Anfang der 1950er Jahre übergab eine Beduinengruppe dem Archäologischen Museum in Jerusalem, heute Rockefeller Museum, Dokumente, die sie in einer Grotte entdeckt hatten.  Dieses waren nicht die originalen Schriftrollen vom Toten Meer, die in Qumran gefunden wurden, sondern Funde von einem Ort, der zwischen En Gedi und Masada liegt.  Die Schriftrollen enthielten biblische Texte, von denen eines sehr wichtig für unser Verständnis der Bibel ist.  Es war eine in Griechisch verfasste Schriftrolle der Kleinen Propheten.

Einzelheiten dieser Rolle wurden in den 1950er Jahren veröffentlicht und seither wird die Schriftrolle weiter untersucht.  Dies war eine wichtige Entdeckung, da ansonsten so viel von der jüdischen Literatur, die auf Griechisch niedergeschrieben wurde – wie zum Beispiel Josephus, Philo von Alexandrien und das Buch Henoch – und speziell Dokumente aus der Zeit vor Jesus Christus, durch Gemeinschaften bekennender Christen bewahrt wurde, anstatt durch die Juden selbst.  Folglich wusste man nie, wie vielen „Überarbeitungen“ die Texte unterzogen worden waren, um eine bestimmte christliche Meinung zu unterstützen, oder um zu den Zielen einer speziellen Gruppierung zu passen.

Besonders wichtig ist, dass der Text selbst, obwohl in Griechisch, ein eindeutig jüdischer Text ist und den Masoretischen Texten besonders nahesteht, verglichen mit den späteren christlichen Übersetzungen des Griechischen, wie sie am Anfang des 3. Jahrhunderts von Origenes geprägt wurden.  Das allgemein akzeptierte Erstellungsdatum dieses Texts ist das Ende des 1. Jahrhunderts v.Chr., mit anderen Worten, zur Zeit der Geburt Jesu.  Der Text wurde am Ende des zweiten Jüdischen Aufstands gegen Rom (135 n.Chr.) in der Grotte Nahal Hever gelagert und wurde, zusammen mit anderen biblischen Schriften und Briefwechseln auf Hebräisch, Aramäisch und Griechisch in diesen Grotten versteckt.

Warum soll das alles aber für uns im 21. Jahrhundert wichtig sein?

 

Lösung eines Problems mit Namen

Der Grund ist, dass die Zeit der Niederschrift, die Schriftrolle selbst, ihre jüdische Herkunft und vor allem die Sprache, in der sie geschrieben wurde, uns ermöglichen, ein Problem mit Eigennamen zu lösen.

Es gibt Menschen, die behaupten, dass der Name Jesus ein Name heidnischer Herkunft sei, und dass der Sohn Gottes nur einen hebräischen Namen haben dürfe.  Sie behaupten auch, dass es gegen das dritte Gebot verstoße, im Deutschen den Namen Jesus zu verwenden, oder wie man ihn auch immer in eine andere Sprache übersetzen würde.  War nun der Name Jesus – oder auf Griechisch IESOUS – ein gebräuchlicher Name unter den Juden zur Zeit der frühen christlichen Kirche?

Die Schriftrolle der Kleinen Propheten sagt, dass dies der Fall war. In Sacharja 3, 8 hören wir von einem Hohepriester, der von allen Sünden gereinigt wurde und rechtschaffen vor dem Herrn erscheinen konnte.  Sein Name wird im Deutschen mit Jeschua widergegeben.  Dies ist die Übersetzung des Hebräischen YEHOSHUA.  In dieser griechischen Schriftrolle jedoch wird der Name IESOUS verwendet, von dem wir im Deutschen den Namen Jesus ableiten.

Es kursiert die Behauptung, „dass der Erlöser niemals zu seinen Lebzeiten Jesus genannt wurde.  Gelehrte weisen darauf hin, dass der Name Jesus tatsächlich erst seit etwa 500 Jahren existiert“ (DeWitt Smith, „The Heavenly Father’s Great Name“ [Des himmlischen Vaters großer Name]), Doch diese Behauptung wurde durch diese archäologische Entdeckung als unwahr bewiesen.  Unabhängig davon, wie der Name Jesus auf Deutsch auszusprechen ist, ist es Tatsache, dass Jesus auf Griechisch, IESOUS, kein sogenannter „heidnischer Name“ ist, sondern die traditionelle und anerkannte Übersetzung des hebräischen YEHOSHUA, dem deutschen Leser besser bekannt als Josua.

Doch die Beweise für den Namen Jesus hören hier nicht auf.

Als Ergebnis der archäologischen Forschungen besonders von den 1950er Jahren bis heute sind Namen, die durch archäologische Entdeckungen zutage kamen, katalogisiert worden.  Eine dieser Katalogisierungen ist ein Lexikon jüdischer Namen der israelischen Gelehrten Tal Ilan.  In ihrem Lexikon zeigt Ilan den weit verbreiteten Gebrauch dieses Namens in Palästina von der Zeit Alexanders des Großen bis zum Ende der 2. mittelhebräischen Periode. (Tal Ilan, Lexicon of Jewish Names in Late Antiquity: Part 1, Palestine 330 BCE-200 CE [Lexikon jüdischer Namen im späten Altertum: Teil 1; Palästina 330 v.Chr. – 200 n.Chr], Texts and Studies in Ancient Judaism [Texte und Studien des Judaismus im Altertum], 91.Tübingen: Mohr Siebeck, 2002. Seiten 127-133).  Interessant ist die Häufigkeit, mit der der griechische Name IESOUS in den Ossuarien, oder Knochensärgen, eingemeißelt gefunden wurde.  Diese waren eine besondere Form der jüdischen   Begräbniskultur.  Bei dieser wurden die Toten in Gräber gelegt, genau wie Jesus Christus nach seiner Kreuzigung. 

Aus dem Fels gehauene Grabstätten waren jedoch zu kostbar um nur einmal gebraucht zu werden.  Familien hatten vor, ganze Generationen von Verstorbenen in einem Familiengrab zu bestatten.  Daher wurden, nach einer Periode der Verwesung – etwa einem Jahr –, die Knochen in einen Steinbehälter (eine Ossuarie) gelegt, der dann in einer Nische im Grab gelagert werden konnte.  Das Grab selbst wurde danach für das nächste verstorbene Familienmitglied hergerichtet.

Ein Grund, der angeführt wird, warum die Ossuarien aufkamen, war, dass diese Steinbehälter sicherstellten, dass die Gebeine Verstorbener bis zur Auferstehung zusammengehalten wurden, sodass sie nicht mit anderen vermischt werden konnten, was (wie man befürchtete) zur Folge gehabt hätte, dass die individuelle Persönlichkeit der Verstorbenen bei der Auferstehung nicht mehr hätte gewährleistet werden können (L. Y. Rahmani, „Ancient Jerusalem‘s Customs and Tombs: Part Four“ [Bräuche und Gräber des antiken Jerusalem: Teil 4], Biblical Archaeologist,  1982, Seite 111).  

Eines der größten bekannten dieser Grabmäler, die Gräber des Sanhedrins, konnte bis zu 70 Verstorbene auf einmal aufnehmen und hatte Stellplätze für zahlreiche Ossuarien.  Der Name des Verstorbenen wurde dann oft in die Ossuarien eingemeißelt.  Dieser Brauch wurde nur von Juden in und um Jerusalem für etwa ein Jahrhundert bis zur Zerstörung der Stadt 70 n.Chr. gepflegt.  Nach dem Fall Jerusalems wurde er für einige Zeit an anderen Orten im Lande weitergepflegt.  Dies alles gibt uns eine interessante Einsicht in die Namen, die von jüdischen Familien zu der Zeit gebräuchlich waren, als unser Erlöser auf dieser Erde wandelte, sowie in den Entstehungsjahren der frühen Kirche.

Gemäß der Liste von Ilan wurde der Name IESOUS in elf solcher Ossuarien eingemeißelt, während eine abgekürzte Form des hebräischen Namen YEHOSHUA-YESHUA auf zwölf anderen Ossuarien in der Umgebung von Jerusalem gefunden wurde.  Die Abkürzung des Namens Josua findet man in Esra 2, 2 und in den Büchern Nehemia und 1. Chronik.  Der abgekürzte Name war nach der Rückkehr aus der Gefangenschaft die Norm.

 

Mehr Beweise

Was wissen wir über die Personen, die in den Grotten um Jerusalem beigesetzt wurden, und deren Überreste in Ossuarien gelegt wurden? Jerusalem war ein beliebter Ort, um begraben zu werden, in der Nähe des Tempels in Erwartung der Auferstehung und Erscheinung des Messias.  Familien von außerhalb Jerusalems und so weit entfernt wie Kyrene in Nordafrika, kauften Grabstätten in Jerusalem, um dort begraben zu werden.  Joseph von Arimathäa, in dessen neuem Grabmal Jesus beigesetzt wurde, ist ein Beispiel dafür.  Die Namen, die in die Ossuarien eingemeißelt wurden, waren also nicht heidnischen Ursprungs, sondern stammten von Menschen, die auf ihre Art auf die Erlösung Israels hofften, und auf die Auferstehung von den Toten warteten.  Diese Personen könnten mit den frommen Juden in Verbindung gebracht werden, die in Jerusalem versammelt waren, um die Predigt von Petrus am Pfingsttag im Jahre 31 n.Chr. zu hören.  Ihre Reaktion auf die Wahrheit und den Plan Gottes halfen, eine starke Grundlage für einen ersten „Baustein“ der frühen, neutestamentlichen Kirche zu schaffen.

Der andere Ort, der zahlreiche Einträge für Ilans Lexikon lieferte, waren die Dokumente, die in den Babatha Archiven in Nahal Hever entdeckt wurden, demselben Ort, an dem die Schriftrolle der kleinen Propheten gefunden wurde, die am Anfang dieses Artikels erwähnt wurde.  Andere Dokumente, die an weiteren Orten wie Muraba’at und Masada gefunden wurden, erhöhte die Häufigkeit, mit der der griechische Name IESOUS unter Juden gefunden wurde.  Bei diesen Entdeckungen kam der griechische Name IESOUS  20 Mal vor, während der hebräische Name YESHUA 25 Mal erschien.  Man muss bedenken, dass die entdeckten Babatha Briefe und die Dokumente von Muraba’at nicht einfach von irgendeinem Juden stammten, der vielleicht von heidnischen Ideen beeinflusst gewesen sein konnte.  Diese Dokumente gehörten und handelten von Anhängern des Simon Bar Kochba, einer selbsternannten Messiasfigur.  Um es nochmals zu erwähnen: Diese Menschen warteten auf einen Messias, der sie vor ihren Feinden erretten und Gottes Reich errichten sollte.

Die Beweise von den Ossuarien und den archäologischen Entdeckungen aus den Grotten liefern hieb- und stichfeste Beweise für den weitverbreiteten Gebrauch des griechischen Namens IESOUS vor, während und nach dem Leben Jesu Christi.

Die Idee also, dass der Name Jesus heidnisch gewesen sei, oder dass er keinen griechischen Namen, sondern nur einen hebräischen oder aramäischen Namen gehabt hätte, kann vor diesen Beweisen nicht bestehen.  Griechische Namen, die Übersetzungen von hebräischen Namen waren oder gleichwertig wie diese verwendet wurden, sind sehr gut belegt.  Man hat von frühen Kirchenmitgliedern nicht erwartet, als Voraussetzung für die Taufe in den Leib Christi, hebräische Namen zu kennen.