. Es ist für Menschen, die Gott wirklich kennen, unmöglich, in ihrem täglichen Leben von dieser Erkenntnis unberührt zu bleiben.... Für Johannes ist die Erkenntnis Gottes keine mystische Vision oder intellektuelle Einsicht. Sie zeigt sich, wenn wir seine Gebote halten. Gehorsam ist keine spektakuläre Tugend, aber er ist die Grundlage für jeden wahren christlichen Dienst. Der Mensch, der behauptet, diese Erkenntnis zu haben, aber seine Gebote nicht hält, sagt Johannes ganz offen, ist ein Lügner. Er unterstreicht dies mit dem Zusatz, die Wahrheit sei nicht in ihm (The New Bible Commentary: Revised, Hrsg. Donald Guthrie et al., 1970, Seite 1263).

Johannes fuhr in diesem Abschnitt mit dieser Aussage fort, die man auf keinen Fall übersehen darf: „Wer sagt, dass er in ihm bleibt, der soll so leben, wie er gelebt hat“ (1. Johannes 2, 6). Wie viele bekennende Christen „leben so, wie er gelebt hat“?

Zwei weitere Zitate aus den Johannesbriefen tragen zum richtigen Verständnis dieses Themas bei. Das erste offenbart etwas sehr Wichtiges, das den Antinomisten oft entgeht – die biblische Definition von Sünde. „Ein jeder, der Sünde tut, übertritt das Gesetz, und die Sünde ist die Gesetzesübertretung“ (1. Johannes 3, 4; Schlachterbibel).

Wenn wir nun für die Sünde Buße tun sollen, bedeutet das denn nicht, dass wir uns von der Übertretung des Gesetzes abwenden müssen? Ganz genau! Dennoch behaupten die Antinomisten – wiederum, diejenigen, die gegen das Gesetz sind –, dass das Halten des Gesetzes Gottes eine Last sei und dass alles, was wir brauchen, Liebe sei. Aber sagt das auch die Bibel? Laut dem Apostel Johannes nicht! „Denn das ist die Liebe zu Gott, dass wir seine Gebote halten; und seine Gebote sind nicht schwer“ (1. Johannes 5, 3).

Ein junger Mann kam nach einer unserer Welt von Morgen-Vorträge in der Nähe von Vancouver, British Columbia, auf mich zu, nachdem er gehört hatte, dass ich 1. Johannes 5, 3 zitiert hatte, und fragte: „Mein Pfarrer sagt, die Gebote sind eine Belastung – was meinen Sie, was ich tun soll?“ Meine Antwort war die gleiche wie die, die ich Ihnen jetzt gebe: „Sie können Johannes glauben, einem der ersten Apostel Christi, der zwei Bücher und drei Briefe in der Bibel geschrieben hat, oder Sie können Ihrem Pfarrer glauben. So einfach ist das“. Also, wem werden Sie glauben?

Und wir müssen uns fragen: Was empfinden die Menschen an den Zehn Geboten als so belastend?

 

Der ein für allemal anvertraute Glaube

Gegen Ende des ersten Jahrhunderts nach Christus schrieb der Halbbruder Jesu, Judas, einen der kürzesten Briefe der Bibel. Darin sah er sich veranlasst, das gesetzlose Verhalten anzusprechen, da die Menschen die wahre Lehre bereits korrumpiert hatten:

Ihr Lieben, da es mich drängt, euch zu schreiben von unser aller Heil, halte ich’s für nötig, euch in meinem Brief zu ermahnen, dass ihr für den Glauben kämpft, der ein für alle Mal den Heiligen anvertraut ist. Denn es haben sich einige Menschen eingeschlichen, über die schon längst das Urteil geschrieben ist: Gottlose sind sie, verkehren die Gnade unseres Gottes ins Gegenteil, in Ausschweifung, und verleugnen unsern alleinigen Herrscher und Herrn Jesus Christus (Judas 1, 3-4).

Der „ein für allemal anvertraute Glaube“ ist nicht das Christentum des achtzehnten oder neunzehnten Jahrhunderts. Es ist das Christentum von Christus und den Aposteln. Und selbst im ersten Jahrhundert wurde dieser Glaube bereits korrumpiert. Gottlose Menschen verwandelten Gottes Gnade – seine unverdiente Vergebung für unsere Übertretungen seiner Gesetze – in eine Erlaubnis, ein Leben zu führen, das dem Beispiel Jesu zuwiderlief.

Judas (wie auch Petrus) hat Ratschläge für moderne Kirchen, die die LGBTQIA+-Bewegung unterstützen und sogar Priester und Geistliche mit dieser Überzeugung in ihren korrumpierten Organisationen ordinieren:

Auch die Engel, die ihren hohen Rang nicht bewahrten, sondern ihre Wohnstatt verließen, hat er für das Gericht des großen Tages aufbewahrt mit ewigen Banden in der Finsternis. So sind auch Sodom und Gomorra und die umliegenden Städte, die gleicherweise wie sie Unzucht getrieben haben und anderem Fleisch nachgegangen sind, zum Beispiel gesetzt und leiden des ewigen Feuers Pein (Judas 1, 6-7; vgl. 2. Petrus 2, 5-6).

Wenn die Leser des Neuen Testaments diese vier kurzen und leicht verständlichen Briefe – geschrieben von zwei ursprünglichen Aposteln und zwei Halbbrüdern Jesu – lesen würden, bevor sie die Briefe des Paulus lesen, könnten sie die Aussagen des Paulus, von denen selbst der Apostel Petrus sagte, sie seien schwer zu verstehen, in den richtigen Zusammenhang stellen.

Innerhalb eines Gedankengangs lesen wir die Erklärung von Petrus: „…wie auch unser geliebter Bruder Paulus … euch geschrieben hat. Davon redet er in allen Briefen, in denen einige Dinge schwer zu verstehen sind, welche die Unwissenden und Leichtfertigen verdrehen werden, wie auch die anderen Schriften, zu ihrer eigenen Verdammnis. Ihr aber, meine Lieben, weil ihr das im Voraus wisst, so hütet euch, dass ihr nicht durch den Irrtum dieser ruchlosen Leute mitgerissen werdet und euren festen Halt verliert“ (2. Petrus 3, 15-17).

Lesen Sie diesen Abschnitt noch einmal mit folgenden Punkten im Hinterkopf: Petrus bezeichnete die Schriften des Paulus als „Schriften“. Deshalb dürfen sie nicht vernachlässigt werden. In der Tat geben sie uns viel Aufschluss über dieses Thema. Aber Petrus sagte auch, dass einige Dinge, die Paulus geschrieben hat, schwer zu verstehen sind, und er warnte uns, uns zu „hüten“, damit wir nicht „durch den Irrtum dieser „ruchlosen Leute“ verführt werden. Manche Übersetzungen sagen „gewissenlose Menschen“. In der Interlinearbibel heißt es „Gesetzlose“. Es sollte offensichtlich sein, dass die „ruchlosen Leute“, die die Schriften des Paulus „verdrehten“, ein Problem mit dem Gesetz hatten!

Nachdem wir nun verstanden haben, was Jesus, Jakobus, Petrus, Johannes und Judas gelehrt haben, können wir uns im nächsten Kapitel den Schriften des Paulus zuwenden, wo wir zu sehen beginnen, dass es Gesetz und Gnade ist, nicht das eine oder das andere. Während Judas und die anderen Verfasser der Allgemeinen Briefe sahen, wie gottlose Menschen „die Gnade unseres Gottes ins Gegenteil, in Ausschweifung“ verwandelten, hatte es Paulus mit Judaisierern zu tun, die versuchten, den Heiden die Beschneidung und andere israelitische Vorschriften aufzuzwingen. Alle Apostel und Verfasser des Neuen Testaments, einschließlich Paulus, waren sich darüber im Klaren, dass es auf das Verhalten ankommt, dass aber kein noch so großes Maß an aktueller oder zukünftiger Gesetzestreue unsere vielen Sünden bedecken kann – nur das vergossene Blut des Sohnes Gottes kann das tun. Das ist es, was wir Gnade nennen, und nichts in dieser Broschüre soll dieses höchste Geschenk Gottes schmälern oder untergraben. (Für weitere Informationen können Sie eine andere unserer kostenlosen Broschüren anfordern, Johannes 3, 16: Der goldene Vers und seine verborgenen Wahrheiten, oder sie können diese online auf weltvonmorgen.org lesen). Lesen Sie weiter, um zu sehen, wie Gesetz und Gnade sich zu einem vollständigen Bild zusammenfügen.

 

 

Kapitel 3

Paulus wendet sich an die Römer

 

Ich möchte Ihnen ein modernes Gleichnis geben. Ein bestimmter Mann ging eines Abends in eine Bar. Nachdem er zu viel Zeit an der Flasche verbracht hatte, stieg er in sein Auto und fuhr nach Hause. Auf dem Weg dorthin übersah er eine rote Ampel, stieß mit einem anderen Auto zusammen und verletzte dessen Insassen schwer. Sechs Monate später erschien er vor dem Richter, der ihn fragte: „Wie plädieren Sie?“

Er fühlte sich sehr reumütig und plädierte: „Schuldig im Sinne der Anklage, Euer Ehren“.

Der Richter stellte den Mann vor die Wahl: entweder eine Geldstrafe von einer Million Dollar oder ein Jahr Gefängnis.

Der Mann dachte sich: „Ich habe keine Million Dollar – aber wenn ich ins Gefängnis komme, wer wird dann für meine Frau und meine Kinder sorgen?“ Also flehte er den Richter an, drückte sein tiefes Bedauern über seine Tat aus und schlug Folgendes vor: „Euer Ehren, ich verspreche, nie wieder betrunken zu fahren. Ich werde mich an alle Verkehrsregeln halten, jeden Penny, den ich an Steuern schulde, bezahlen und von heute an alle Gesetze so perfekt einhalten, wie es mir möglich ist“.

„Das erwarten wir von allen Menschen“, antwortete der Richter, „aber Sie haben das Gesetz gebrochen und einen Menschen schwer verletzt. Wenn Sie sich von heute an das Gesetz halten, wird das nicht ungeschehen machen, was Sie vor sechs Monaten getan haben. Wählen Sie: ein Jahr Gefängnis oder eine Million Dollar“.

Im hinteren Teil des Gerichtssaals saß ein Mann, der meinte: „Dieser Mann bereut wirklich, was er getan hat. Ich glaube, er wird sein Bestes tun, um das Gesetz von heute an zu befolgen. Ich werde die Strafe für ihn bezahlen“.

In unserem Gleichnis ist die Bezahlung dieses Mannes das, was Jesus für Sie und für mich getan hat, wenn wir unsere Sünden bereuen und seine Bezahlung für uns annehmen. Aber glauben Sie, dass der freundliche Herr die Strafe bezahlen würde, wenn er glaubte, der Schuldige würde das Gesetz missachten, das ihn vor den Richter brachte? Warum denken die Menschen das von Jesus?

Hat die Tatsache, dass die Strafe beglichen wurde, das Gesetz irgendwie außer Kraft gesetzt? Konnte der Mann den Gerichtssaal in dem Glauben verlassen, dass durch die Gnade, die ihm von dem großzügigen Herrn, der sich für ihn einsetzte, zuteilwurde, alle Gesetze irgendwie außer Kraft gesetzt worden waren? Doch genau das ist es, was die Antinomisten als „Abschaffung des Gesetzes“ lehren – nicht nur, dass die Strafe bezahlt wurde, sondern dass das Gesetz ans Kreuz genagelt wurde und wir es nicht mehr zu halten brauchen!

Was einige der Paulusbriefe betrifft, so haben wir gesehen, dass Petrus zu Recht sagte, sie enthielten einige Dinge, die „schwer zu verstehen sind, welche die Unwissenden und Leichtfertigen verdrehen werden, wie auch die andern Schriften“ (2. Petrus 3, 16). Aber wenn Sie die Allgemeinen Briefe lesen, bevor Sie die Schriften des Paulus lesen, werden Sie sie durch die Linse sehen, wie Gesetz, Gnade und Rechtfertigung zusammenwirken und nicht gegeneinander, wie uns die obige Geschichte im Gerichtssaal zeigt.

 

Setzt Paulus Jesus außer Kraft?

Wie wir bereits festgestellt haben, sollen wir in den Fußstapfen von Jesus wandeln. Er ist der Fels, der wichtigste Eckstein, der Maßstab, den wir nachahmen sollen, und er gebot uns, das Gesetz zu halten – die Zehn Gebote. Er erklärte, dass das Gesetz nicht vergehen wird, solange Himmel und Erde bestehen. Seine beiden Halbbrüder (Jakobus und Judas) sowie zwei der bekanntesten Apostel der Zwölf (Petrus und Johannes) schrieben zusammen sieben Briefe, in denen sie das Gesetz Gottes hochhielten.

Warum also glauben die Menschen, dass Paulus auftauchte, um das, was Jesus (und seine engsten Vertrauten) lehrten, rückgängig zu machen? Hat Gott für Juden einen anderen Maßstab als für Heiden? Wurden die Gebote „ans Kreuz genagelt“? Hat Gott einen wöchentlichen Sabbat und eine Reihe von jährlichen Festen für Juden, und eine andere Regelung für die Heiden? Offensichtlich nicht. Das würde nicht mit Paulus' Betonung der Bewahrung der Einheit des Glaubens übereinstimmen (Epheser 4, 4-6; Galater 3, 26-29). Sind die Gesetze gegen Mord, Ehebruch und Diebstahl wirklich abgeschafft? Wenn die Sabbate und heiligen Tage, die Jesus und seine Apostel hielten, auf den Müllhaufen geworfen werden, was ist dann die Alternative? Sollen sie durch heidnische Bräuche ersetzt werden, wie es das „Mainstream-Christentum“ getan hat? Denken Sie darüber nach – macht das Sinn? Und ist es das, was Paulus uns sagte?

Wie bereits erwähnt, ist Römer 6, 14 ein Lieblingsvers der Antinomisten. „Denn die Sünde wird nicht herrschen über euch, weil ihr ja nicht unter dem Gesetz seid, sondern unter der Gnade“. Für sich genommen und aus dem Zusammenhang gerissen, könnte man meinen, dass damit das Gesetz abgeschafft wird – aber hat Paulus das gemeint, als er diesen Vers schrieb? Was sagt uns der Kontext? Betrachten Sie die folgenden Verse. „Wie nun?“ fragte Paulus. „Sollen wir sündigen, weil wir nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade sind?“ (Römer 6, 15).

Erinnern wir uns daran, dass nach 1. Johannes 3, 4 Sünde die Übertretung des Gesetzes ist. Paulus fragte also, ob wir Gottes Gesetz brechen sollten, weil wir unter der Gnade stehen. Seine Antwort? Schlagen Sie Ihre Bibel auf und lesen Sie sie selbst:

Das sei ferne! Wisst ihr nicht? Wem ihr euch zu Knechten macht, um ihm zu gehorchen, dessen Knechte seid ihr und dem gehorcht ihr – entweder als Knechte der Sünde [des Gesetzesbruchs] zum Tode oder als Knechte des Gehorsams zur Gerechtigkeit. Gott sei aber gedankt: Ihr seid Knechte der Sünde gewesen, aber nun von Herzen gehorsam geworden der Gestalt der Lehre, an die ihr übergeben wurdet. Denn indem ihr nun frei geworden seid von der Sünde [nicht um zu sündigen], seid ihr Knechte geworden der Gerechtigkeit (Römer 6, 15-18).

Ein weiterer beliebter antinomischer Vers ist Römer 3, 28: „Denn wir sind der Überzeugung, dass der Mensch gerecht wird durch Glauben, unabhängig von Werken des Gesetzes“ (Einheitsübersetzung). Dieser Vers trifft den Kern der Kontroverse. Ein Großteil der Schwierigkeiten mit den Briefen des Paulus dreht sich um ein Wort: Rechtfertigung.

Für den flüchtigen Leser ist es leicht, Rechtfertigung mit Erlösung zu verwechseln. Diese beiden Wörter sind zwar miteinander verwandt, bedeuten aber nicht dasselbe. Wir hören oft, dass wir durch den Tod Christi gerettet werden, aber ist das biblisch? Sünde ist die Übertretung des Gesetzes (1. Johannes 3, 4; Schlachterbibel). Sie trennt uns von Gott und schafft einen Riss, der geheilt werden muss (Jesaja 59, 1-2). Der Tod Christi, sein vergossenes Blut, bezahlt die Strafe für die Sünde (den Tod) in unserem Namen, und wischt die Schiefertafel unserer vergangenen Sünden ab, wodurch wir mit Gott versöhnt werden. Dadurch werden wir wieder mit Gott in Einklang gebracht. Rechtfertigung ist die Vergebung der vergangenen Sünden.

Paulus erklärte diese Begriffe und wie sie sich unterscheiden. „Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren. Um wie viel mehr werden wir nun durch ihn gerettet werden vor dem Zorn, nachdem wir jetzt durch sein Blut gerecht geworden sind. Denn wenn wir mit Gott versöhnt worden sind durch den Tod seines Sohnes, als wir noch Feinde waren, um wie viel mehr werden wir selig [gerettet] werden durch sein Leben, nachdem wir nun versöhnt sind“ (Römer 5, 8-10).

 

Gerettet durch sein Leben?

Die Erlösung ist ein Prozess. Zu den Schritten auf dem Weg zur Erlösung gehören:

  • Der Glaube an Christus (Hebräer 6, 1; 11, 6).
  • Umkehr von der Sünde und Glaube an die Botschaft des Evangeliums (Markus 1, 15).
  • Die Taufe durch Untertauchen und der Empfang des Heiligen Geistes (Apostelgeschichte 2, 38; 8, 35-39; 8, 1-18).
  • Das Innewohnen Christi durch den Heiligen Geist (Römer 8, 9).
  • Überwinden und treu bleiben bis zum Ende (Matthäus 24, 13; Offenbarung 17, 14).

Die Erlösung ist ein Geschenk Christi an uns, aber wir dürfen nicht denken, dass wir keinen Anteil am Erlösungsprozess haben – dass alles „für uns getan“ ist, wie so viele fälschlicherweise predigen. Wir müssen wachsen und denselben Charakter unseres Erlösers entwickeln. Paulus erklärte: „Ich bin mit Christo gekreuzigt. [dieser Prozess beginnt mit der Taufe] Ich lebe aber; doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir [wir steigen aus dem Wasser, dem „Grab“ der Taufe, auf]; Denn was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich in dem Glauben des Sohnes Gottes, der mich geliebt hat und sich selbst für mich dargegeben (Galater 2, 19-20; Lutherbibel 1912).

Durch die Kraft des Heiligen Geistes wirkt Christus in uns, um uns von dem, was wir einmal waren, in das zu verwandeln, was wir sein sollen – doch wir haben auch einen Anteil an diesem Prozess. Beachten Sie, dass wir unsere fleischlichen Gewohnheiten ablegen sollen. „Denn wenn ihr nach dem Fleisch lebt, so werdet ihr sterben müssen; wenn ihr aber durch den Geist die Taten des Leibes tötet, so werdet ihr leben“ (Römer 8, 13). Paulus bestätigte dies mit seiner Aufforderung an die Kolosser: „So tötet nun die Glieder, die auf Erden sind, Unzucht, Unreinheit, schändliche Leidenschaft, böse Begierde und die Habsucht, die Götzendienst ist“ (Kolosser 3, 5). Das Ergebnis ist, dass wir ganz anders sein sollen als das, was wir vor unserer Taufe waren. „Darum: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden“ (2. Korinther 5, 17).

Bei einer Abhandlung über Taufe erklärte Paulus diesen Prozess der Veränderung. Da er wusste, dass einige seine Aussagen über die Gnade missverstehen könnten, versucht er, sie zu klären, indem er fragte: „Was wollen wir hierzu sagen? Sollen wir denn in der Sünde beharren, damit die Gnade umso mächtiger werde?“ (Römer 6, 1). Seine Antwort war eindeutig: „Das sei ferne! Wir sind doch der Sünde gestorben. Wie können wir noch in ihr leben?“ (Vers 2). Dann erklärte er, was es bedeutet, der Sünde zu sterben: die Wassertaufe, begleitet von aufrichtiger Reue über unsere Sünden und der Annahme Christi als Retter.

Oder wisst ihr nicht, dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft? So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, auf dass, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, so auch wir in einem neuen Leben wandeln. Denn wenn wir mit ihm zusammengewachsen sind, ihm gleich geworden in seinem Tod, so werden wir ihm auch in der Auferstehung gleich sein (Verse 3-5).

 

Mit Gott versöhnt

Die meisten Menschen, die schon einmal eine Textverarbeitung benutzt haben, kennen die Bedeutung des Begriffs „Blocksatz“ in einem säkularen Kontext. Wenn alle Zeilen auf einer Seite links ausgerichtet sind, nennt man das „Linksbündigkeit“. Manchmal sieht man „Rechtsbündigkeit“, bei der die Schrift am rechten Rand ausgerichtet ist. Dies kann mit einem Tastendruck am Computer geschehen. Dann gibt es den „Blocksatz“, bei dem sowohl die rechte als auch die linke Seite gerade sind. In diesem Fall ist der Text so formatiert, dass die Zeilen auf einer Linie anfangen und enden.

In einem geistlichen Sinne bringen uns unsere Sünden dazu, dass wir nicht mehr „auf Linie“ mit Gott sind. Wir sind nicht mehr synchron – nicht mehr in Harmonie – mit ihm, weil wir gegen sein Gesetz verstoßen haben. Es gibt eine Strafe für die Übertretung dieses Gesetzes, und diese Strafe ist der Tod (Römer 6, 23). Deshalb müssen wir gerechtfertigt werden, wieder in Einklang und auf eine Linie gebracht werden, um mit ihm versöhnt zu werden. All unser zukünftiges Einhalten des Gesetzes kann unsere vergangenen Sünden, deren Strafe der Tod ist, nicht rechtfertigen. Nur der Tod unseres Schöpfers, dessen Leben mehr wert ist als all unsere Leben zusammen, kann diese Strafe für uns bezahlen. Ich werde dies im nächsten Kapitel näher erläutern, und es ist eine grundlegende Wahrheit, die man nicht übersehen sollte. Doch bedenken Sie zunächst, wie unvernünftig die Behauptung ist, das Gesetz sei abgeschafft worden.

Lassen Sie für einen Moment beiseite, was andere Ihnen über die Abschaffung des Gesetzes erzählt haben, und betrachten Sie den gesamten Kontext von Paulus' Worten. Ist Ihnen klar, dass Sie, wenn Sie Gottes Gesetz abschaffen, auch die Notwendigkeit der Vergebung durch Gott abschaffen? Das ist so grundlegend, dass es sogar ein Kind verstehen kann. Wenn es kein Gesetz gibt, kann es auch keinen Gesetzesbruch geben. Das ist reine Logik und wurde von dem Apostel geschrieben, von dem manche sagen, er habe das Gesetz verworfen: „Denn wenn jene, die aus dem Gesetz leben, Erben sind, dann ist der Glaube nichts, und die Verheißung ist dahin. Denn das Gesetz richtet Zorn [die Todesstrafe] an; wo aber das Gesetz nicht ist, da ist auch keine Übertretung“ (Römer 4, 14-15).

Sünde ist nach der Bibel die Übertretung des Gesetzes (1. Johannes 3, 4 Schlachterbibel). Wenn man also das Gesetz abschafft, schafft man zwangsläufig auch die Sünde ab. Wenn es keine Sünde gibt, kann es auch keine Strafe geben. Und wenn es keine Strafe gibt, braucht es auch keine Vergebung, keine Gnade, keinen Erlöser!

Tatsächlich setzt die Gnade – die unverdiente Vergebung unserer Sünden – voraus, dass das Gesetz in Kraft ist. Ist es nicht das, was Paulus uns sagte? „Heben wir das Gesetz auf durch den Glauben? Das sei ferne! Sondern wir richten das Gesetz auf“ (Römer 3, 31).

Im nächsten Kapitel werden wir uns mit dem Brief des Paulus an die Galater befassen – ein Brief, der viele verwirrt hat.

 

 

Ist Christus „des Gesetzes Ende“?

Viele sind verwirrt über die Aussage von Paulus in Römer 10, 4: „Denn Christus ist des Gesetzes Ende, zur Gerechtigkeit für jeden, der glaubt“. Bedeutet das, dass das Gesetz Gottes mit Christus ein „Ende“ hat?

Das Wort „Ende“ wird hier oft missverstanden. Es kann sicherlich das Ende von etwas bedeuten, aber es bedeutet auch den Zweck oder das Ziel von etwas. Das griechische Wort telos, das hier mit „Ende“ übersetzt wird, wird von Paulus in 1. Timotheus 1, 5 folgendermaßen verwendete: „Das Ziel [telos] der Unterweisung aber ist Liebe aus reinem Herzen und aus gutem Gewissen und aus ungeheucheltem Glauben“. Auch Petrus verwendete es in 1. Petrus 1, 8-9 so: „Ihn habt ihr nicht gesehen und habt ihn doch lieb; und nun glaubt ihr an ihn, obwohl ihr ihn nicht seht; ihr werdet euch aber freuen mit unaussprechlicher und herrlicher Freude, wenn ihr das Ziel [telos] eures Glaubens erlangt, nämlich der Seelen Seligkeit“. Meinte Petrus damit das Aufhören ihres Glaubens? Nein, natürlich nicht. Vielmehr sprach er vom Zweck oder Ziel ihres Glaubens.

Welche Bedeutung von „Ende“ trifft in Römer 10, 4 zu? Die Antwort wird durch andere Bibelstellen geklärt. In Römer 6, 12 sagte Paulus ganz klar: „So lasst nun die Sünde nicht herrschen in eurem sterblichen Leibe, und leistet seinen Begierden keinen Gehorsam“. Er sagte auch: „Durch das Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde“ (Römer 3, 20). Und wie Johannes erklärte, ist Sünde die „Gesetzesübertretung“ (1. Johannes 3, 4; Schlachterbibel).

Nein, das Gesetz hört nicht bei Christus auf und existiert nicht mehr. Mord ist immer noch Sünde. Ehebruch ist immer noch Sünde. Wenn überhaupt, dann hat Jesus das Gesetz in der Bergpredigt noch verbindlicher gemacht, indem er uns aufforderte, diese Gebote auch in unserem Verstand und in unserem Herzen zu halten (Matthäus 5, 21-30).

Vielmehr ist Jesus Christus der Zweck oder das Ziel des Gesetzes. Gottes Gesetz unterstreicht unsere Notwendigkeit seines Opfers und weist uns auf seinen Charakter und seine Gerechtigkeit hin. Wie Paulus an anderer Stelle erklärte, ist das Ziel unseres Glaubens, dass „Christus in euch Gestalt gewinne“ (Galater 4, 19) – dass sein Charakter und seine Liebe in uns gebildet werden, wenn wir ihm erlauben, durch seinen Geist in uns zu leben (Galater 2, 20).

– Wallace G. Smith

 

 

Kapitel 4

Paulus wendet sich an die Galater

 

Wenn man wie ich damals 17 Jahre alt ist und jemand ein paar Passagen aus den Schriften des Paulus herauspickt, könnte man zu dem Schluss kommen, dass wir frei vom Gesetz sind. Schließlich sagte Paulus: „Christus aber hat uns losgekauft von dem Fluch des Gesetzes“ (Galater 3, 13). Wie könnte jemand das Gesetz halten wollen, wenn die Bibel es als Fluch beschreibt? Mir wurde gesagt, dass ich die Erlösung verliere, wenn ich versuche, das Gesetz zu halten. Und es folgte der verächtliche Vorwurf: Du versuchst, dich durch deine Werke zu retten!

Wenn das Gesetz selbst ein Fluch ist, wirft das natürlich viele Fragen auf. Wenn die Gebote abgeschafft sind, heißt das dann nicht, dass es in Ordnung ist, zu morden, Ehebruch zu begehen, zu stehlen, die Eltern zu entehren und andere Götter vor dem wahren Gott zu haben? Kann ich tun, was ich will? Das sind keine kleinen Fragen!

Halten Sie inne und überlegen Sie: Wie wir gerade gesehen haben, sagte Paulus: „Wo aber das Gesetz nicht ist, da ist auch keine Übertretung“ (Römer 4, 15). Und wie wir bereits gesehen haben, definierte der Apostel Johannes Sünde als Übertretung von Gottes Gesetz: „Ein jeder, der Sünde tut, übertritt das Gesetz, und die Sünde ist die Gesetzesübertretung“ (1. Johannes 3, 4; Schlachterbibel).

Was wollte Paulus den Menschen in Galatien in Galater 3, 13 sagen? Hat er wirklich gesagt, dass das Gesetz selbst ein Fluch ist? Weit davon entfernt, das abzuschaffen, was viele für das alttestamentliche Gesetz halten, zitiert Paulus aus ihm! Beginnen wir mit Galater 3, 10: „Denn die aus des Gesetzes Werken leben, die sind unter dem Fluch. Denn es steht geschrieben: »Verflucht sei jeder, der nicht bleibt bei alledem, was geschrieben steht in dem Buch des Gesetzes, dass er’s tue!“ Betrachten wir nun den Kontext. Dieses Zitat stammt aus 5. Mose 27, wo die Hälfte Israels auf dem Berg Garizim stehen sollte, um Segnungen für Gehorsam auszusprechen. Die andere Hälfte sollte auf dem Berg Elbal stehen und Flüche für Ungehorsam aussprechen. Beachten Sie die Verhaltensweisen, die Flüche über das Volk bringen würden:

  • Verflucht sei, wer einen Götzen oder ein gegossenes Bild macht, einen Gräuel für den Herrn, ein Werk von den Händen der Werkmeister, und es heimlich aufstellt (5. Mose 27, 15).
  • Verflucht sei, wer seinen Vater oder seine Mutter verunehrt (Vers 16).
  • Verflucht sei, wer seines Nächsten Grenze verrückt (Vers 17).
  • Verflucht sei, wer einen Blinden irreführt auf dem Wege (Vers 18).
  • Verflucht sei, wer das Recht des Fremdlings, der Waise und der Witwe beugt (Vers 19).
  • Verflucht sei, wer bei der Frau seines Vaters liegt (Vers 20).
  • Verflucht sei, wer bei irgendeinem Tier liegt (Vers 21).
  • Verflucht sei, wer bei seiner Schwester liegt (Vers 22).
  • Verflucht sei, wer bei seiner Schwiegermutter liegt (Vers 23).
  • Verflucht sei, wer seinen Nächsten heimlich erschlägt (Vers 24).
  • Verflucht sei, wer Geschenke nimmt, dass er unschuldiges Blut vergieße (Vers 25).

Das ganze Volk sollte diese Flüche mit „Amen“ bestätigen. In diesem Zusammenhang zitierte Paulus in Galater 3, 10 aus 5. Mose 27, 26: „Verflucht sei, wer nicht alle Worte dieses Gesetzes erfüllt“. Eine bessere Übersetzung des Griechischen von Paulus drückt es etwas anders aus: „Verflucht sei jeder, der nicht bleibt bei alledem, was geschrieben steht in dem Buch des Gesetzes, dass er’s tue“.

Paulus wies darauf hin, dass, wenn auch nur ein einziges Gesetz übertreten wird, der Schuldige unter einem Fluch steht – letztlich unter der Todesstrafe. Wenn also Irrlehrer behaupteten, dass der Weg zur Rechtfertigung – zur Vergebung vergangener Sünden – über das Halten des Gesetzes führt, standen sie unter einem Fluch, da niemand außer Christus das Gesetz vollkommen gehalten hat. Wir müssen auf eine andere Methode zur Vergebung der Sünden zurückgreifen. In dieser Hinsicht sind die Worte des Paulus zutreffend: „Dass aber durchs Gesetz niemand gerecht wird vor Gott, ist offenbar; denn »der Gerechte wird aus Glauben leben«“ (Galater 3, 11). Ohne den Glauben und das Opfer von Jesus Christus gibt es keine Rechtfertigung.

Gehen Sie noch einmal die Sünden durch, die in 5. Mose 27 aufgelistet sind: Gibt es auch nur eine Verhaltensweise, von der Sie glauben, dass sie Gott gefallen würde? Im Gegenteil, jeder rechtschaffene Christ sollte erkennen, dass jedes der aufgeführten Verhaltensweisen eine Sünde ist, die es zu vermeiden gilt. Paulus fuhr fort: „Das Gesetz aber ist nicht »aus Glauben«, sondern: »der Mensch, der es tut, wird dadurch leben«“ (Galater 3, 12). Es waren nicht nur die Zehn Gebote, die Paulus ansprach. Diejenigen, die die Galater verwirrten, befassten sich mit der Beschneidung und allem, was damit zusammenhing, als ob man eine legalistische, rituelle Leiter für uns basteln könnte, um der Sünde und der Todesstrafe, die wir verdient haben, zu entkommen, abgetrennt vom Glauben an Christus. Die physische Beschneidung, das Waschen der Hände auf eine besondere Art und Weise und eine Menge anderer physischer Vorschriften – nichts davon erfordert Glauben.

 

Beschneidung

Wie im Römerbrief ging es Paulus auch im Galaterbrief darum, wie Menschen von vergangenen Sünden gerechtfertigt werden können – wie ihnen vergeben werden kann und die Todesstrafe aufgehoben wird. Die Rechtfertigung steht im Mittelpunkt dieses Briefes, weil aus dem Judentum eingebrachte Irrlehren begannen, die christlichen Gemeinden in dieser Region zu unterwandern. Schon bei einer flüchtigen Lektüre dieses Briefes wird die Behauptung bestimmter Juden deutlich, dass die Heiden beschnitten werden und verschiedene andere jüdische Vorschriften einhalten müssten. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass die als Judentum bekannte Religion mit ihren vielen von Menschen erfundenen Praktiken nicht die Religion der Bibel ist. Wir sehen das an den Konflikten zwischen Jesus und den Pharisäern über ihre vielen zusätzlichen Vorschriften (Anforderungen, die nirgendwo in der Heiligen Schrift zu finden sind), die sie für die Einhaltung des Gesetzes hielten – und die sie sogar für wichtiger hielten als die Gesetze Gottes (Matthäus 15, 3-9.20).

Die Beschneidung war so umstritten, dass Apostel und Älteste in Apostelgeschichte 15 zusammenkamen, um diese Frage ein für alle Mal zu klären. Und dass die Beschneidung eine große Rolle in der Irrlehre bei den Galatern spielte, ist offensichtlich. „Die Ansehen haben wollen nach dem Fleisch, die zwingen euch zur Beschneidung, nur damit sie nicht um des Kreuzes Christi willen verfolgt werden. Denn nicht einmal sie selbst, die sich beschneiden lassen, halten das Gesetz, sondern sie wollen, dass ihr euch beschneiden lasst, damit sie sich eures Fleisches rühmen können“ (Galater 6, 12-13). „Aber selbst Titus, der bei mir war, ein Grieche, wurde nicht gezwungen, sich beschneiden zu lassen“ (Galater 2, 3). Die Worte beschnitten, Beschneidung und unbeschnitten kommen im Galaterbrief 14-mal vor. Paulus war so verzweifelt, dass er ausrief: „Ich aber, liebe Brüder, wenn ich die Beschneidung noch predige, warum leide ich dann Verfolgung? Dann wäre ja das Ärgernis des Kreuzes aufgehoben! Sollen sie sich doch gleich verschneiden lassen, die euch aufhetzen!“ (Galater 5, 11-12). Oder, wie Vers 12 in der Hoffnung für Alle übersetzt wird: „Wenn diesen Unruhestiftern die Beschneidung so wichtig ist, dann sollen sie sich doch gleich kastrieren lassen“.

Wir sollten verstehen, dass für die Juden die körperliche Beschneidung viel mehr war als ein einmaliges Abschneiden des Fleisches eines Mannes. Sie wurde als das eigentliche Symbol der Identität eines jüdischen Mannes angesehen, das ihn dazu verpflichtete, die vielen nicht-biblischen Traditionen der Juden und ihre belastenden Regeln, die dem Gesetz Gottes hinzugefügt wurden, einzuhalten. Viele dieser Regeln betrafen die Einhaltung des Sabbats, wie wir in den vielen Begegnungen Jesu mit den Pharisäern sehen. Jesus hat natürlich nicht gegen das von Gott gegebene Sabbatgebot verstoßen – sonst könnte er nicht unser sündloser Erlöser sein. Aber er verstieß gegen die pharisäischen Auslegungen darüber, was am Sabbat getan werden durfte, und was nicht. Er befolgte auch nicht die von Menschen gemachten rituellen Reinheitsvorschriften, wie das Waschen der Hände, Krüge, Becher usw., die niemals von Gott gegeben wurden (Matthäus 15, 1-20). Dass Jesus den pharisäischen Vorschriften widersprach, zeigt sich darin, dass er sie in Matthäus 23 scharf anprangert.

Einfach ausgedrückt: Diese Männer, die die Gemeinden destabilisierten, propagierten die Rechtfertigung durch die physischen Praktiken des Judentums. Dabei vernachlässigten sie den geistlichen Aspekt, der durch Jesus Christus ermöglicht wurde. Bei den Nachfolgern Christi wird die physische Beschneidung, die Abraham zuteilwurde, durch eine Beschneidung des Herzens ersetzt – ein Ablegen der fleischlichen Einstellungen. Paulus schrieb: „In ihm seid ihr auch beschnitten worden mit einer Beschneidung, die nicht mit Händen geschieht, durch Ablegen des sterblichen Leibes, in der Beschneidung durch Christus. Mit ihm seid ihr begraben worden in der Taufe; mit ihm seid ihr auch auferweckt durch den Glauben aus der Kraft Gottes, der ihn auferweckt hat von den Toten“ (Kolosser 2, 11-12).

Hier ging es um ein ganzes Paket von Vorschriften. Und der Schlüssel ist dieser: Die Judaisierer meinten, dass die Heiden dieselben Traditionen wie die Pharisäer einhalten müssten, um von ihren Sünden freigesprochen zu werden. Diese Traditionen zeichneten sich oft durch physische Werke aus, wie z. B. das Waschen der Hände auf eine besondere Art und Weise (Markus 7, 3-5) – daher die Betonung der Werke des Gesetzes.

 

Der Fluch des Gesetzes

Paulus schrieb in Galater 3 etwas, das von denen, die das Gesetz abschaffen wollen, grob falsch dargestellt wird. „Christus aber hat uns losgekauft von dem Fluch des Gesetzes, da er zum Fluch wurde für uns – denn es steht geschrieben: »Verflucht ist jeder, der am Holz hängt«“ (Vers 13). Was ist damit gemeint? Beachten Sie, dass hier nicht gesagt wird, dass das Gesetz ein Fluch ist, wie so viele es gerne hätten. Vielmehr ist hier vom Fluch des Gesetzes die Rede – oder, anders ausgedrückt, vom Fluch, der durch das Gesetz kommt. Die Antinomisten verstehen den Kontext dieser Passage nicht, oder wollen ihn nicht verstehen. Woher kommt er? Und was soll es bedeuten?

Paulus zitierte wieder aus dem Gesetz – in diesem Fall aus 5. Mose 21. Dort lesen wir, dass es eine Strafe für Sünde gibt, und manche Sünden sind so schwerwiegend, dass sie die zivile Todesstrafe nach sich ziehen. „Wenn jemand eine Sünde getan hat, die des Todes würdig ist, und wird getötet und du hängst ihn an ein Holz, so soll sein Leichnam nicht über Nacht an dem Holz bleiben, sondern du sollst ihn am selben Tage begraben – denn ein Aufgehängter ist verflucht bei Gott –, auf dass du dein Land nicht unrein machst, das dir der Herr, dein Gott, zum Erbe gibt“ (5. Mose 21, 22-23). Das Gesetz wird nicht als Fluch bezeichnet; der Fluch des Gesetzes ist die Strafe, die für die Übertretung des Gesetzes gefordert wird. Wir sehen, dass Paulus den Galatern genau das Gegenteil von dem sagte, was die Antinomisten uns glauben machen wollen!

Lesen wir noch einmal Galater 3, 13, aber diesmal in dem Zusammenhang, in dem er ursprünglich gegeben wurde. „Christus aber hat uns losgekauft von dem Fluch des Gesetzes [der endgültigen Todesstrafe], da er zum Fluch wurde für uns“ (Galater 3, 13). Jesus hat die Strafe für unsere Sünden bezahlt – für unsere Übertretungen des Gesetzes. Nicht die Gebote, sondern Christus wurde „an das Holz gehängt“. Petrus verwendete zweimal dieselbe Sprache, als er die Kreuzigung beschrieb. „Der Gott unsrer Väter hat Jesus auferweckt, den ihr an das Holz gehängt und getötet habt“ (Apostelgeschichte 5, 30). „Und wir sind Zeugen für alles, was er getan hat im jüdischen Land und in Jerusalem. Den haben sie an das Holz gehängt und getötet“ (Apostelgeschichte 10, 39).

 

Der Kern der Kontroverse

Wie im Römerbrief geht es auch im Galaterbrief um die Mittel, mit denen man gerechtfertigt werden kann: „Wir sind von Geburt Juden und nicht Sünder aus den Heiden. Doch weil wir wissen, dass der Mensch durch Werke des Gesetzes nicht gerecht wird, sondern durch den Glauben an Jesus Christus, sind auch wir zum Glauben an Christus Jesus gekommen, damit wir gerecht werden durch den Glauben an Christus und nicht durch Werke des Gesetzes; denn durch des Gesetzes Werke wird kein Mensch gerecht“ (Galater 2, 15-16).

Die Rechtfertigung – die Vergebung vergangener Sünden – kommt durch den Glauben an Christus, nicht durch Werke des Gesetzes. Kein Gesetz, nicht einmal die Zehn Gebote, kann uns von vergangenen Sünden freisprechen, wie die Geschichte im Gerichtssaal am Anfang von Kapitel 3 zeigt. Die Irrlehrer sagten den Heiden in Galatien, dass sie keine Christen werden könnten, wenn sie nicht zuerst strenggläubige, beschnittene Juden würden – dass sie bestimmte physische Traditionen einhalten müssten, die von ihren Ältesten stammten, nicht von der Schrift.

Paulus kannte sich gut mit den von Menschen gemachten Traditionen des Judentums aus, da er früher Pharisäer war, und als Christ wollte er nichts davon wissen. Aber bedeutet das, dass Paulus gegen das Gesetz Gottes war – dass es nicht mehr gehalten werden musste? Beachten Sie, was er den Korinthern in seinem ersten Brief an sie sagte: „Die Beschneidung ist nichts, und die Unbeschnittenheit ist nichts, sondern: Gottes Gebote halten“ (1. Korinther 7, 19).

 

Hat Jesus den Sabbat gebrochen?

Bei den rabbinischen Gesetzen handelt es sich um die mündlichen Überlieferungen der Rabbiner und ihre Interpretationen der Tora, der ersten fünf Bücher der Bibel. Diese Überlieferungen, die oft als „mündliches Gesetz“ bezeichnet werden, gelten im Judentum als endgültiger Kommentar zur Tora, in dem erklärt wird, wie die Gebote in der Praxis auszuführen sind. Diese Kommentare und Vorschriften wurden in der Mischna und schließlich im Talmud kodifiziert – der textlichen Aufzeichnung von Generationen alter rabbinischer Debatten über Gesetze, biblische Interpretationen und zusätzliche Regeln. Diese mündlich überlieferten Traditionen und Vorschriften wurden von den Juden schon lange vor dem ersten Jahrhundert befolgt und sind als Grundlage der „Dreizehn Glaubenssätze“ von Maimonides (1138-1204), einem berühmten jüdischen Gelehrten des Mittelalters, anerkannt.

Der Talmud enthält eine Reihe von Gesetzen, die sich auf den Sabbat beziehen, die sogenannten 39 Melachot. Die meisten gläubigen Juden halten den Talmud für ebenso wichtig wie die Thora, und orthodoxe Juden bemühen sich sehr, die technischen Anforderungen und Verbote der 39 Melachot zu erfüllen. Dabei handelt es sich um außerbiblische Vorschriften, von denen viele von den jüdischen Autoritäten durchgesetzt wurden, bevor Jesus Christus auf die Erde kam.

Warum haben die jüdischen Lehrer und Rabbiner diese zusätzlichen Verbote für den Sabbat hinzugefügt? Zweifellos wollten sie die Gebote der Tora schützen, indem sie einen „Zaun“ um sie herum errichteten. Aber wie in den Evangelien zu lesen ist, geriet die menschliche Argumentation außer Kontrolle. Während die meisten strenggläubigen Juden bestreiten würden, dass diese mündlichen Gesetze und die 39 Melachot eine unnötige Last sind, verstand Jesus Christus das anders, indem er sagte: „Sie binden schwere und unerträgliche Bürden und legen sie den Menschen auf die Schultern“ (Matthäus 23, 4).

Hätte Jesus gegen Gottes Gebote verstoßen, hätten wir keinen Erlöser, aber der Apostel Paulus erklärte: „Denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt“ (2. Korinther 5, 21). Zahlreiche Male wurde Jesus von den Pharisäern und anderen herausgefordert, weil er oder seine Jünger etwas am Sabbat taten. Dennoch hat er nie gegen Gottes Sabbatgebot verstoßen, noch hat er dies jemals gutgeheißen. Er brach mehrere der mündlichen Überlieferungen und außerbiblischen Verbote – von Menschen gemachten Gesetze –, die wir heute als die 39 Melachot im Talmud finden. Dies stellte jedoch keine Sünde dar, welche eine Verletzung von Gottes Gesetzen ist (1. Johannes 3, 4).

—Wayne Tlumak

 

 

Kapitel 5

Zeiten und Feste

 

In einem Bericht der BBC Future mit dem Titel „How liars create the ‚illusion of truth‘“ [Wie Lügner die ‚Illusion der Wahrheit' erzeugen] wurde erklärt: „Wiederholung lässt eine Tatsache wahrer erscheinen, unabhängig davon, ob sie es ist oder nicht. Wenn man diesen Effekt versteht, kann man vermeiden, auf Propaganda hereinzufallen, sagt der Psychologe Tom Stafford“. Weiter heißt es in dem Bericht: „‘Wiederhole eine Lüge oft genug und sie wird zur Wahrheit', ist ein Gesetz der Propaganda“ (26. Oktober 2016).

Wir sehen dieses Prinzip in Aktion, wenn wir einen anderen Abschnitt im Brief des Paulus an die Galater untersuchen. Selbst wenn es um die Dinge Gottes geht, wiederholen viele, was andere sagen, ohne es selbst zu beweisen. Man hat den Menschen immer wieder gesagt, dass „das Gesetz abgeschafft ist“ und dass der Sabbat und die biblischen heiligen Tage „Knechtschaft“ sind. Doch wir dürfen niemals die Warnung des Petrus über die Schriften des Paulus vergessen – dass darin „einige Dinge schwer zu verstehen sind, welche die Unwissenden und Leichtfertigen verdrehen werden, wie auch die andern Schriften, zu ihrer eigenen Verdammnis. Ihr aber, meine Lieben, weil ihr das im Voraus wisst, so hütet euch, dass ihr nicht durch den Irrtum dieser ruchlosen Leute mitgerissen werdet und euren festen Halt verliert“ (2. Petrus 3, 16-17).

Unter Berücksichtigung dieser Ermahnung wollen wir uns eine andere, oft missverstandene Stelle im Galaterbrief genauer ansehen: „Nun ihr aber Gott erkannt habt, ja vielmehr von Gott erkannt seid, wie wendet ihr euch denn wiederum zu den schwachen und dürftigen Satzungen, welchen ihr von neuem an dienen wollt? Ihr haltet Tage und Monate und Feste und Jahre“ (Galater 4, 9-10; Lutherbibel 1912).

Um diesen Abschnitt zu verstehen, müssen wir die Zuhörerschaft verstehen, die Paulus anspricht. In den Versen 1-5 von Galater 4 spricht er die Juden als wir an. Beachten Sie: „So auch wir [Juden]: Als wir unmündig waren, waren wir geknechtet unter die Mächte der Welt. Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und unter das Gesetz getan, auf dass er die, die unter dem Gesetz waren, loskaufte, damit wir die Kindschaft empfingen“ (Verse 3-5). Paulus war ein Jude, der als Pharisäer erzogen wurde (Philipper 3, 5-6). Durch das Opfer Christi wurden die Juden vom „unter dem Gesetz“-Sein erlöst – erlöst von der Todesstrafe für die Übertretung des geistlichen Gesetzes Gottes. Das Gesetz hatte wegen ihrer Sünden Anspruch auf ihr Leben (Galater 4, 5).

Paulus schrieb über das Judentum, eine Reihe von Praktiken, die auf weltlichen Bräuchen beruhten, die die Juden im Laufe der Jahrhunderte übernommen und angehäuft hatten – Bräuche, die zusätzlich zu den Gesetzen und Geboten Gottes galten. Diese wurden zu der „Überlieferung der Ältesten“ (Markus 7, 5.9), die Hunderte von Vorschriften umfasste, welche den Gesetzen und Satzungen Gottes hinzugefügt wurden. Dies waren die „Mächte der Welt“ – nicht von Gott, sondern von der Welt –, auf die sich Paulus bezog. Außerdem sind Gottes Gesetze keine Knechtschaft oder Bürde, wie Antinomisten sie gerne darstellen. Überlegen Sie: Welches der Gebote bringt uns in die Knechtschaft? Ist es beschwerlich, keinen anderen Gott vor dem wahren Gott zu haben, Vater und Mutter zu ehren oder nicht zu töten, nicht zu ehebrechen, nicht zu stehlen und nicht zu lügen? Wohl kaum. Diese Gebote halten uns aus Schwierigkeiten heraus – aus der Knechtschaft!

Das schmutzige kleine Geheimnis ist, dass es ein Gebot gibt, das die Menschen am meisten verachten – das Gebot, den Siebenten-Tags-Sabbat zu halten. Im Grunde denken sie: „Gott hat nicht allzu schlecht gehandelt. Er hat neun von zehn Punkten richtig gemacht!“ Aber inwiefern ist das Sabbatgebot – das am Ende der Schöpfungswoche (1. Mose 2, 2-3) eingeführt wurde – beschwerlicher als der Tag, den der römische Kaiser Konstantin zum „ehrwürdigen Tag der Sonne“ erklärte, der Sonntag? Nicht nur, dass das Argument „beschwerlich“ keinen Sinn ergibt – wie wir gesehen haben, bezeichnete der Apostel Johannes diese Lüge als das, was sie ist: „Denn das ist die Liebe zu Gott, dass wir seine Gebote halten; und seine Gebote sind nicht schwer“ (1 Johannes 5, 3).

 

An die Nichtjuden gerichtet

Paulus vollzog dann einen bedeutsamen Wechsel, indem er seine Aufmerksamkeit auf die heidnischen Bekehrten richtete und statt „wir“ „ihr“ verwendete. Beachten Sie Galater 4, 8: „Aber zu der Zeit, als ihr [Heiden] Gott noch nicht kanntet, dientet ihr denen, die ihrer Natur nach nicht Götter sind“. Die Juden kannten Gott aus ihrer nationalen Geschichte und dem Alten Testament (Johannes 4, 22; Apostelgeschichte 22, 14). Die Heiden kannten Gott nicht, bis sie die Verkündigung des Evangeliums hörten (Apostelgeschichte 11, 1; Epheser 2, 12-13). Davor hatten sie die Gesetze Gottes nicht im Entferntesten verstanden und stattdessen heidnische Tage gefeiert, Dämonen gedient und Götzen angebetet.

Paulus fragte dann diese Heiden: „Nun aber, da ihr Gott erkannt habt, ja vielmehr von Gott erkannt seid, wie wendet ihr euch dann wieder den schwachen und dürftigen Mächten zu, denen ihr von Neuem dienen wollt?“ (Galater 4, 9). Und was waren diese schwachen und armseligen Elemente, die sie in die Knechtschaft führten? „Ihr haltet Tage und Monate und Feste und Jahre“ (Vers 10; Lutherbibel 1912).

Waren die Tage, die Gott als heilige Zeit festgelegt hatte – Tage, die Jesus, seine Apostel und die Kirche Gottes im ersten Jahrhundert einhielten – Knechtschaft? Bezog sich Paulus überhaupt auf diese Tage? Aus Gottes Wort geht klar hervor, dass Paulus selbst das Passahfest, die Tage der ungesäuerten Brote, Pfingsten, den Versöhnungstag und andere Tage hielt. (Eine ausführlichere Erklärung und biblische Hinweise finden Sie in unserer Broschüre Die heiligen Tage: Gottes Meisterplan). Paulus bezog sich nicht auf die Tage, die Gott eingesetzt hatte, sondern auf „Tage und Monate und Feste und Jahre“. Was waren also diese Zeiten, die mit der Knechtschaft verbunden waren?

Die Heiden würden sich nicht „wieder“ Gottes heiligen Tagen zuwenden, da sie diese in ihrer heidnischen Vergangenheit nie eingehalten hatten. Vielmehr versuchten Irrlehrer, diese neuen Christen zur heidnischen Anbetung zurückzuholen. Interessanterweise übersetzt die Lutherbibel 1912 eine der Praktiken, die in 3. Mose 19, 26 und 5. Mose 18, 10 verurteilt werden, als „Tage wählen“. Und – wie die anhaltende Praxis der Astrologie und die vielen Feiertage mit Verbindungen zum Aberglauben zeigen – war die Konzentration auf „besondere“ Tage und Jahreszeiten lange Zeit Teil der heidnischen Kultur. Einige drängten die Heiden dazu, zu heidnischen Festen zurückzukehren, die lange vor dem Christentum gefeiert wurden. Wie bei ihren judaisierenden Geschwistern verdrängten die verderbten Ideen der Menschen den einfachen Gehorsam gegenüber Gottes Wort, der Teil der Buße und des Glaubens an Christus ist.

Und wenn die biblisch begründeten heiligen Tage eine Knechtschaft waren, inwiefern könnten dann Weihnachten, Ostern und andere heidnische Tage weniger Knechtschaft sein? Die Antinomisten sträuben sich gegen den Siebenten-Tags-Sabbat und die biblisch begründeten jährlichen Sabbate, haben aber ihre eigenen besonderen Tage. Der Unterschied besteht darin, dass die eine Reihe von Tagen aus der Bibel stammt und von Christus und seinen Aposteln eingehalten wurde, während die andere Reihe aus heidnischen Praktiken stammt, denen der Name Christi übergestülpt wurde. Wie sonst lässt sich Ostern (Ishtar), eine heidnische Fruchtbarkeitsgöttin, mit ihren Fruchtbarkeitssymbolen, den Hasen und Eiern, erklären?

Der Brief des Paulus an die Gemeinden in Galatien ist ein Lieblingsbuch der Antinomisten, die behaupten, das Gesetz sei abgeschafft. Zweifellos ist der Galaterbrief eine der Schriften des Paulus, die „schwer zu verstehen“ sind. Wir verstehen nicht jedes Detail der Irrlehren, die die Gemeinden in Galatien betrafen, aber ihre allgemeine Natur steht außer Zweifel.

Im Galaterbrief wie auch im Römerbrief geht es darum, wie man gerechtfertigt werden kann – wie Menschen ihre Sünden vergeben werden können. Außenseiter, offenbar sowohl Juden als auch Heiden, kamen herein und brachten die Geschwister ins Wanken. Man muss den Kontext berücksichtigen, um zu wissen, auf welche Gesetze sich Paulus in diesem Brief bezieht. Oft spricht er von den „Werken des Gesetzes“ – unbiblischen, von Menschen gemachten Vorschriften und Traditionen, seien sie nun jüdisch oder nichtjüdisch. Andere Male scheint sich Paulus auf das Gesetz im weiteren Sinne zu beziehen. So oder so kann man niemals durch das Halten des Gesetzes gerechtfertigt werden (Vergebung für vergangene Sünden erhalten), da nur Christus ohne Sünde war: „Sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie vor Gott haben sollen“ (Römer 3, 23).

Das Gesetz definiert die Sünde (Römer 7, 7). Durch das vollkommene Opfer Christi sind wir gerechtfertigt und mit Gott versöhnt. Und durch die Gabe des Heiligen Geistes hebt Gott unsere natürliche Feindseligkeit gegenüber seinen Gesetzen auf, indem er sie in unsere Herzen und unseren Verstand schreibt: „Und ich will ihnen ein anderes Herz geben und einen neuen Geist in sie geben und will das steinerne Herz wegnehmen aus ihrem Leibe und ihnen ein fleischernes Herz geben, damit sie in meinen Geboten wandeln und meine Ordnungen halten und danach tun. Und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein“ (Hesekiel 11, 19-20). Ist es nicht das, was der Neue Bund bedeutet? „Denn das ist der Bund, den ich schließen will mit dem Haus Israel nach diesen Tagen, spricht der Herr: Ich will meine Gesetze in ihren Sinn geben, und in ihr Herz will ich sie schreiben und will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein“ (Hebräer 8, 10). Gottes Gesetze spiegeln seinen eigenen Charakter wider, und er prägt diese Gesetze durch seinen eigenen Geist in unseren Verstand und unser Herz ein.

Ist das Gesetz Gottes für Paulus wichtig? Er beantwortete diese Frage, als er an die Galater schrieb: „Sollten wir aber, die wir durch Christus gerecht zu werden suchen, sogar selbst als Sünder [Gesetzesübertreter] befunden werden – ist dann Christus ein Diener der Sünde? Das sei ferne! Denn wenn ich das, was ich niedergerissen habe, wieder aufbaue, dann mache ich mich selbst zu einem Übertreter“ (Galater 2, 17-18). Er fuhr fort: „Denn ich bin durchs Gesetz dem Gesetz gestorben [d.h. ich habe das alte sündige Selbst getötet], damit ich Gott lebe“ (Vers 19). Dann kommen wir zu einer Zusammenfassung dessen, was es bedeutet, ein wahrer Christ zu sein. „Ich bin mit Christo gekreuzigt [der alte Mensch muss sterben]. Ich lebe aber; doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir [durch die Kraft des Heiligen Geistes]. Denn was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich in dem Glauben des Sohnes Gottes, der mich geliebt hat und sich selbst für mich dargegeben“ (Galater 2, 19-20; Lutherbibel 1912).

Paulus wandte sich entschieden gegen diejenigen, die die Beschneidung als Rechtfertigung durch Werke propagierten. Wie Paulus an anderer Stelle schrieb: „Die Beschneidung ist nichts, und die Unbeschnittenheit ist nichts, sondern: Gottes Gebote halten“ (1. Korinther 7, 19). Was hat er zu den Römern gesagt? „Was wollen wir hierzu sagen? Sollen wir denn in der Sünde beharren, damit die Gnade umso mächtiger werde? Das sei ferne! Wir sind doch der Sünde gestorben. Wie können wir noch in ihr leben?“ (Römer 6, 1-2). Paulus war sich darüber im Klaren, dass einige seine Worte verdrehen werden würden, deshalb stellte und beantwortete er die Frage, die einige vielleicht dachten: „Heben wir das Gesetz auf durch den Glauben? Das sei ferne! Sondern wir richten das Gesetz auf“ (Römer 3, 31).

In unserem nächsten Kapitel werden wir uns mit dem Brief des Paulus an die Kolosser befassen, einer weiteren seiner Schriften, die grob verdreht worden ist, und die für unser Verständnis von Gottes Gesetz im Leben der heutigen Christen von entscheidender Bedeutung ist.

 

 

Kapitel 6

Paulus wendet sich an die Kolosser

 

„Es war aber ein Mann mit Namen Simon, der zuvor in der Stadt Zauberei trieb und das Volk von Samarien in seinen Bann zog, weil er vorgab, er wäre etwas Großes. Und alle hingen ihm an, Klein und Groß, und sprachen: Dieser ist die Kraft Gottes, die die Große genannt wird. Sie hingen ihm aber an, weil er sie lange Zeit mit seiner Zauberei in seinen Bann gezogen hatte“ (Apostelgeschichte 8,9-11).

Über diesen geheimnisvollen Mann ist viel geschrieben worden. Es gibt zweifellos einen Grund, warum der Bericht über Simon in der Heiligen Schrift zu finden ist. Im Eerdmans Handbook to the History of Christianity heißt es, dass die frühen christlichen Schriftsteller Simon einhellig als Quelle aller Irrlehren betrachteten“ (Hrsg. Tim Dowley, 1977, S. 100).

Die Encyclopaedia Britannica stellt fest, dass Simon als „Begründer des post-christlichen Gnostizismus, einer dualistischen religiösen Sekte, die die Erlösung durch geheimes Wissen propagiert, und als der archetypische Ketzer der christlichen Kirche“ bezeichnet wurde.... Andere Quellen stellen ihn als die Person dar, die für die eklektische Verschmelzung von Stoizismus und Gnostizismus verantwortlich ist“ („Simon Magus,“ Britannica.com, 16. Februar 2023).

 

Askese

Man kann viel Zeit damit verbringen, darüber zu diskutieren, ob die Störenfriede, die Paulus in Kolossä ansprach, Juden oder Heiden waren, aber eine dritte Quelle der Zwietracht muss ebenfalls in Betracht gezogen werden – die Samariter. Die Samariter stammten ursprünglich aus dem Gebiet östlich von Israel. Als das nördliche Haus Israel in Gefangenschaft geriet, kamen Menschen aus Babylon und anderen Ländern in das Land und brachten ihre Religion mit, die mit einer verderbten Form der Anbetung des wahren Gottes verschmolzen wurde (2. Könige 17, 24-34). Daraus wurde die samaritanische Religion.

Wir wissen zwar nicht viel über die Identität der Unruhestifter in Kolossä, aber wir kennen die Art der Irrlehren, die auf gnostische Vorstellungen von Askese und der Geringschätzung Jesu Christi hinweisen. In Bezug auf die Moral gingen die Gnostiker zu zwei Extremen über. Das eine war die völlige Missachtung des Gesetzes unter der Prämisse, dass der Mensch so verdorben ist, dass es sinnlos ist, sich um Moral zu bemühen. Das andere Extrem war ein Ansatz, der als Askese bekannt ist und den die Irrlehrer in Kolossä vertraten.

Askese ist die Praxis der exzessiven Selbstverleugnung – der Verzicht auf jedes körperliche Vergnügen –, wie wir in Kolosser 2 sehen: „Wenn ihr nun mit Christus den Elementen der Welt gestorben seid, was lasst ihr euch dann Satzungen auferlegen, als lebtet ihr noch in der Welt: »Du sollst das nicht anfassen, du sollst das nicht kosten, du sollst das nicht anrühren« – was doch alles verbraucht und vernichtet werden soll. Es sind menschliche Gebote und Lehren. Diese haben zwar einen Schein von Weisheit durch selbst erwählte Frömmigkeit und Demut und dadurch, dass sie den Leib nicht schonen; sie sind aber nichts wert und befriedigen nur das Fleisch“ (Verse 20-23).

Beachten Sie, dass Paulus in Vers 22 von „menschlichen Geboten und Lehren“ schrieb. Dies ist wichtig für das richtige Verständnis dieses Briefes. Die Irrlehren in Kolossä gehen nicht auf die Gesetze Gottes zurück, sondern auf Menschen.

 

Geringschätzung Christi

Neben der Askese sehen wir im Kolosserbrief ein weiteres Element der frühen gnostischen Entwicklung, wie im New Bible Commentary: Revised, dargelegt wird: „Das andere Problem bezieht sich auf die vermuteten Anspielungen im Brief auf die gnostischen Ideen des 2. Jahrhunderts... aber es sollte hier angemerkt werden, dass ein Unterschied zwischen dem beginnenden Gnostizismus und dem voll entwickelten Gnostizismus gemacht werden muss.... Es gibt zweifellos Berührungspunkte mit dem ersteren, aber nicht mit dem letzteren“ (S. 1139).

Da der voll entwickelte Gnostizismus nicht vor dem zweiten Jahrhundert gefunden wurde, wird der Begriff Gnostiker hier im weitesten Sinne verwendet. Aber wir sehen im Brief an die Kolosser deutlich, dass Paulus den gnostischen Ansatz anspricht, das Opfer Christi und seine Rolle in unserer Erlösung zu minimieren, wie der New Bible Commentary: Revised weiter erklärt:

In Anbetracht der großen Betonung, die Paulus in diesem Brief auf die Christologie legt, ist es vernünftig anzunehmen, dass die falsche Lehre in dieser Hinsicht mangelhaft war. Jede Sicht von Christus, die ihm den Vorrang in allem abspricht (vgl.  1, 18), wäre der Sicht des Paulus unterlegen. In der Tat kann man mit Fug und Recht behaupten, dass die im gesamten Abschnitt 1, 15-20 dargelegte überragende Sicht von Christus durch die gegenteiligen Tendenzen der Irrlehrer hervorgerufen wurde. Der Gnostizismus im 2. Jahrhundert liefert eine Parallele, in der Christus so weit verkommen war, dass er nur noch der letzte einer langen Reihe von Vermittlern zwischen Mensch und Gott war (S. 1140).

Die Gnostiker lehrten, dass wir nicht direkt zu Gott gehen können, und dass Jesus selbst nicht ausreicht, um uns mit Gott zu versöhnen. Gott sei so gut – und die Menschheit so mangelhaft –, dass er sich durch verschiedene Vermittler („Emanationen“ oder Engelwesen) von uns abgrenzen müsse. Jesus, so lehrten sie, war lediglich die letzte Emanation in einer Reihe von Vermittlern.

Der Begriff „Gnostizismus“ stammt von dem griechischen Wort gnosis, was „Wissen“ bedeutet. Sie verlangten von ihren Anhängern, dass sie ein spezielles geheimes „Wissen“ erlernen, wie z. B. die Namen der Vermittler zwischen Gott und den Menschen, da sie glaubten, dass man neben Christus auch die anderen ausstrahlenden Kräfte kennen müsse – eine lange Reihe von Vermittlern. Die Kenntnis der Namen dieser Geister war für die Gnostiker von größter Bedeutung. Obwohl die Gnostiker behaupteten, dass sie keine Engel anbeteten, beteten sie zu ihnen, ähnlich wie die Katholiken zu Maria und anderen verehrten Gestalten beten. Dies könnte sehr wohl die „Verehrung der Engel“ sein, auf die sich Paulus in Kolosser 2, 18 bezog. Paulus hat die unbegründete Leugnung der Gnostiker, dass Christus als Mittler zwischen den Menschen und Gott dem Vater ausreicht, energisch widerlegt:

Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene vor aller Schöpfung. Denn in ihm wurde alles geschaffen, was im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und das Unsichtbare, es seien Throne oder Herrschaften oder Mächte oder Gewalten; es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen. Und er ist vor allem, und es besteht alles in ihm. Und er ist das Haupt des Leibes, nämlich der Gemeinde. Er ist der Anfang, der Erstgeborene von den Toten, auf dass er in allem der Erste sei. Denn es hat Gott gefallen, alle Fülle in ihm wohnen zu lassen und durch ihn alles zu versöhnen zu ihm hin, es sei auf Erden oder im Himmel, indem er Frieden machte durch sein Blut am Kreuz (Kolosser 1, 15-20).

Falls dies noch nicht deutlich genug ist, lesen wir auch: „Denn in ihm [Christus] wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig, und ihr seid erfüllt durch ihn, der das Haupt aller Mächte und Gewalten ist“ (Kolosser 2, 9-10). Paulus wollte nichts mit diesen von Menschen erdachten Ideen zu tun haben, die Christus herabwürdigen, und er warnte die Kolosser vor der Gefahr, die darin liegt. „Seht zu, dass euch niemand einfange durch die Philosophie und leeren Trug, die der Überlieferung der Menschen und den Elementen der Welt folgen und nicht Christus“ (Kolosser 2, 8).

 

Essener

Einige glauben, dass es sich bei den Unruhestiftern in Kolossä um Essener handelte – Mitglieder einer jüdischen Sekte, die einige Ideen mit dem samaritanischen Gnostizismus teilte und eine umfangreiche Liste von menschengemachten Zusätzen zu Gottes Gesetzen praktizierte. Der jüdische Geschichtsschreiber Josephus schrieb eine lange Abhandlung über die Essener und wies darauf hin, dass sie die extremste der jüdischen Sekten waren. Ein Auszug aus Josephus' Kommentaren mag aufschlussreich sein:

Die Essener, die gebürtige Juden sind, sind besonders für ihre ausgeprägte Disziplin bekannt, und sie sind eine engere Gemeinschaft als die anderen. Sie lehnen die Vergnügungen des Fleisches als Laster ab und sehen die Tugend in der Selbstbeherrschung und der Unempfindlichkeit gegenüber den Leidenschaften. Sie verschmähen die Ehe.... Reichtum ist für sie uninteressant, und sie praktizieren Kommunismus in einem bemerkenswerten Ausmaß – man wird keinen von ihnen finden, der besser versorgt ist als seine Mitmenschen.... Sie betrachten Öl als Verunreinigung, und jeder, der sich versehentlich damit beschmiert, wischt seinen Körper sauber, da ihr Kodex jederzeit eine trockene Haut und weiße Kleidung verlangt. ... [S]ie versammeln sich in einem besonderen Raum, der für jeden außerhalb ihrer Sekte unzugänglich ist, und gehen dann in ihrem eigenen, gereinigten Zustand in das Refektorium, als ob sie einen heiligen Bezirk betreten würden, und nehmen schweigend Platz.... Keine erhobenen Stimmen oder Argumente verunreinigen jemals ihr Haus, aber in der Konversation kommt jeder an die Reihe, zu sprechen, und jeder gibt seinem Mitmenschen nach. Außenstehenden erscheint diese gedämpfte interne Atmosphäre wie eine finstere geheime Praxis: In Wirklichkeit ist sie einfach das Ergebnis ständiger Nüchternheit und der Versorgung mit Speisen und Getränken, die nicht übermäßig sind (Jüdischer Krieg, 2:119-33, Oxford University Press, S. 103-105).

Aufgrund der begrenzten historischen Aufzeichnungen, die bis heute überliefert sind, können wir nicht mit Sicherheit sagen, ob es die Ideen der Essener oder die einer anderen gnostisch geprägten Sekte waren, die unter den Geschwistern in Kolossä Probleme verursachten. Aber ohne diesen allgemeinen Kontext verstehen viele nicht die ernsten Probleme, die Paulus ansprach. Mit ihm können wir verstehen, was Paulus in Kolosser 2 sagte – und was er nicht sagte. Vor diesem Hintergrund wollen wir uns eine Stelle genauer ansehen, die Petrus vielleicht als „schwer verständlich“ empfunden hat.

 

„…der Leib aber ist Christus eigen“

Nun kommen wir zu einer der Lieblingspassagen der Antinomisten. „So lasst euch nun von niemandem ein schlechtes Gewissen machen wegen Speise und Trank oder wegen eines Feiertages, Neumondes oder Sabbats. Das alles ist nur ein Schatten des Zukünftigen; der Leib aber ist Christus eigen“ (Kolosser 2, 16-17). Aus dem Zusammenhang gerissen, behaupten die Antinomisten fälschlicherweise, dass Paulus den wöchentlichen Siebenten-Tags-Sabbat, die jährlichen Sabbate und Feste sowie die Gesetze über reines und unreines Fleisch – die alle von Gott gegeben wurden – negierte!

Zweifellos lehrte Paulus die Heiden in Kolossä dieselben Lehren, die er selbst hielt und andere lehrte, sie zu halten. Paulus hielt mit den Heiden den Siebenten-Tags-Sabbat (Apostelgeschichte 13, 14.40-42; 16, 13; 18, 4). Er hielt das Pfingstfest ein (Apostelgeschichte 20, 16; 1. Korinther 16, 8). Er lehrte die Korinther über das Passahfest und gebot ihnen, das Fest der ungesäuerten Brote zu halten (1. Korinther 5, 7-8).

Diese biblischen heiligen Tage und Feste sind Zeiten der Freude (5. Mose 14, 26; Nehemia 8, 10), aber asketische Störenfriede versuchten, die Geschwister in Kolossä davon zu überzeugen, dass ihre Einstellung zum Feiern fehlerhaft war. Anstatt sich zu freuen und Essen und Trinken zu genießen, lehnten die Asketen jede Art von feierlicher Atmosphäre bei solchen Anlässen ab.

Dass Paulus nicht gegen die Gesetze Gottes sprach, zeigt sich in dieser Warnung: „Seht zu, dass euch niemand einfange durch die Philosophie und leeren Trug, die der Überlieferung der Menschen und den Elementen der Welt folgen und nicht Christus.... Es sind menschliche Gebote und Lehren“ (Kolosser 2, 8.22).

Was auch immer sonst über den Sabbat und die heiligen Tage gesagt werden mag, ihr Ursprung liegt bei Gott – nicht bei Philosophen, nicht bei menschlichen Traditionen und schon gar nicht sind sie nach den Elementen dieser Welt. Sollen wir den Sabbat ein Gebot und eine Lehre von Menschen nennen, wenn Gott ihn am Ende der Schöpfungswoche geheiligt und später mit seinem eigenen Finger geschrieben hat (1. Mose 2, 2-3; 3. Mose 31, 18)? Paulus warnte die Kolosser davor, sich von einem Menschen (einem Philosophen, vgl. Kolosser 2, 8) vorschreiben zu lassen, was sie an diesen Tagen essen oder trinken sollen, sondern sie sollten sich von einer anderen Quelle belehren lassen (Kolosser 2, 16-17).

 

Der Leib Christi

Paulus schrieb von Dingen, die „ein Schatten des Zukünftigen [sind]; der Leib aber ist Christus“ (Vers 17). Das griechische Wort für „Schatten“ ist skia und bedeutet ein Abbild, das von einem Gegenstand geworfen wird und die Form dieses Gegenstandes darstellt. Eine bessere Übersetzung, die sich auf den Kontext stützt, ist „ein Vorausschatten des Zukünftigen“.

Gottes wöchentlicher Sabbat ist ein Vorgeschmack auf das siebte Jahrtausend der Menschheitsgeschichte, in dem die Menschheit vom Reich Gottes regiert werden wird. Paulus erklärte, dass es eine Sabbatruhe gibt, die der Mensch einhalten muss (Hebräer 4, 4-9). In gleicher Weise sind Gottes sieben jährliche Feste (Sabbate) Gedenkfeiern, die seinen Plan für die Menschheit als Vorausschatten zeigen: Passah – das vollkommene Opfer Christi; die Tage der ungesäuerten Brote – unsere Notwendigkeit, auf das Opfer Christi zu reagieren, indem wir Buße tun und die Sünde aus unserem Leben verbannen; Pfingsten – der Empfang von Gottes Geist, damit Christus sein Leben in uns lebt (Galater 2, 20).

Die Geschwister in Kolossä hielten die wöchentlichen und jährlichen Sabbate ein. Das Problem entstand, als Irrlehrer mit gnostischen und asketischen Ideen unter ihnen aufkamen und versuchten, sie davon zu überzeugen, dass sie diese festlichen biblischen Anlässe nicht richtig hielten.

Beachten Sie nun den letzten Teil von Kolosser 2, 17. Einige neuere Übersetzungen, die eine gesetzesfeindliche Tendenz widerspiegeln, sagen: „der Leib aber [oder die Wirklichkeit] ist Christus eigen“. Die Interlinearbibel übersetzt das Griechische jedoch wörtlich und ist im Textzusammenhang korrekter. Sie enthüllt die Antwort, die von neueren Übersetzungen so oft verdunkelt wird: „... welche sind ein Schatten der zukünftigen (Dinge), aber der Leib (ist) Christi“.

Beachten Sie, dass die Übersetzer in der Interlinearbibel das Wort ist in Klammern gesetzt haben, was bedeutet, dass es in den Originalmanuskripten nicht vorkommt. Darüber hinaus ist die moderne Verwendung des Wortes „Wesen“ anstelle von Leib, wie es die Schlachterbibel übersetzt, eine grobe Fehlinterpretation. Nirgendwo sonst in der Heiligen Schrift wird das ursprüngliche griechische Wort auf diese Weise übersetzt. Das ursprüngliche Wort ist soma und bedeutet Leib: „der Leib [soma] Christi“.

Im ersten Kapitel seines Briefes definierte Paulus den Leib Christi: „Und er [Christus] ist das Haupt des Leibes [soma], nämlich der Gemeinde…. für seinen Leib [soma], das ist die Gemeinde“ (Kolosser 1, 18.24). Die wahre Kirche Gottes ist der Leib Christi, und das Haupt des Leibes ist Christus. „Und alles hat er unter seine Füße getan und hat ihn gesetzt der Gemeinde zum Haupt über alles, welche sein Leib [soma] ist“ (Epheser 1, 22-23). Paulus lehrte, dass die Kirche – und nicht irgendein selbsternannter Philosoph – festlegt, wie diese Feste zu begehen sind, welche Speisen die Teilnehmer essen dürfen, und wie sie sich verhalten sollen. Dies liegt in der Verantwortung der ordinierten Leitung der Gemeinde, die diese Angelegenheiten zu bestimmen hat (Epheser 4, 11-16).

Die Struktur der griechischen Sprache erfordert, dass der Ausdruck „lasst euch nun von niemandem“ durch einen Ausdruck ergänzt wird, der angibt, wer die Angelegenheit zu beurteilen hat – in diesem Fall ist es „der Leib Christi“, die Kirche. Eine bessere Übersetzung dieser sehr missverstandenen Passage wäre, wenn man sie im Zusammenhang betrachtet: „Darum soll euch niemand richten in dem, was ihr esst und trinkt, wenn es sich um ein Fest, einen Neumond oder einen Sabbat handelt, die ein Vorzeichen für das Zukünftige sind, sondern der Leib Christi [soll darüber entscheiden]“.

Paulus erklärte weiter, dass die Unruhestifter in Kolossä die Anbetung von Zwischengeistern zwischen Gott und den Menschen (den „Engeln“ in Kolosser 2, 18) propagierten. Für Christen ist natürlich Christus das Haupt der Kirche, und wir sollen auf ihn schauen (Vers 19). Wir sollen nicht auf asketische Philosophien und Traditionen von Menschen schauen, um zu lernen, wie wir Gottes Sabbate und Feste halten sollen (Verse 20-23). Das Problem waren nicht die Gesetze Gottes – die in beiden Testamenten klar dargelegt sind und von Christus, Paulus und den anderen Aposteln Christi eingehalten wurden. Das Problem waren vielmehr die „menschliche Gebote und Lehren“ und die „Elemente der Welt“.

Wenn wir den Kolosserbrief sorgfältig lesen, sehen wir, dass er keineswegs ein „gesetzesfeindliches“ Denken fördert. Wir werden dies im nächsten Kapitel noch deutlicher sehen, wenn wir alles zusammenfassen, was wir in dieser kurzen Abhandlung betrachtet haben.

 

 

Kapitel 7

Gesetz und Gnade

 

Bevor wir diese Diskussion über Gesetz und Gnade abschließen, müssen wir uns an das große Ganze erinnern. Jesus sagte, er sei nicht gekommen, um Gottes Gesetz zu zerstören, sondern um es zu erfüllen – zu verherrlichen – (Matthäus 5, 17-19; Jesaja 42, 21). Er sagte dem jungen Mann, der das ewige Leben suchte: „…halte die Gebote“. Er wies die Menschen seiner Zeit zurecht, weil sie nicht taten, was er ihnen sagte (Lukas 6, 46). Außerdem hielt er den Siebenten-Tags-Sabbat (Lukas 4, 16). Er hielt das Laubhüttenfest sogar unter Todesandrohung (Johannes 7, 1-10).

Johannes sagte uns, dass wir dem Beispiel Jesu folgen sollen. „Und daran merken wir, dass wir ihn kennen, wenn wir seine Gebote halten. Wer sagt: Ich kenne ihn, und hält seine Gebote nicht, der ist ein Lügner, und in dem ist die Wahrheit nicht. Wer aber sein Wort hält, in dem ist wahrlich die Liebe Gottes vollkommen. Daran erkennen wir, dass wir in ihm sind. Wer sagt, dass er in ihm bleibt, der soll auch leben, wie er gelebt hat“ (1. Johannes 2, 3-6).

Petrus sagte uns, dass bei Paulus „einige Dinge schwer zu verstehen sind, welche die Unwissenden und Leichtfertigen verdrehen, wie auch die andern Schriften, zu ihrer eigenen Verdammnis“ (2. Petrus 3, 16). Weiter warnte er: „So hütet euch, dass ihr nicht durch den Irrtum dieser ruchlosen Leute samt ihnen verführt werdet und fallt aus eurem festen Stand“ (Vers 17). In mehreren Übersetzungen heißt es „Gesetzlose“ oder „gesetzlose Menschen“ anstelle von „ruchlose Leute“. Es sind die Gesetzlosen, diejenigen, die gegen das Gesetz sind, die in die Irre führen und selbst verführt werden.

Es ist eindeutig belegt, dass Paulus selbst den Siebenten-Tags-Sabbat hielt (Apostelgeschichte 13, 42-44). Er hielt auch die jährlichen heiligen Tage ein (Apostelgeschichte 20, 6.16; 1. Korinther 16, 8). Darüber hinaus gebot er den Korinthern, dass sie, weil Christus unser Passahlamm ist, auf dieses Opfer mit dem Fest der ungesäuerten Brote antworten sollten (1. Korinther 5, 7-8). Er lehrte dieselben Heidenchristen: „Beschnitten sein ist nichts und unbeschnitten sein ist nichts, sondern: Gottes Gebote halten“ (1. Korinther 7, 19). Er lobte das Gesetz Gottes (Römer 7, 7.12). Paulus wusste auch, dass einige das, was er schrieb, missverstehen würden. Sein Standpunkt zu diesem Thema war eindeutig: „Was sollen wir nun sagen? Sollen wir denn in der Sünde beharren, damit die Gnade umso mächtiger werde? Das sei ferne! Wie sollten wir in der Sünde leben wollen, der wir doch gestorben sind?... Wie nun? Sollen wir sündigen, weil wir nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade sind? Das sei ferne! Wisst ihr nicht: wem ihr euch zu Knechten macht, um ihm zu gehorchen, dessen Knechte seid ihr und müsst ihm gehorsam sein, es sei der Sünde zum Tode oder dem Gehorsam zur Gerechtigkeit?“ (Römer 6, 1-2.15-16).

Paulus lehrte nicht nur, dass Gottes Gesetz immer noch in Kraft ist, sondern erklärte auch zu Recht, dass der Glaube das Gesetz nicht überflüssig machen kann. „Heben wir denn das Gesetz auf durch den Glauben? Das sei ferne! Sondern wir richten das Gesetz auf“ (Römer 3, 31).

 

Die Feindseligkeit des Menschen gegenüber Gottes Gesetz

Adam und Eva lehnten Gottes offenbarte Lebensweise ab, indem sie von einem Baum nahmen, der ihnen nicht zustand, und sich selbst an die Stelle Gottes setzten, um selbst über Recht und Unrecht zu bestimmen. Damit entehrten sie ihren Schöpfer – ihren himmlischen Vater – und brachen auch andere Gebote. Ihre Kinder traten in diese Fußstapfen und brachten das Unheil über sich selbst, so dass das Ergebnis eine gewalttätige Welt war, in der „der Menschen Bosheit groß war auf Erden und alles Dichten und Trachten ihres Herzens nur böse war immerdar“.... „Aber die Erde war verderbt vor Gott und voller Frevel“ (1. Mose 6, 5.11). Und unsere Welt hat dort weitergemacht, wo sie damals aufgehört hat!

Einige Jahre nach der Sintflut zur Zeit Noahs begann Gott mit einem Mann namens Abram zu arbeiten, dessen Name später in Abraham geändert wurde. Abrahams Sohn Isaak wurde von Gott versprochen: „[Ich] will deine Nachkommen mehren wie die Sterne am Himmel und will deinen Nachkommen alle diese Länder geben. Und durch deine Nachkommen sollen alle Völker auf Erden gesegnet werden, weil Abraham meiner Stimme gehorsam gewesen ist und gehalten hat meine Rechte, meine Gebote, meine Satzungen und meine Weisungen“ (1. Mose 26, 4-5).

Ja, Gottes Gebote und Satzungen waren schon lange vor der Zeit Moses bekannt, als Gott sie schriftlich festhielt. Die Sünde des Götzendienstes war bekannt (1. Mose 35, 1-4). Mord wurde als Sünde erkannt (1. Mose 4, 8-12). Bei der Schöpfung legte Gott den siebten Tag als abgesonderten Tag fest (1. Mose 2, 2-3). Er segnete ihn und machte ihn heilig (2. Mose 20, 11). Ehebruch war allgemein als Sünde bekannt (1. Mose 20, 9; 26, 10-11; vgl. 18, 20). Und Noah kannte die Gesetze über reines und unreines Fleisch bereits vor der Sintflut (1. Mose 7, 2).

Wir lesen, dass die Israeliten, als Gott sein Gesetz auf dem Berg Sinai niederschrieb, nicht das Herz hatten, es zu befolgen (5. Mose 5, 29) – und die Geschichte Israels untermauert diese Wahrheit. Der Apostel Paulus schrieb: „Fleischlich gesinnt sein ist Feindschaft gegen Gott, weil das Fleisch sich dem Gesetz Gottes nicht unterwirft; denn es vermag’s auch nicht“ (Römer 8, 7). Von Anfang an war die Menschheit dem Gesetz Gottes feindlich gesinnt, und unsere Generation ist nicht anders.

Jesus warnte uns: „Seht zu, dass euch nicht jemand verführe. Denn es werden viele kommen unter meinem Namen und sagen: Ich [Jesus] bin der Christus, und sie werden viele verführen“ (Matthäus 24, 4-5).

 Paulus erklärte, dass Satan seine eigenen Diener hat, die sich als gerecht ausgeben, in Wirklichkeit aber Verführer sind. „Denn solche sind falsche Apostel, betrügerische Arbeiter und verstellen sich als Apostel Christi. Und das ist auch kein Wunder; denn er selbst, der Satan, verstellt sich als Engel des Lichts. Darum ist es nichts Großes, wenn sich auch seine Diener verstellen als Diener der Gerechtigkeit; deren Ende wird sein nach ihren Werken“ (2. Korinther 11, 13-15).

Die Feindseligkeit der Menschen gegenüber dem Gesetz Gottes kennt keine Grenzen. Falsche, satanische Geistliche sind dem Gesetz Gottes gegenüber feindlich eingestellt. Sie predigen einen anderen Jesus – einen, der das Gesetz seines Vaters abgeschafft hat. Sie haben einen anderen Geist, und sie verkünden ein anderes Evangelium als das, das Jesus verkündet hat (Vers 4). Diese modernen Antinomisten stellen die Gnade und den Glauben gegen das Gesetz Gottes, und sie ersetzen die von Jesus, seinen Aposteln und der Kirche des ersten Jahrhunderts eingehaltenen Tage und Praktiken durch andere. Sie sagen uns, dass „Liebe“ alles ist, was notwendig ist, aber sie verstehen die Liebe nicht richtig und leugnen, was der Apostel Johannes schrieb: „Denn das ist die Liebe zu Gott, dass wir seine Gebote halten; und seine Gebote sind nicht schwer“ (1. Johannes 5, 3).

Jakobus, ein Halbbruder Christi, schrieb: „Wer aber sich vertieft in das vollkommene Gesetz der Freiheit und dabei beharrt und ist nicht ein vergesslicher Hörer, sondern ein Täter, der wird selig sein in seinem Tun“ (Jakobus 1, 25). Und weiter: „Denn wenn jemand das ganze Gesetz hält und sündigt gegen ein einziges Gebot, der ist am ganzen Gesetz schuldig. Denn der gesagt hat: »Du sollst nicht ehebrechen«, der hat auch gesagt: »Du sollst nicht töten.« Wenn du nun nicht die Ehe brichst, tötest aber, bist du ein Übertreter des Gesetzes. Redet so und handelt so als Leute, die durchs Gesetz der Freiheit gerichtet werden sollen“ (Jakobus 2, 10-12).

Ohne Gesetz kann es keine Übertretung geben (Römer 4, 15). Nach Johannes bedeutet die Abschaffung des Gesetzes Gottes die Abschaffung der Sünde (1. Johannes 3, 4). Die Abschaffung der Sünde führt uns zu der absurden Schlussfolgerung, dass wir keinen Erlöser brauchen. Wie Paulus erklärte: „Heben wir denn das Gesetz auf durch den Glauben? Das sei ferne! Sondern wir richten das Gesetz auf“ (Römer 3, 31). Nein, wir haben alle gesündigt – Gottes Gesetz gebrochen – und wir alle brauchen die Gnade Gottes durch den Glauben an das Opfer Jesu Christi.

Ich hoffe, diese kurze Abhandlung war erhellend und ermutigend. Man könnte das Thema noch viel ausführlicher diskutieren und noch mehr Verse zitieren. Diejenigen, die entschlossen sind, Gottes Gesetz abzulehnen, mögen mir vorwerfen, dass ich mir Verse „herausgepickt“ habe, um meinen Standpunkt zu beweisen, aber ich vertraue darauf, dass Sie erkennen können, dass es in Wirklichkeit die Antinomisten sind – diejenigen, die versuchen, die Gnade gegen das Gesetz auszuspielen –, die die eigentlichen Rosinenpicker sind. Betrachtet man den gesamten Text des Neuen Testaments, einschließlich der „schwer verständlichen“ Schriften des Paulus, die so oft verdreht und missverstanden werden, so ist das Bild klar. Die Schlussfolgerung der Bibel lautet nicht Gesetz oder Gnade, sondern Gesetz und Gnade.