Am letzten Tag der Ungesäuerten Brote fanden sich die Israeliten am Roten Meer wieder, gegenüber dem Land ihrer Leiden und Sklaverei.  Gott hatte das Wasser auf wundersame Weise geteilt, sie unter Moses Leitung hindurchgeführt und sie siegreich aus Ägypten herausgeführt.  Während sie siegreich am Wasser standen, freudig sangen und ihren Schöpfer priesen, wurden die Leichen und Schlachtrösser ihrer Unterdrücker tot an das Ufer hinter ihnen gespült.  Die Sorgen der ägyptischen Sklaverei, der Grausamkeit und des Todes waren vorbei, und das Land der Verheißung, „in dem Milch und Honig fließen“, lag vor ihnen.  Sie brauchten nur noch vorwärts zu gehen.

Doch an der Schwelle des verheißenen Landes schreibt Gott in seinem Wort den Schrei auf, der über ihre Lippen kam: „Lasst uns einen Hauptmann über uns setzen und wieder nach Ägypten ziehen!“ (4. Mose 14, 4).

Es mag unergründlich erscheinen, dass irgendjemand von ihnen nach Ägypten zurückkehren wollte – zurück in das Land, in dem sie nicht einmal die Kraft hatten, ihre Unterdrücker daran zu hindern, ihre neugeborenen Söhne zum Sterben in den Fluss zu werfen.

Unbegreiflich – aber es ist trotzdem geschehen.  Und es kann auch uns passieren.  Die Sünde ist, wie Ägypten, grausam zu uns – und doch waren, wie das Passahfest lehrt, Gott, der Vater, und Jesus Christus bereit, den höchsten Preis zu zahlen, um uns davon zu befreien.  Und „wenn euch nun der Sohn frei macht, so seid ihr wirklich frei“ (Johannes 8, 36).  Wie Israel stehen auch wir auf der anderen Seite unseres eigenen Roten Meeres, frei, um in ein „Gelobtes Land“ zu ziehen, das so viel herrlicher ist als das, das dem alten Israel angeboten wurde.

Aber wie viele beginnen diese Reise, befreit durch Christus, nur um sich für den Rückweg zu entscheiden – für die Rückkehr ins geistliche Ägypten? Viel zu viele. Traurigerweise sind die Anziehungskräfte des geistlichen Ägyptens stark, und viele von denen, die Gott beruft, finden sich wieder in den fleischlichen Denkweisen, sündigen Praktiken und ruinösen Verstrickungen der „Art dieser Welt“ (Epheser 2, 2) gefangen.

Wie kann das geschehen?  Das ist eine wichtige Frage, denn wenn es anderen passiert ist, kann es auch uns passieren.  Was könnte uns also veranlassen, umzukehren?  Welche Kräfte – welche Anziehungskräfte, Einflüsse oder Umstände – könnten uns dazu bringen, Gottes Verheißungen den Rücken zu kehren und wieder sehnsüchtig auf eines der Dinge zu blicken, von denen Christus uns befreit hat?

Schauen wir uns drei wesentliche Gründe an, warum manche nach Ägypten zurückkehren.

 

Verlust der Vision

Um weiter auf unser eigenes „Gelobtes Land“ zuzugehen, müssen wir eine Vision haben.  Es braucht eine Vision, um den unsichtbaren Gott wahrzunehmen, der in die Angelegenheiten der Welt um uns herum eingreift, in der Kirche wirkt, die menschliche Führung der Kirche leitet und sich selbst durch seine Gesetze und seine Lebensweise sichtbar macht.  Es braucht eine Vision, um die zukünftige, tausendjährige Herrschaft Christi – und die Ewigkeit jenseits dieses Millenniums – in unseren Gedanken und Herzen an erster Stelle zu halten, wenn die gegenwärtige Welt um uns herum versucht, so viel mehr von unserer Aufmerksamkeit zu fordern.  Es braucht eine klare Vision, um diese Welt als das zu sehen, was sie wirklich ist, und um in der Nähe Gottes zu bleiben und sich nicht von der gefälligen und attraktiven „Fassade“ täuschen zu lassen, die die Welt uns vor Augen stellt.

Mose ist ein gutes Beispiel für uns.  So verlockend und angenehm sein Leben in Ägypten auch war, er entschied sich dennoch, mit seinem Volk – Gottes Volk – zu leiden.  Dabei „verließ er Ägypten und fürchtete nicht den Zorn des Königs; denn er hielt sich an den, den er nicht sah, als sähe er ihn“ (Hebräer 11, 27). Moses Vision ließ ihn den ewigen Gott hinter der vergänglichen Welt um ihn herum sehen.  Doch für eine kurze Zeit wurde sogar Moses Vision von Gott durch seine Verärgerung über das ständige Klagen der Israeliten beeinträchtigt, was dazu führte, dass er sich irrte und den Einzug in das Gelobte Land verpasste (4. Mose 20, 10-12).

Auch wir können feststellen, dass die Stärke und Klarheit unserer Vision mal zu- und mal abnimmt, abhängig von unseren Lebensumständen.  Dennoch müssen wir danach streben, dass unsere Vision immer weiter wächst.  Während wir im Glauben reifen, müssen wir danach streben, uns von Gott die Wahrheit über diese Welt, die Wunder der zukünftigen Welt und seine eigene Realität immer vollständiger zeigen zu lassen.  Und warum?  Weil ein Verlust der Vision verheerend sein kann – der Weg zurück nach Ägypten beginnt mit einer Vision, die verzerrt, korrumpiert oder verloren ist.

Der Verlust der Vision führte Paulus' Begleiter Demas zurück in die Welt und zurück ins geistliche Ägypten.  Demas dürfte viele Schwierigkeiten ertragen haben, während er mit Paulus zusammenarbeitete.  Wo auch immer Paulus und seine Gefährten hinreisten, warteten oft Schwierigkeiten auf sie!  Doch obwohl er Demas in zwei seiner Briefe positiv erwähnt – in Kolosser 4, 14 und in Philemon 24, wo er als „Mitarbeiter“ beschrieben wird –, schreibt Paulus später an Timotheus: „Demas hat mich verlassen und diese Welt lieb gewonnen“ (2. Timotheus 4, 10).  Demas hat nicht erkannt, dass wir, wenn wir unseren Fokus auf „diese Welt“ legen und unsere Augen vor der Korruptheit und Unbeständigkeit ihrer Wesensart verschließen, die zukünftige Welt, die Gott bringt, und das zukünftige Leben, das er in uns manifestieren wird, aus den Augen verlieren.

Dieses Problem ist so alt wie die Israeliten.  Nachdem sie das Rote Meer durchquert hatten, sangen die Israeliten das „Lied des Mose“.  Als die toten Soldaten der Ägypter hinter ihnen ans Ufer gespült wurden, blickten sie auf das Land der Verheißung vor ihnen, das sie erwartete, und sangen, „die Völker Kanaans sind voller Angst“ und: „Du selber bringst es [Israel, das Volk des Eigentums] hin zu deinem Berg und pflanzt es ein am Ort, an dem du wohnst, beim Heiligtum, das du geschaffen hast“ (2. Mose 15, 15-17). Zumindest für einen Moment hatten die Israeliten eine klare Vorstellung von Gottes Fähigkeit, sie in einem neuen Land zu beschützen und zu versorgen.

Leider verblasste ihre Vision schnell, je näher sie diesem Land kamen, und knurrende Mägen begannen, ihre Sicht zu vernebeln.  „Wer wird uns Fleisch zu essen geben?“, riefen sie. „Wir denken an die Fische, die wir in Ägypten umsonst aßen, und an die Kürbisse, die Melonen, den Lauch, die Zwiebeln und den Knoblauch“ (4. Mose 11, 4-5).  Die Erinnerungen an die Peitsche des Sklavenhalters und die massenhafte Tötung ihrer Kinder wichen einem Hunger nach den kulinarischen Genüssen Ägyptens.  Anstatt Gott für das Manna zu danken, verfluchten sie es als unzureichend (V. 6) und vergaßen dabei, dass es nur für die Reise gedacht war – das Land, in das sie unterwegs waren, hatte so viel mehr auf Lager, wie zum Beispiel Milch, Honig, Getreide, Wein, Vieh und Öl im Überfluss (5. Mose 11, 9-15).

Da sie Gott als ihren Versorger aus den Augen verloren, verloren sie ihn auch als ihren Beschützer aus den Augen.  An der Schwelle zum Gelobten Land waren die Israeliten, die einst sangen, dass die Bewohner des Landes vor Gott „voller Angst“ sein würden, plötzlich selbst von Angst erfüllt:

„Ach dass wir gestorben wären in Ägyptenland oder in dieser Wüste, ach wären wir doch gestorben.  Warum führt uns der Herr in dies Land, damit wir durchs Schwert fallen und unsere Frauen und unsere Kinder ein Raub werden? Ist’s nicht besser, wir ziehen wieder nach Ägypten? Und einer sprach zu dem andern: Lasst uns einen Hauptmann über uns setzen und wieder nach Ägypten ziehen!“ (4. Mose14, 1-4).

Nachdem sie ihre Vision vom Gelobten Land verloren hatten und ihre Erinnerung an das vergangene Leben in der Gefangenschaft verzerrt war, sehnte sich Israel danach, nach Ägypten zurückzukehren.

Sehnen auch wir uns nach einer Umkehr, wenn unsere Vision ins Wanken gerät?  Wenn wir den Weg gehen, den Gott von uns verlangt, verleiten uns dann neue Nöte dazu, zu vergessen, wie unser altes Leben ohne ihn war?  Ist unser geschäftiges, modernes Leben so vollgestopft, dass wir nicht über das Durcheinander hinwegsehen und uns das kommende Reich Gottes und das herrliche Ziel vorstellen können, das Gott in unserem Leben verwirklicht?  Oder haben wir einfach Gott selbst aus den Augen verloren – ohne Bewusstsein für das Werk, das er in uns tut, um den Charakter, die Barmherzigkeit und die Liebe seines eigenen Sohnes in uns aufzubauen, unfähig, zu sehen, wie er in unseren Herzen eine Herrlichkeit erschafft, die er eines Tages im äußeren Erscheinen offenbaren wird? 

Wenn wir nicht achtsam sind, können Elemente unserer fleischlichen Wesensart und unserer unbekehrten Vergangenheit anfangen, attraktiver und verlockender als zuvor zu erscheinen, bis wir uns – früher als wir es uns je hätten vorstellen können – auf dem Weg zurück nach Ägypten befinden.

 

Stolz und Ehrgeiz

Ein weiterer mächtiger Einfluss, der viele in ihr eigenes geistliches Ägypten zurückführt, ist die gleiche Kraft, die den Erzengel Luzifer gegen seinen Schöpfer wandte: Stolz.

Persönlicher Stolz und Ehrgeiz können es uns sehr schwer machen, in die Richtung zu gehen, in die Gott uns führen will. Gottes Weg für uns mag durch viele warme und einladende Orte führen, aber auch durch einige herzlose und kalte. Doch ungeachtet des Geländes ist es ein Weg, der in Demut gegangen werden muss. Persönlicher Hochmut und selbstsüchtiger Ehrgeiz können Menschen schneller und vollständiger zu Fall bringen, als jede andere Prüfung des Glaubens.

Genauso wie physikalische Kräfte in bestimmte Richtungen ziehen, neigt sündiger Stolz dazu, uns in das Gegenteil dessen zu ziehen, wohin Gott uns führen möchte.  Die Anziehungskraft von Stolz war stark genug, um einen von Gottes größten Engeln zu verderben, der in der Gegenwart seines Schöpfers arbeitete. Wie Paulus warnte, kann Stolz „dieselbe Verdammnis wie der Teufel“ über uns bringen (1. Timotheus 3, 6), und selbstsüchtiger Ehrgeiz ist das Gegenteil der Gesinnung Christi (Philipper 2, 3-5).

Israel hatte seinen Anteil an Hochmütigen und Ehrgeizigen, die bereit waren, das Volk Israel von dem Weg abzubringen, den Gott ihnen gezeigt hatte. Doch es ist leicht zu übersehen, wie „normal“ uns solche Personen erschienen wären und wie viel Achtung wir für sie empfunden hätten, wenn wir dabei gewesen wären.  Bedenken Sie, was geschah, als Korah, Datan und Abiram Mose gegenüberstanden, „dazu zweihundertfünfzig Männer unter den Israeliten, Vorsteher der Gemeinde, von der Versammlung berufen, namhafte Leute“ (4. Mose 16, 1-2).  Diese Beschreibung, „namhafte Leute“, ist wichtig.  Es waren Männer, die beim Volk Israel in hohem Ansehen standen.

Vielleicht war es dieses Ansehen und die Wertschätzung ihrer persönlichen Qualitäten, die sie vom Weg abbrachte, so wie es Satans Selbstverständnis mit ihm tat (Hesekiel 28, 17).

Indem sie die Führung von Mose und Aaron infrage stellten, traten sie den beiden entgegen – nicht, indem sie sagten, dass diese sich von Gott abwandten, sondern dass sie genauso das Recht hätten, Gottes Volk in seinem Namen zu führen.  „Ihr geht zu weit!“, sagten sie: „Denn die ganze Gemeinde, sie alle sind heilig, und der Herr ist unter ihnen.  Warum erhebt ihr euch über die Gemeinde des Herrn?“ (4. Mose 16, 3).

Das ist wichtig zu erkennen, denn der Weg zurück nach Ägypten sieht nicht immer wie der Weg zurück nach Ägypten aus.  Diese Männer sprachen von Gott.  Sie sprachen von der Heiligkeit des Volkes und von Gottes Gegenwart unter ihnen.  Und sie stellten Mose und Aaron als die Hochmütigen hin, die es wagten, einen Platz einzunehmen, von dem sie behaupteten, Gott hätte ihn anderen gegeben.  Aber die Ermahnung von Mose an sie war eindeutig:

„Und Mose sprach zu Korach: Höret doch, ihr Söhne Levi! Ist’s euch zu wenig, dass euch der Gott Israels ausgesondert hat aus der Gemeinde Israel, ihm zu nahen, damit ihr den Dienst für die Wohnung des Herrn verseht und vor die Gemeinde tretet, um ihr zu dienen? Er hat dich und mit dir alle deine Brüder, die Söhne Levi, zu sich nahen lassen – und ihr sucht nun auch das Priestertum?“ (Verse 8-10).

Mose erkannte an, dass diese Männer von Gott dazu berufen worden waren, Führer unter seinem Volk zu sein und in einer besonderen Weise zu dienen.  Doch er wies auch auf die Art ihrer Sünde hin: In ihren Augen waren solche gesegneten Positionen der Leitung und des Dienstes offenbar „eine Kleinigkeit“, und sie begehrten mehr, sogar das ganze Priestertum.  Ihre Klage klang oberflächlich wie eine Sorge um die Dinge Gottes, doch Gott sah sie als das, was sie war – sündiger Stolz und selbstsüchtiger Ehrgeiz.

Erfüllt von Ehrgeiz sahen Korah und seine Mitaufständischen Mose und Aaron als Hindernisse zwischen ihnen und ihren eigenen, persönlichen Zielen und Wünschen.  Infolgedessen konnten sie den Ewigen nicht mehr als den Souverän sehen, der diese Männer eingesetzt hatte und hinter ihnen stand.  Die Rebellen behaupteten, sich gegen Mose zu stellen und beschuldigten ihn, er wolle wie ein Fürst „über uns herrschen“ (Vers 13).  Tatsächlich aber erkannte Mose: „Du und deine ganze Rotte, ihr macht einen Aufruhr wider den Herrn!“ (Vers 11).

Der Stolz verzerrte den Geist dieser Männer so sehr, dass sie begannen, Ägypten und nicht das Gelobte Land als das Land zu beschreiben, „in dem Milch und Honig fließen“ (4. Mose 16, 13).  Hätte man ihnen erlaubt, Israel so zu führen, wie sie es wollten, wie lange hätte es gedauert, bis eine Rückkehr nach Ägypten auf ihre Tagesordnung gekommen wäre?

Auch die neutestamentliche Gemeinde hatte ihren Anteil an hochmütigen Charakteren.  Der Apostel Johannes schrieb von Diotrephes, der es liebte, eine herausragende Stellung zu haben, der aber mit „bösen Worten“ gegen Johannes sprach und Spaltung verursachte (3. Johannes 9-10).  Johannes dürfte damals sehr alt gewesen sein, und auch heute sehen wir von Zeit zu Zeit junge Männer auftauchen, die ihre neuen Ideen und ihren Ehrgeiz höher einschätzen als jedes mögliche Gewicht an Weisheit, das die „alte Garde“ bieten könnte.  Erfüllt vom Eifer der Jugend und selbstzufrieden, verhindert der Stolz, dass sie sehen, dass man sowohl 100 Prozent eifrig und überzeugt sein kann, als auch 100 Prozent falsch liegen kann (vgl. Römer 10, 2).

Unsere „Jeremia-17,9-Herzen“ werden versuchen, uns davon zu überzeugen, dass unsere Ziele edel und unsere Absichten selbstlos sind – aber Handlungen aus egoistischem Stolz und Ehrgeiz fühlen sich für die Stolzen und Ehrgeizigen gewöhnlich so an.  Und sie führen immer in die gleiche Richtung: zurück ins geistliche Ägypten.  Auf allen Ebenen, im Großen wie im Kleinen – ob in Positionen großer Macht und großen Einflusses oder in den einfachsten Taten des Dienstes an einem anderen Menschen – müssen wir uns davor hüten, uns selbst zu erhöhen.  Um auf dem Weg zu unserer Belohnung zu bleiben, drängte der Apostel Petrus vielmehr auf Demut als notwendige Zutat, indem er die Jüngeren daran erinnerte, sich den Älteren unterzuordnen, und alle daran erinnerte, sich einander unterzuordnen, und er betonte: „Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade“ (1. Petrus 5, 5).

 

Kränkung und Groll

Wenn der Teufel in seinem Bemühen, die Mitglieder der Gemeinde Gottes nach Ägypten zurückzudrängen, irgendein Werkzeug mehr als alle anderen bevorzugt, dann ist dieses Werkzeug wahrscheinlich persönliche Kränkung.  Dies mag wohl der Auslöser für eine der berühmtesten historischen Erzählungen in der Bibel gewesen sein.  Die meisten von uns sind mit König Davids ehebrecherischer Affäre mit der Frau von Uria, einem seiner treuen, mächtigen Männer, vertraut.  Davids schmutzige Affäre mit Batseba veranlasste ihn, Urias Tod im Kampf zu arrangieren – von dem er offensichtlich hoffte, dass er als Unfall angesehen werden würde –, damit er Batseba schnell selbst heiraten konnte und das Kind, das sie trug, nicht als Beweis für seine Sünde dienen würde.  Die Schrift sagt uns dagegen einfach, aber unheilvoll: „dem Herrn missfiel die Tat, die David getan hatte“ (2. Samuel 11, 27).  In 2. Samuel 12 wird dann die Lösung der Angelegenheit beschrieben, die den tragischen Tod des Kindes und Gottes Einsatz des Propheten Nathan einschloss, um David zur Umkehr zu verhelfen.

Eigentlich ist „Lösung“ ein zu starkes Wort, denn die Auswirkungen von Davids Sünde zogen sich durch sein gesamtes Leben und die Geschichte Israels.  Wir sehen das an der Rebellion von Davids Sohn Absalom.  Die schreckliche Geschichte von Absalom, seiner Schwester Tamar und seinem Halbbruder Amnon offenbart genug Bitterkeit, dass wir uns vorstellen können, welche Rolle sie bei Absaloms späterem Staatsstreich gespielt haben könnte. 

Und es gibt noch ein weiteres subtiles Detail, das in diesem Bericht zu finden ist.  Es ist schwer, Ahitofels persönliche Verwicklung nicht zu bemerken – nicht nur, dass er Absalom riet, mit allen Konkubinen seines Vaters zu schlafen, um die Tiefe seiner Trennung von David zu zeigen (2. Samuel 16, 21-22), sondern auch, dass er darum bat, persönlich Männer anzuführen, um den König zu erschlagen, während er „schwach und müde“ ist (2. Samuel 17, 1-3).  Einige spekulieren, dass Ahitofels Verrat der Auslöser für Psalm 55 war, in dem ein untröstlicher David den Verrat eines Mannes beklagte, der kein „Feind“, sondern ein „Gefährte“ war, der auch sein „Freund“ und „Vertrauter“ war und mit ihm unter Gottes Volk im Gottesdienst versammelt war (V. 13-15).

Was könnte einen der vertrautesten Verbündeten Davids um 180 Grad gedreht haben, so dass er versuchen würde, Davids Namen unter dem Volk zu zerstören und persönlich seinen Tod zu suchen?  Ein Hinweis kommt an einer vielleicht unerwarteten Stelle.  In einer der Listen von Davids mächtigen Männern lesen wir von „Eliam, der Sohn Ahitofels, der Giloniter“ (2. Samuel 23, 34).  Und wenn wir über die Abstammung von Batseba lesen, erfahren wir, dass sie „die Tochter Eliams“ war (2. Samuel 11, 3). Dies sind die einzigen Erwähnungen eines Eliam in der Bibel, und sie implizieren, dass Ahitofel der Großvater von Batseba war.

Ist es vorstellbar, dass es einen verletzt, verbittert und nachtragend macht, wenn man sieht, wie ein Mann, sogar ein enger Freund, seine Stellung und sein Privileg dazu benutzt, das Leben seiner Enkelin zu zerstören – indem er mit ihr Ehebruch begeht, sie schwängert, ihren Mann töten lässt, um es zu vertuschen, und höchstwahrscheinlich ihr Ansehen in den Augen des Volkes befleckt?  So war es wohl auch bei Ahitofel.  Unkontrollierte Bitterkeit ist in der Lage, selbst die solideste Loyalität zu verderben und die Herzen selbst der weisesten und scharfsinnigsten Menschen zu verdrehen.

Kränkungen können nur dann Macht über uns gewinnen, wenn wir es zulassen – aber wenn sie das tun, ist ihre Macht in der Tat stark.  Mit ihren allmählichen, aber stetigen Hieben können sie sogar die Richtung derer ändern, die wir für unantastbar und standhaft halten.  Selbst Aaron und Mirjam, die Mose so nahe standen und direkte Zeugen von Gottes Wirken durch ihren Bruder waren, waren nicht immun.  Sie nahmen Anstoß an Moses Heirat einer Äthiopierin – eine Heirat, von der der Geschichtsschreiber Josephus annimmt, dass sie ein Überbleibsel aus dem Leben des Propheten in Ägypten war – und warfen ihre Sicht der einzigartigen Autorität von Moses aus erster Hand beiseite.  Sie sprachen gegen ihn, indem sie erklärten: „Redet denn der Herr allein durch Mose? Redet er nicht auch durch uns? Und der Herr hörte es“ (4. Mose 12, 1-2).  Als Antwort donnerte der Ewige ihnen eine Erinnerung an seine besondere Beziehung zu Mose entgegen – wie er mit Mose auf eine Weise arbeitete, wie mit niemandem sonst – und dann fragte er: „Warum habt ihr euch denn nicht gefürchtet, gegen meinen Knecht Mose zu reden?“ (Vers 8).  Dann schlug er Mirjam mit Aussatz und versprach, sie auf Moses Bitte hin wieder zu heilen, nachdem sie eine Woche außerhalb der Gemeinde verbracht hatte (Verse 13-15).

Verbitterung und Groll färben unsere Sicht der Dinge – und ehe wir uns versehen, sind sie alles, was uns im Sinn ist.  Gott hat Paulus dazu inspiriert, uns davor zu warnen, zornige Gefühle unkontrolliert in uns wachsen zu lassen, und er ermahnte uns, unserem Zorn nicht zu erlauben, so lange zu verweilen, bis er uns in einen sündigen Geisteszustand hineinzieht und dem Teufel selbst in unserem Leben Platz einräumt (Epheser 4, 26-27). „Alle Bitterkeit und Grimm und Zorn und Geschrei und Lästerung seien fern von euch samt aller Bosheit“.  Und er fordert uns stattdessen auf: „Seid aber untereinander freundlich und herzlich und vergebt einer dem andern, wie auch Gott euch vergeben hat in Christus“ (Verse 31-32).

Sich zu Unrecht verletzt oder angegriffen zu fühlen, ist eine Last, aber es ist eine Last, die Christus selbst ebenfalls gut kennt.  Doch seine Reaktion war nicht, in Bitterkeit und Groll zu verfallen – nicht dem Teufel einen Platz in seinem Herzen zu geben, ihn in Richtungen zu lenken, die er nicht gehen wollte –, sondern er, „der, als er geschmäht wurde, die Schmähung nicht erwiderte, nicht drohte, als er litt, es aber dem anheimstellte, der gerecht richtet“ (1. Petrus 2, 23).  Das Wissen, dass Gottes Urteil über ihn wahr war, war alles, was er brauchte, um die Lasten des Unrechts, das er erlebte, zu tragen und zu verstehen, dass Gott sie zu seiner Zeit und zum größeren Wohl, das sie gemeinsam suchten, führen würde.

Die Alternative ist, zuzulassen, dass eine „bittere Wurzel“ tief in unserem Herzen zu wachsen beginnt – eine Wurzel, die die Bibel mit jemandem in Verbindung bringt, „dessen Herz sich heute von dem Herrn, unserm Gott, abwende“ (5. Mose 29, 18; Schlachterbibel) und der geistlich befleckt wird (Hebräer 12, 15).

Verbitterte Herzen suchen nicht nach dem Reich Gottes.  Sie sehnen sich danach, Missstände zu beseitigen, Unrecht, das ihnen angetan wurde, wiedergutzumachen und Rechnungen zu begleichen.  Diese Sehnsüchte mögen menschlich vernünftig erscheinen, aber sie ziehen ihre Besitzer zurück nach Ägypten, wo solche Bestrebungen erlaubt sind und sogar gefördert werden.  Wir halten oft an Bitterkeit und Groll aus der fleischlichen Hoffnung heraus fest, von denen, die uns verletzt haben, eine Art Preis zu fordern – aber am Ende zahlen wir selbst einen viel höheren Preis.

 

Welchen Weg wollen wir gehen?

Wie Israel stehen auch wir an den Ufern unseres eigenen Roten Meeres.  Gott hat es uns ermöglicht, vorwärts zu gehen, und er hat uns das unvergleichliche Land gezeigt, das am Ende der Reise auf uns wartet.  Wir haben es gekostet, und die Tage der Ungesäuerten Brote ermutigen uns, über die Beschaffenheit dieses Landes nachzudenken.  Diese Tage erinnern uns daran, dass wir mit Gott zusammenarbeiten müssen, um unser Leben zu einem Gefäß für bessere Dinge zu machen und dafür zu sorgen, dass es zunehmend die Eigenschaften der Welt widerspiegelt, in der wir das ewige Leben verbringen wollen, und nicht der vom Tod befleckten Welt, die wir hinter uns gelassen haben.

Dennoch bleibt Ägypten auf der anderen Seite unseres Roten Meeres, das nach uns ruft – und danach strebt, uns zurück in all das zu ziehen, was wir verlassen haben.  Und der Teufel ist ausdauernd.  Er gewinnt große Genugtuung, ob wir unsere Reise zurück beginnen, indem wir nur unsere Zehen ins Wasser tauchen und dann ein paar Schritte hineinwaten, oder ob wir mit Begeisterung eintauchen, um zwischen den Leichen hindurch zu schwimmen.  Den geistlichen Pharao des Landes der Knechtschaft kümmert das nicht.  Ihm genügt es, zu wissen, dass wir seine Richtung eingeschlagen haben.

Aber wir sollten ihm diese Genugtuung nicht geben.  Lassen Sie uns, nachdem wir Ägypten hinter uns gelassen haben, vorwärts gehen und den Kräften, die uns zurückziehen wollen, widerstehen und sie überwinden.  Unser Erlöser und der Heilige Geist sind da, um uns alle Hilfe zu geben, die wir jemals brauchen könnten, und wenn wir durchhalten – und weiterhin einen Fuß vor den anderen setzen – werden wir uns bald nicht nur auf der anderen Seite des Roten Meeres, sondern auch auf der anderen Seite des Jordans wiederfinden.